Interpharm 2024

„Ein Viertel Jahr E-Rezept – Wie digital sind wir wirklich?“

Stuttgart - 21.03.2024, 13:45 Uhr

Der INTERPHARM-Referent Florian Giermann will Apotheken in eine Zukunft führen. (Foto: Bernd/AdobeStock)

Der INTERPHARM-Referent Florian Giermann will Apotheken in eine Zukunft führen. (Foto: Bernd/AdobeStock)


Manche großen Würfe dauern länger: der Berliner Flughafen, Hamburgs Elbphilharmonie, Stuttgart 21 – und das E-Rezept. Auch die digitale Verordnung machte nicht gerade von sich reden, weil sie mit 1.000 Mbit/s um die Ecke kam. Die Einführung des E-Rezepts gestaltete sich eher zäh, und so mancher Apotheker, der das digitale Zeitalter bei Verordnungen ersehnt hatte, wird zwischenzeitlich wohl monatliche Bezüge der Versorgungskammern erhalten.  

Seit dem 1. Januar 2024 ist das digitale Rezept nun verbindlich für alle gesetzlich Versicherten, sodass diese ihre verschreibungspflichtigen Arzneimittel ausschließlich per E-Rezept erhalten dürfen. An Vorteilen mit sich bringen soll die digitale Verordnung – neben dem Einsparen von Ressourcen zur Papierproduktion –, dass Patienten es ungleich Papierrezepten nicht mehr verlieren können, sie sich bei Folgerezepten im selben Quartal einen zusätzlichen Weg zum Arzt sparen und auch mehrere Wege in die Apotheke bei Bestellung der Arzneimittel: „Mehr Komfort und weniger Wege in die Arztpraxis“, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zum E-Rezept. Und auch den Apotheken erleichtere „das Einlösen mit der eGK den Arbeitsalltag“ – findet zumindest das BMG. Abgesehen davon, dass das digitale Rezept, anders als so manche handschriftliche Verordnung, zumindest stets gut lesbar ist – welches Zwischenfazit ziehen Apotheker denn nun nach etwa 100 Tagen E-Rezept?

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Auch bei der Interpharm 2024 ist das E-Rezept selbstverständlich mit dabei: „Ein Viertel Jahr E-Rezept – Wie digital sind wir wirklich?“. Der Referent Florian Giermann will eigenen Angaben zufolge „Apotheken in eine Zukunft führen, in der digitale Lösungen auf ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Praktiken treffen“. Die Deutsche Apotheker Zeitung hat vorab mit Florian Giermann gesprochen. Was ist sein Zwischenresümee?

DAZ: Was läuft beim E-Rezept richtig gut und erleichtert den Apothekenalltag?

Giermann: Stecken der Karte und das direkte Übernehmen der Verordnung vom Gematik-Server ist sicherlich eine Prozesserleichterung, von der Apotheken profitieren, wenn sie reibungslos klappt. Das ist, trotz aller häufig geäußerten Kritik, aber zunehmend der Fall, wie auch die Umfragen beispielsweise in unseren ERFA-Gruppen ergeben. Wenn es einen Fall ohne Substitutionen und Beratungsbedarf beim Versicherten gibt, in dem die Verordnung einfach nur abgerufen, dispensiert und anschließend in die Abrechnung gegeben wird, so ist ersichtlich, welches Riesenpotenzial in der Digitalisierung der Rezepte steckt.

Was sind die Hauptprobleme für Apotheken?

