Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung

Antibiotikaeinsatz bei Infektionen der oberen Atemwege rückläufig

Stuttgart - 04.04.2023, 10:45 Uhr

Zi-Grafik des Monats März: Anzahl der Patient:innen mit vertragsärztlich diagnostizierten Infektionen der oberen Atemwege (mit und ohne Antibiotika-Verordnung, 2014-2021). Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung

Zi-Grafik des Monats März: Anzahl der Patient:innen mit vertragsärztlich diagnostizierten Infektionen der oberen Atemwege (mit und ohne Antibiotika-Verordnung, 2014-2021). Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung


Immer seltener werden bei akuten Infektionen der oberen Atemwege Antibiotika verordnet und das ist gut so – zu diesem Schluss kommt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung nach erfolgter Auswertung der Arzneiverordnungsdaten für die Jahre 2014 bis 2021.

Zwei bis vier akute Atemwegsinfekte erleiden Erwachsene durchschnittlich pro Jahr. Bei Kindern unter fünf Jahren sind es sogar bis zu 13 Infektionen jährlich. Kaum verwunderlich, dass geplagte Patient:innen und deren Bezugspersonen sich schnelle Abhilfe von den lästigen Symptomen wünschen. Wie Apotheker:innen wissen, ist ein Antibiotikum jedoch in vielen Fällen nicht nötig oder nicht hilfreich. Etwa weil der Infekt viraler Natur ist oder weil dem oft geringen individuellen Nutzen im Krankheitsverlauf „mögliche Schadeffekte für das Individuum und die Gesamtbevölkerung (Resistenzentwicklung)“ entgegenstehen, wie es in der DEGAM S2k Leitlinie Rhinosinusitis zu lesen ist. 

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Diese in den Leitlinien verankerte Ratio, spiegelt sich immer mehr im Verschreibungsverhalten wider. Wie das Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung (Zi) in einer Pressemitteilung bekannt gab, sanken die Antibiotika-Verordnungen bei der im ambulanten Bereich häufigen Diagnose der akuten Infektion der oberen Atemwege (Nase, Nasennebenhöhlen). Während im Jahr 2014 von 17 Millionen Patient:innen mit dieser Diagnose noch 5 Millionen ein Antibiotikum verordnet bekamen, waren es 2021 bei knapp 18,5 Millionen Diagnosen nur noch 2 Millionen Verordnungen. Der Rückgang umfasste auch den Einsatz bei Kindern. 2021 erhielten gerade einmal 6 Prozent der betroffenen Kinder ein Antibiotikum.

Als Grund für den Verordnungsrückgang sieht das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung zum einen die strengere Indikationsstellung – aber auch einen Mentalitätswandel. Möglicherweise ist das Bewusstsein über Arzneimittelresistenzen und das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Antibiotika in der Bevölkerung gestiegen.


„Die Entscheidung für die Gabe eines Antibiotikums muss einer strengen Abwägung des Behandlungsnutzens und möglicher Schäden durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen folgen. Nicht indizierte Verordnungen bergen die Gefahr einer potenziellen Schädigung der Patientinnen und Patienten bei gleichzeitig möglicherweise geringem Nutzen der Antibiose. Ziel ist es daher, immer so wenig Antibiotika wie möglich, aber dennoch so viel wie nötig zu verordnen. Diesem Leitsatz folgen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte inzwischen umfassend.“

Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried


Empfohlen wird der Einsatz eines Antibiotikums bei akuter Rhinosinusitis in der entsprechenden DEGAM Leitlinie nur für 

  • Patient:innen mit besonderen Risikofaktoren (z.B. chronisch entzündliche Lungenerkrankungen oder Immundefizienz. Empfehlung „antibiotische Therapie sollte empfohlen werden“),
  • bei starken bis sehr starken Schmerzen und erhöhten Entzündungswerten (Empfehlung: „antibiotische Therapie kann empfohlen werden“)
  • sowie starken Beschwerden, die im Laufe der Erkrankung schlimmer werden und Fieber >38,5 °C (Empfehlung: „antibiotische Therapie kann empfohlen werden“).

Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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