Antibiotikatherapie

Verordnungs-Flickenteppich Deutschland

Berlin - 16.02.2012, 09:40 Uhr


Obwohl es für die Therapie vieler Infektionskrankheiten in Deutschland klare Leitlinien gibt, werden Antibiotika unterschiedlich oft verordnet. So erhalten beispielsweise Kinder im Nordosten Deutschlands doppelt so häufig Antibiotika wie Kinder in Süddeutschland. Dies zeigt das Internetportal „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung.

„Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen sind riesig“, sagt Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung. „In einigen Landkreisen im Osten Mecklenburg-Vorpommerns erhielt die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren mindestens ein Mal ein Antibi­otikum vom Arzt verordnet. Das sind doppelt so viele wie beispielweise in bestimmten Landkrei­sen im südlichen Bayern.“ 

Kindern werden bundesweit deutlich mehr Antibiotika verordnet als Erwachsenen, heißt weiter. Im Jahr 2009 bekam jedes zweite Kind zwischen drei und sechs Jahren mindestens einmal ein Antibiotikum verschrieben. Bei Erwachsenen war es jeder Dritte. Die häufige Verordnung ist nicht immer sinnvoll und notwendig: Klassische Erkältungskrankheiten werden hauptsächlich durch Viren, gegen die Antibiotika nicht wirken, ausgelöst.  „Trotzdem werden im ambulanten Bereich bis zu 60 Prozent, manchmal sogar bis zu 80 Prozent der Patienten primär antibiotisch behandelt, obwohl es sich in 90 bis 95 Prozent der Fälle um Viruserkrankungen handelt“, sagt Prof. Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen.

Das Verordnungsverhalten  einzelner Arzt-Disziplinen unterscheidet sich ebenfalls: „Bei nicht eitrigen Mittelohrentzündungen, bei denen Antibi­otika laut Leitlinien nur in Ausnahmefällen angezeigt sind, verordneten 33 Prozent der Haus­ärzte Antibiotika, aber nur 17 Prozent der Kinderärzte und 9 Prozent der HNO-Ärzte. Bei Lun­genentzündung, wo die Verordnung von Antibiotika angezeigt ist, waren es 80 Prozent der Kin­derärzte, aber nur 66 Prozent der Hausärzte“, erläutert Etgeton.

Weiter macht der „Faktencheck Gesundheit“ eine Reihe von Vorschlägen, wie die häufige Verordnung und Einnahme von Antibiotika eingedämmt werden könnten. Sie gibt Eltern Tipps für das Arztgespräch und zeigt Ärzten Maßnahmen für  eine bedarfs- und leitliniengerechtere Versorgung auf.

Weitere Informationen finden Sie unter www.faktencheck-antibiotika.de.


Svenja Schwob


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