Merck in Frankreich

Levothyrox-Nebenwirkungen lösen Polizei-Einsatz aus

Stuttgart / Lyon - 04.10.2017, 17:55 Uhr

Frankreich: Der Euthyrox-Nachfolger Levothyrox sorgt für Razzia bei Merck in Lyon. (Foto: dpa)

Frankreich: Der Euthyrox-Nachfolger Levothyrox sorgt für Razzia bei Merck in Lyon. (Foto: dpa)


Die Polizei hat die französische Geschäftszentrale vom Pharmakonzern Merck in Lyon durchsucht. Anlass ist die neue Formulierung des Schilddrüsenmedikaments Euthyrox®, das Ärzte in Frankreich seit März 2017 als Levothyrox® bei Patienten mit Schilddrüsenfunktionsstörungen einsetzen. DAZ.online hat bei Merck nachgefragt, warum Nebenwirkungen des Arzneimittels einen Polizei-Einsatz auslösen.

Der Pharmakonzern Merck hat derzeit mit seinem Schilddrüsenmedikament Euthyrox® Probleme in Frankreich. Die französischen Medien berichten schon seit längerer Zeit über Patientenbeschwerden wegen vermehrt auftretender Nebenwirkungen. Eine Sprecherin des Konzerns bestätigt gegenüber DAZ.online: „Merck hat die Formulierung von Euthyrox® auf Wunsch der französischen Behörden umgestellt. Seit Juni gibt es in den französischen Medien und auf Social Media verstärkt Berichte über Nebenwirkungen, keine Todesfälle."

Warum hat Merck Euthyrox geändert?

Anlass für die neue Rezeptur des Schilddrüsenarzneimittels Euthyrox® in Frankreich waren Forderungen seitens der französischen Zulassungsbehörde ANSM – Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé – gewesen. Diese hatte verlangt, dass Merck über die gesamte Dauer der Haltbarkeit des Arzneimittels garantieren kann, dass 95 bis 105 Prozent Levothyroxinin-Natrium als wirksame Substanz vorhanden sind. Ziel dieser Vorgabe ist, Patienten mit Schilddrüsenfunktionsstörungen präziser auf therapeutische Hormonspiegel einzustellen und konstante Schilddrüsenwerte zu sichern.

Das neu formulierte Levothyroxin-Präparat hat Merck in Frankreich unter neuem Namen zugelassen: Seit März 2017 steht es Schilddrüsenpatienten unter dem Handelsnamen Levothyrox® in Frankreich zur Verfügung. In einer Stellungnahme des Unternehmens, die DAZ.online vorliegt, versichert Merck, dass die Änderung der Zusammensetzung weder die Sicherheit noch die Wirksamkeit von Euthyrox®  beeinträchtige, der Wirkstoff – Levothyroxin-Natrium – sei im alten Euthyrox® und im neuen Levothyrox® identisch.

Zulassungsbehörde wollte neue Rezeptur, jetzt rudert Gesundheitsministerin zurück

Rund drei Millionen Patienten nehmen in Frankreich Levothyrox® ein. Merck betont, dass für den Großteil der rund drei Millionen Patienten die Umstellung von Euthyrox® auf das neu formulierte Schilddrüsenmedikament Levothyrox® problemlos und erfolgreich verlaufen sei. Im Juni haben jedoch französische Patienten, die über anhaltende Nebenwirkungen unter der Therapie mit dem neuen Levothyrox® klagten, eine Online-Petition gestartet: Sie verlangten, dass Levothyrox® wieder auf die alte Zusammensetzung umgestellt werden solle.

Diese Online-Aktion der Patienten hat offensichtlich enormes Interesse seitens der Medien und der Öffentlichkeit erhalten: Die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn wurde am 15. September 2017 aktiv und forderte Merck auf, innerhalb von 15 Tagen die ursprüngliche Levothyroxin-Formulierung wie in Euthyrox® wieder einzuführen – allerdings nur temporär, nur unter ärztlicher Verordnung und auch nur für Patienten, die unter dem neuen Levothyrox® an persistierenden Nebenwirkungen litten. Die Forderung von Agnès Buzyn hat Merck zum 2. Oktober 2017 umgesetzt.

Welche Nebenwirkungen macht das neue Levothyrox von Merck?

Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Levothyrox® sind keine völlig neuen. Wie Merck betont, stimmten die Nebenwirkungen unter Levothyrox® mit den bekannten unter Euthyrox®-Therapie überein. Die unerwünschten Wirkungen seien vor allem Symptome, die im Zusammenhang mit einer Über- und Unterfunktion der Schilddrüse auftreten würden: Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden wie Obstipation und Durchfall, Gewichtsveränderungen, Haarausfall, Schlafstörungen, Palpitationen und Flush.