Damit sind wir beim Hauptproblem: Der eben geschilderte „Geradeaus-Fall“ kommt nur selten vor. Die Probleme beginnen häufig schon bei der Technik. Tägliche Ausfälle innerhalb der Telematikinfrastruktur, wie sie über den WhatsApp-Kanal der Gematik gemeldet werden, sind aktuell nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Dann gibt es noch das Problem, dass Verordnungen nach wie vor nicht zeitnah von den Ärzten signiert werden – wodurch sie die Apotheke nicht abrufen kann. Das ist kein technisches, sondern ein prozessuales Problem, das nur im Dialog mit den Ärzten gelöst werden kann. Schließlich bemerke ich seit einigen Wochen eine Art Goldgräberstimmung im Markt: Viele Anbieter werben mit Lösungen, bevor deren Detailspezifikation verabschiedet war. Das verunsichert viele Apotheken. Das allgemeine Misstrauen gegenüber IT-Dienstleistern ist jedoch kein fruchtbarer Boden für Innovationen, die den Apotheken vor Ort zugutekommen würden.

Was würde Apothekern helfen?

Technische Probleme haben die Anbieter noch immer irgendwann in den Griff bekommen. So wird es auch hier sein. Auch die prozessualen Stolpersteine werden reduziert werden. Helfen würde den Apotheken eine einheitliche, positiv gestimmte Kommunikation in Richtung ihrer Kundinnen und Kunden. Wenn ausschließlich die EU-Versandapotheken das Thema E-Rezept medienwirksam besetzen, ist das Risiko hoch, dass bei den Verbrauchern der Eindruck entsteht, die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland haben auf das E-Rezept entweder keine Lust oder ihnen fehlen die technischen Voraussetzungen. Deswegen sind das Wichtigste, um das E-Rezept zum Vorteil für die stationären Apotheken umzuwandeln, positive Nachrichten in Richtung der Endverbraucher, um ihnen Lust zu machen, diese digitale Innovation mit ihrer Apotheke vor Ort zu erleben. Und das wird nur gehen, wenn möglichst viele Akteure in der Branche hier kommunikativ ins gleiche Horn stoßen, um den Werbeetats der Versender ein möglichst hohes Gegengewicht entgegensetzen zu können. Auch Tools wie KIM und TIM können dann zur Kundenbindung genutzt und verfeinert werden.

Besuchen Sie die Interpharm in Mannheim!

 Am 12. und 13. April findet der pharmazeutische Fachkongress Interpharm in Mannheim im Kongresszentrum Rosengarten. Es wird Vorträge geben zu den Schwerpunkten Beratung & Praxis, Pharmazie & Wissenschaft und Apotheke & Trends. Außerdem gibt es eine Ausstellungsfläche für Firmen und Unternehmen. Weitere Informationen und Tickets gibt es auf interpharm.de


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

wie digital sind wir wirklich?

von Nachdenker am 22.03.2024 um 7:16 Uhr

Kann mir mal bitte jemand exakt erkären, was das E Rezept für Vorteile bringt? Sicher nur, dass die Daten digital gespeichert werden, "abgegriffen und ausgewertet" werden... Das Papierrezept war/ist schnell, sicher, unbürokratisch bearbeitbar. Jene, die das E Rezept so hoch jubeln: Politik, Verbände, ABDA, Kammern... sollten eine Woche in einer Apotheke arbeiten. Wir haben z.T. für die Patienten keine Zeit mehr - wir arbeiten nur noch ab, müssen akribisch aufpassen, dass keine Fehler passieren, dass das E Rezept überhaupt funktioniert, müssen mit Ärzten Gespräche führen, dass sie das Rezept bitte frei schalten und nicht erst Nachmittag (wodurch Kunden verloren gehen und diese 2 - 3 Mal in die Apotheke gehen müssen). Chargen nachtragen, obwohl securpharm ausgebucht wurde, wenn bei Nichtlieferbarkeit geändert werden muß, dann ist das Rezept evtl. "weg"... Und was soll ein HBA für über 520€? Schöner Umsatz für "Trust" und andere. Eine Plastikkarte, nur damit ich die Rezepte absenden kann? Fortschritt sieht anders aus. Der Patient hat unsere Aufmerksamkeit verdient, nicht die unsägliche Bürokratie im Hintergrund - und die ist mit E Rezept größer geworden!

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