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- DAZ 31/2003
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DAZ aktuell
Außenansicht: Höhere finanzielle Eigenbeteiligung – ein Weg zu mehr Kost
Wenn man von der (zu optimistischen) Annahme ausgeht, dass die verschriebenen Medikamente von einem Drittel der Patienten nicht, nur teilweise oder unvorschriftsmäßig angewandt werden, dann heißt dies nichts anderes, als dass von der GKV bezahlte Arzneimittel im Wert von 7,5 Milliarden Euro auf dem Müll landen.
Die mit dieser Non-Compliance verbundenen weiteren Kosten (wechselnde Neuverschreibungen, gehäufte Diagnostik, verlängerte Krankschreibungen, vermehrte Hospitaleinweisungen, spätere Pflegeabhängigkeit, verloren gegangene Arbeitstage, Verdienstausfall) sind hierbei noch nicht berücksichtigt.
1990 führte die Infratest Gesundheitsforschung in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin eine repräsentative Bevölkerungsbefragung zu Aspekten der Compliance durch. Sie ergab, dass zwei Drittel aller Patienten die ihnen vom Arzt verordneten Arzneimittel unvorschriftsmäßig oder gar nicht anwenden.
Nahezu jeder zweite Befragte war sich der Folgen seiner Non-Compliance bewusst, sowohl in medizinisch-gesundheitlicher als auch in ökonomischer Hinsicht. Erstaunlicherweise führt dieses Problembewusstsein jedoch zu keinerlei persönlichen Konsequenzen: Die wirtschaftlichen Folgen werden weniger bei sich selbst als beim "Gesundheitswesen" gesehen, also vor allem bei den Krankenkassen.
In der Schweiz wurde 1999 anlässlich einer Self Care-Aktion der Medikamenten-Abfall analysiert, der in den Apotheken zur Entsorgung abgegeben wurde. Es zeigte sich, dass vor allem bei den vom Arzt verordneten Medikamenten eine beachtliche Anzahl Packungen unangebrochen im Abfall landete.
Der Wert des jährlich in der Schweiz über die Apotheken entsorgten Medikamentenmülls wurde auf rund 133 Millionen SFR beziffert. Da rund 70 Prozent der geprüften Präparate von der obligatorischen Krankenkasse vergütet waren, entstand dieser jährlich ein Schaden von rund 100 Millionen SFR. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich hier nur um solche Medikamente handelte, die über die Apotheken entsorgt wurden. Die Situation in Deutschland dürfte der in der Schweiz nicht unähnlich sein.
Eine andere, im Jahr 2000 durch das Institut GPI durchgeführte Bevölkerungsbefragung ging Aspekten der Compliance bei der Selbstmedikation nach. Zwei von drei Personen (65%) glaubten, dass die Compliance bei selbst gekauften Arzneimitteln höher ist als bei vom Arzt verschriebenen Präparaten.
Mit dem Hinweis, dass die verordneten Mittel vielfach weggeworfen oder nicht angewandt werden, wurde gefragt, ob eine höhere finanzielle Beteiligung der Patienten zu einem größeren Kostenbewusstsein im Umgang mit Arzneimitteln führen würde. 70% der Befragten bejahten diese Frage.
Psychologen sehen einen der Hauptgründe für die hohe Non-Compliance bei verordneten Arzneimitteln in dem nicht erfüllten Wunsch des Patienten nach Selbst- oder Mitbestimmung. In der Selbstmedikation sehen viele Menschen diesen Wunsch erfüllt. Sicher trifft aber bei vielen Versicherten auch der sehr viel einfachere Standpunkt zu: Wenn ich schon so viel an Kassenbeitrag zu zahlen habe, dann steht mir auch das Anrecht auf Bezug zu, sowie das Recht, die verordneten Medikamente nicht anzuwenden.
Dass man bei Überlegungen hinsichtlich Zuzahlungen bei Medikamenten und ihrer Höhe zwischen Normal- und Geringverdienern differenzieren muss, ist selbstverständlich. Aber wenn gemäß dem alten Grundsatz, nur was etwas kostet, ist auch was wert, über erhöhte Eigenleistungen das Kostenbewusstsein des Einzelnen zum Nutzen aller gesteigert werden kann, dann sollte man diesen Weg auch gehen. Denn 7 Milliarden Euro für Medikamentenmüll sind unakzeptabel.
Klaus Heilmann
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