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Interdisziplinäres Statement zum Interview mit Iris an der Heiden (Agentur 2HM)
Ein Kommentar von Dr. Heinz-Uwe Dettling und Dr. Thomas Müller-Bohn
Es ist zu begrüßen, dass sich die Hauptautorin des Honorargutachtens im Interview mit der DAZ (2018, Nr. 5, S. 19) der wissenschaftlichen Diskussion stellt. Damit gewinnen die Standpunkte, auf denen das Honorargutachten basiert, an Kontur und eine fokussierte Diskussion wird gefördert.
Der Ausgangspunkt dieser Diskussion ist auch der Ausgangspunkt des Honorargutachtens, nämlich der Auftrag, ein allgemein anerkanntes theoretisches Konzept zur Prüfung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes der Änderung aller in der AMPreisV geregelten Preise und Preiszuschläge für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu entwickeln. Die ausgebildete Diplom-Psychologin an der Heiden stellt sich hier ohne vertiefte rechtliche Prüfung auf den Standpunkt, aus dem Gegenstand der Preisregulierung (Rx-Preise) ergäbe sich zwingend auch der Gegenstand der Kalkulationsbasis (Rx-Aufwandsanteil). Eine „Quersubventionierung“ der sonstigen Arzneimittelversorgung sei gesetzlich unzulässig.
Wäre die Formel so einfach („Rx-Preise = Rx-Aufwandsanteil“), hätte es
keines Auftrags für ein aufwendiges Gutachten bedurft. Tatsächlich lässt
das Gesetz die Kalkulationsbasis – in der Sprache der Ökonomen: den
Kostenschlüssel – für die Rx-Preise gerade offen. Zudem muss die
betriebswirtschaftliche Kostenverursachungsrechnung hier in eine
makroökonomische Leistungssteuerungsrechnung übergehen. Angesichts
dieses Auftrags hätten die Autoren berücksichtigen müssen, dass § 78
Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz des Arzneimittelgesetzes (AMG) als Ziel der
Rx-Preisregulierung die „Sicherstellung der Versorgung“ insgesamt
vorgibt. Sie hätten ferner erkennen müssen, dass auch die Versorgung mit
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Existenzfähigkeit von
Apotheken und Großhandel insgesamt voraussetzt. Sie hätten schließlich
berücksichtigen müssen, dass den Preisen von Universaldiensten, zu denen
auch die Rx-Versorgung gehört, stets Elemente der Quersubventionierung
immanent sind, wie insbesondere der Europäische Gerichtshof (EuGH) in
ständiger Rechtsprechung betont. Von einem gesetzlichen „Verbot der
Quersubventionierung“ kann daher keine Rede sein. Indem die
Honorargutachter gleich zu Beginn falsch abbiegen, führt das
Honorargutachten in eine Sackgasse.
Die rechtlichen Fehlinterpretationen führen zu einem Modell, das weder die Kosten angemessen abbildet noch die Ziele der nötigen Leistungsrechnung erreicht. Wie jedes Modell in jeder Wissenschaft darf auch dieses Modell nicht mit der Realität verwechselt werden, sondern seine Aussagekraft muss anhand der Realität überprüft werden. Doch auch auf Nachfrage im Interview will die Gutachterin die Prämissen ihres Modells nicht überprüfen. Wenn aber viele Apotheken wirtschaftliche Probleme haben, obwohl sie gemäß dem Modell angeblich mehr als kostendeckend honoriert werden, sollte dies schon aus empirischer Sicht Zweifel am Modell wecken. Außerdem sind die unterstellten Kompensationsmöglichkeiten bei OTC-Arzneimitteln zu hinterfragen, wenn die Apotheken dort bisher nicht mehr erwirtschaften. Die Gutachter unterstellen letztlich, die Apotheker würden bisher bewusst auf realisierbare Erträge verzichten, was nicht plausibel und schon gar nicht wissenschaftlich belegt ist.
Zum Weiterlesen:
Das Honorargutachten war Gegenstand mehrerer DAZ-Beiträge:
DAZ 2017, Nr. 50, S. 11
DAZ 2017, Nr. 51, S. 21
DAZ 2018, Nr. 1, S. 11
DAZ 2018, Nr. 2, S. 24
DAZ 2018, Nr. 2, S. 28
DAZ 2018, Nr. 3, S. 58
DAZ 2018, Nr. 4, S. 24
DAZ 2018, Nr. 5, S. 19
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