Gibt es auch ein neues Euthyrox für Deutschland?

Eine Umstellung der Levothyroxin-Rezeptur hat Merck bislang nur in Frankreich vollzogen. Das bestätigt der Darmstädter Pharmakonzern gegenüber DAZ.online. Hier habe man auch nur versucht, den Forderungen der französischen Gesundheitsbehörde nachzukommen. Jedoch könne Merck zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass andere Länder folgten.

Merck informiert DAZ.online, dass das Unternehmen selbst erst am 15. September aus den Medien erfahren habe, dass ein Vorermittlungsverfahren gegen Merck laufe. Im Rahmen dessen habe auch die Durchsuchung der Merck-Zentrale in Lyon am 3. Oktober stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft Marseille hatte das Verfahren auf Klage von Patienten eröffnet. Darüber hinaus – auch dies erreichte Merck über die Medien – dass Rechtsanwälte sich in Toulouse für die Kläger seitens der Patienten einsetze und für jeden Patienten eine entsprechende Entschädigung von 10.000 Euro fordere.

Nähere Informationen stehen dem Unternehmen laut eigener Aussage derzeit nicht zur Verfügung. Merck betont jedoch die Bereitschaft, vollumfänglich mit den ermittelnden Behörden zusammenarbeiten zu wollen. Man wolle den Ermittlern alle erforderlichen Informationen bereitstellen, die deren Arbeit unterstützen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Euthyrox /Levothyrox neue Rezeptur

von Sabine Vermorel am 21.10.2019 um 6:35 Uhr

Hallo Andrea,
Im Moment nehme ich noch Euthyrox mit der alten Rezeptur. Habe mich in Deutschland fur ein Jahr eindecken können. Sollte die alte Rezeptur überhaupt nicht mehr auf dem Markt erhältlich sein, werde ich wohl oder übel ein anderes Schilddrüsenprodukt versuchen müssen, es gibt ein Präparat von der Firma Henning, dass ich dann versuchen werde. Ich werde auf keinen Fall die neue Rezeptur nehmen, bei der es mir so schlecht ging

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Schädlichkeit

von Nourrissont Agnès am 05.09.2018 um 11:31 Uhr

Im Gegensatz zu dem, was Merck behauptet ist die neue Formel für viele französischen Patienten nichts als eine erwiesene scheussliche Plage. Die der alten Formel hinzugefügten Chemikalien haben hunderttausende von Patienten in einem scheusslichenTeufelskreis des Leidens gebracht... Dieses neue " Medikament" gehört schnellstens verboten.

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AW: Schädlichkeit

von Andrea Kaiser am 20.10.2019 um 19:03 Uhr

Bin ganz Ihrer Meinung, mir ging es so dreckig, dass ich das Leben nicht mehr lebenswert fand! Hab es abgesetzt und es seit ein paar Tagen abgesetzt und es geht mir deutlich besser! Steh jetzt nur an, weil ich nicht weiß, was ich jetzt nehmen soll? In Österreich wurde es heuer eingeführt, nahm es seit Juni!

Neue Rezptur Euthyrox/levothyrox

von Sabine Vermorel am 02.11.2017 um 7:02 Uhr

Ich möchte gerne etwas in diesem Artikel berichtigen:
In Frankreich gab es dieses Medikament schon immer mit dem Namen Levothyrox. Im März dieses Jahres wurde der Verbraucher dieses Rezeptes in den Apotheken lediglich darauf hingewiesen, dass Levothyrox ab sofort mit einer geringfügig geänderten Formel geben wird und man vielleicht eine Untersuchung der TSH-Werte machen sollte nach ca 4 Wochen. Das heißt der Verbraucher wurde überhaupt nicht über mögliche Nebenwirkungen informiert. Ich persönlich lebe in Frankreich, seit 2008 ohne Schilddrüse, bin also von diesem Skandal betroffen, da meine Werte sich rapide verschlechtert haben, ich mit Magenproblemen und starker Müdigkeit zu kämpfen habe.

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AW: Neue Rezptur Euthyrox/levothyrox

von Andrea Kaiser am 20.10.2019 um 19:07 Uhr

Bin auch betroffen, lebe in Österreich, mir ging es so schlecht mit den neuen Hilfsstoffen! Vertrage kein Mannitol oder sonstige Zuckeraustauschstoffe!
Was nehmen Sie jetzt für ein Präparat?
Die anderen Präparate enthalten Carboxymethyl Natrium, das ist das gleiche wie Mannitol, nur aus Kartoffelstärke gewonnen! Verursacht die selben Nebenwirkungen!

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