(GKV-)Rezepte und Rx-Packungen

Auf der Suche nach der Cash Cow

10.04.2024, 17:50 Uhr

Ab wann rechnen sich Rezepte? Und wie sieht es beim E-Rezept aus? (Foto: IMAGO / Guido Schiefer)

Ab wann rechnen sich Rezepte? Und wie sieht es beim E-Rezept aus? (Foto: IMAGO / Guido Schiefer)


Miese mit Rx-Präparaten? Aber wo kommt dann das Geld in den Apotheken her? Und vor allem: Was ändert sich mit dem E-Rezept? Im neuen AWA rechnet Herausgeber Reinhard Herzog nach und wagt einen Blick in die Zukunft.

Mit 45 Prozent Anteil an allen Packungen in der Apotheke (nur GKV: 36 Prozent) sind Rx-Fertigarzneimittel in der Minderheit. Nach Umsatz stellen sie, ohne Rezepturpräparate, um 82 Prozent (GKV etwa 70 Prozent). Würde fast die Hälfte der Packungen oder nur das gute Drittel der GKV-Packungen mit 70 Prozent bis 80 Prozent Umsatzanteil Verlust bescheren, woher kommen dann 150.000 Euro Gewinn? Zumal wir noch margen- und stückertragsschwache Hilfsmittel haben, sowie viel „Krabbelware“ in der Freiwahl für wenige Euro, die kaum die Bretter verdient, auf welchen sie steht. Also müsste jede bessere OTC- oder hochwertigere Freiwahlpackung etliche Euro an echtem Gewinnbeitrag (nicht nur Stückertrag) liefern. Das kann schon bei oberflächlicher Betrachtung nicht aufgehen.

Rezepterträge

Wir fokussieren uns hier auf die dominierenden GKV-Rezepte. Privatrezepte weisen auf den ersten Blick wegen der fehlenden Kassenrabatte eine bessere Rendite und höhere Erträge auf. Allerdings ist der Produktmix deutlich anders (u. a. viele Non-Rx-Arzneimittel mit im Vergleich zu Rx niedrigeren Stückerträgen). 

Privatversicherte sind zudem tendenziell (noch) jünger und gesünder. Die durchschnittlichen Rezeptwerte liegen sogar etwas unter den GKV-Werten. Die Ertragsdifferenzen je Rezept sind also gar nicht mal so hoch.

In Tabelle 1 werden einige GKV-Beispielrezepte analysiert. Die Untergrenze markiert ein einzelnes Billig-Generikum (Listen-Einkaufspreis AEP 5,00 Euro netto). Es resultiert ein Rohertrag von knapp 7,00 Euro. Wir nehmen einen „sicheren“ Einkaufsrabatt (Skontourteil!) in Höhe von 3,0 Prozent an, bei Hochpreisern ab 1.200 Euro Herstellerpreis 30 Euro fest. Nach allen Gebühren, Spannenausgleich, Kontingentartikeln etc. ist dies bereits heute vielfach gar nicht so weit von der Realität entfernt. 

Zuschläge für Notdienste, pharmazeutische Dienstleistungen und ggf. Betäubungsmittel bleiben außen vor, auch vernachlässigen wir die Rezepturen und insbesondere die verordneten Non-Rx-Produkte, die ja nur wenige Prozent beisteuern (aber eben noch obenauf kommen).

Auf der Kostenseite setzen wir modellhaft realistische 1,00 Euro je in der Apotheke abgesetzte Packung für den Handling- und Logistikaufwand an (PKA-Bereich), und 2,00 Euro für den gesamten sonstigen (Sach-)Betriebsaufwand inklusive Kapitalkosten. Zu guter Letzt bleibt der größte Posten, nämlich der konkret einer Verordnung zuzuordnende Personalaufwand im Handverkauf und ggf. für die Nachkontrolle.

Wir gehen, durch praktische Erhebungen gestützt, von einem Grundaufwand von sechs Minuten je Rezept aus, zuzüglich einer Minute je verordnete Packung (für ein Rezept mit drei Positionen also neun Minuten). Dieser Ansatz ist realistisch, wenn man Nachkontrollen, Nachfragen in Praxen, Nachlieferaufwand usw. mit einbezieht. Die reinen Rezepte „vorne“ gehen gern schneller. Mehr als zehn, allenfalls zwölf „problemlose“ Rezeptkunden setzt man dort aber auch nicht durch. 

Bei 0,75 Euro je Minute (Mix aus Approbierten und PTA) kommen wir auf Beträge von 5,00 Euro aufwärts je Rezept für das Bedienpersonal. Weiterhin rechnen wir mit Vorfinanzierungskosten von 1,0 Prozent (also für etwa vier Wochen bei zwölf Prozent Jahreszins), bedeutsam bei teuren Präparaten. Hier fallen im Einzelfall niedrigere (gar keine?) Aufwendungen an.

Was bleibt übrig?

Welche Gewinnbeiträge liefern nun die Verordnungen? Eine Billig-Verordnung schreibt tatsächlich „rote Zahlen“. Stehen die durchschnittlichen 1,4 Rx-Packungen zu je 50,00 Euro Einkaufswert auf dem Rezept, sind wir bereits deutlich im Plus. Sehr rentabel, gerade prozentual, sind Chroniker-Rezepte mit drei Generika-Positionen. Hochpreiser rentieren, trotz Vorfinanzierungskosten, in Euro ebenfalls, prozentual ist die Marge schmal. Abbildung 1 zeigt eine Gewinn-Matrix (absolut und prozentual).

Aufgetragen sind die Packungswerte (zu AEP netto) gegenüber der statistischen Packungsanzahl je Rezept. Der „rote Bereich“ ist schmal. Allerdings liegen die prozentualen Renditen oft nur im Bereich um vier Prozent bis sechs Prozent, mit besseren Einkaufsrabatten vielleicht ein Prozent, mal zwei Prozent höher, und damit nahe an den Apothekengewinnmargen insgesamt. Das OTC-Geschäft vermag diese im Gefolge mangelnder Deckungsbeiträge kaum zu heben, abgesehen von barverkaufsstarken Lagen.

Auslaufmodell Rezeptertrag?

Nunmehr stellen sich neue Herausforderungen. Das E-Rezept ist im Grunde kein wie bisher fest verbundenes Rezept, sondern besteht aus Einzelverordnungen, die in unterschiedlichen Apotheken eingelöst werden können. Auch wenn sich das noch wenig herumgesprochen hat, so wird die Splittung zunehmen. 

Tatsächlich könnten Patienten die Akut-Packung in der Vor-Ort-Apotheke holen und die später benötigten Chroniker-Großpackungen im Versand ordern, oder eben in einer anderen Apotheke. „Rezeptwerte“ und „Rezepterträge“ büßen ihre Bedeutung ein. Der Wert und Ertrag der einzelnen Verordnung („Zeile“) werden die relevanten Größen.

E-Rezept und Splittung

Darin liegt eine große Gefahr. Wie gesehen, sind Rezepte mit mehreren Rx-Positionen die Cash Cow. Der Grenz-Stückertrag für eine einzelne Rx-Packung liegt um 8,00 Euro oder etwas höher, ab welchem die Gewinnzone erreicht wird, zumindest bei den aufwändigeren GKV-Verordnungen. Mit Billigst-Generika ist das nicht zu schaffen. 

Erst ab Einkaufswerten von gut 30 Euro erzielt man langsam Gewinne, wobei die individuell erzielbaren Nachlässe die Grenzen etwas verschieben können. Rx-Packungen ab 30 Euro zum AEP machen nur knapp 20 Prozent nach Stückzahlen aus. Das bedeutet praktisch: Geben Sie E-Rezepte nicht leichtfertig aus der Hand, und treten Sie die Möglichkeit der Splittung nicht zu breit!

Fazit

Rezepte bleiben der Ertragsbringer – sofern genug „draufsteht“. Die Splittung durch das E-Rezept ist eine noch unterschätzte Herausforderung. Wie eine irgendwann mal reibungslos funktionierende digitale Verordnungs-Prozesskette Gewinnpotenziale heben kann, wird eine der spannendsten Fragen.

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Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Schwarz auf weiß

von Stefan Haydn am 16.04.2024 um 21:25 Uhr

Schön, daß hier so offen steht, daß die ganze Akut- und vor allem Kinderversorgung völlig unterfinanziert ist.
Chroniker darf man willkommen heißen, allen mit Akut-Versorgung sollte man die Türe vor der Nase zuschlagen.

Deutschland 2024 hat fertig (zumindest in der Apotheke)

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