Wirkstoff-Lexikon

ACE-Hemmer

01.11.2023, 16:44 Uhr

Captopril ist der einzige ACE-Hemmer mit einer SH-Gruppe. (Quelle: DAZ)

Captopril ist der einzige ACE-Hemmer mit einer SH-Gruppe. (Quelle: DAZ)


Chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz oder koronare Herzkrankheit sind von enormer Bedeutung für das Gesundheitssystem. Bei der Behandlung bieten die komplexen Steuerungsmechanismen des Herz-Kreislauf-Systems unterschiedliche therapeutische Ansatzpunkte. ACE-Hemmer – allein oder in Kombination mit weiteren Wirkstoffgruppen – sind eine mögliche Behandlungsoption. Besonderheiten dieser Wirkstoffgruppe lesen Sie hier oder hören Sie in unserem Podcast!


ACE-Hemmer (Angiotensin-Konversionsenzymhemmer) senken den Gefäßwiderstand und führen so zu einer Senkung des Blutdrucks. Sie werden bei Hypertonie und bei Herzinsuffizienz als Mittel der ersten Wahl eingesetzt und können auch bei koronarer Herzkrankheit (KHK) zum Einsatz kommen. Vergleicht man ACE-Hemmer mit anderen blutdrucksenkenden Wirkstoffgruppen, haben ACE-Hemmer in Bezug auf die Verordnungshäufigkeit die größte Bedeutung. 

Laut der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie wurden 2020 in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland am häufigsten die ACE-Hemmer (6050 Mio. therapeutische Tagesdosen (DDD)) gefolgt von den AT1-Rezeptorantagonisten (Gruppe der Sartane, 4373 Mio. DDD), den Calciumkanalblockern (2589 Mio. DDD), Betablockern (2192 Mio. DDD) und Diuretika (1935 Mio DDD) verordnet [1, 2, 3].

Wirkmechanismus

ACE-Hemmer greifen gleich an mehreren Stellen in den komplizierten Regelkreis der körpereigenen Blutdruckregulation ein.

Angiotensin II ist eine der am stärksten blutdrucksteigernden Substanzen und Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Die Protease Renin wird von der Niere unter anderem freigesetzt, wenn dort ein erniedrigter Blutdruck festgestellt wird. Renin spaltet aus Angiotensinogen das Angiotensin I ab. Angiotensin I wird durch das Angiotensin-Konversions-Enzym und Abspaltung zweier Aminosäuren in Angiotensin II umgewandelt.

ACE-Hemmer hemmen dieses Enzym und erniedrigen so die Angiotensin-II-Konzentration im Plasma. Die geringere Konzentration von Angiotensin II sorgt für eine Verminderung des peripheren Widerstands und damit für eine Senkung des Blutdrucks.

(Quelle: DAZ)

Das Mineralcorticoid Aldosteron ist das wichtigste Hormon für den Natriumhaushalt und gehört ebenfalls zum Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Über die Verminderung von Angiotensin II kommt es zu einer verminderten Freisetzung von Aldosteron aus der Nebennierenrinde, was eine leicht diuretische Wirkung zur Folge hat.

Parallel mindern ACE-Hemmer den Abbau von Bradykinin. Der daraus folgende Anstieg von Bradykinin trägt über eine Gefäßerweiterung zur antihypertensiven Wirkung bei. Die erhöhten Konzentrationen von Bradykinin werden allerdings auch für die unter der Einnahme von ACE-Hemmern häufig auftretende Nebenwirkung des trockenen Reizhustens verantwortlich gemacht. [4, 5, 6].

Pharmakokinetik

Die verschiedenen Vertreter der Gruppe der ACE-Hemmer zeigen eine unterschiedliche Pharmakokinetik. Bei Captopril und Lisinopril ist der applizierte Wirkstoff bereits die wirkende Form. Alle anderen ACE-Hemmer sind Prodrugs, die nach der Einnahme durch Enzyme in die eigentlichen Wirksubstanzen umgewandelt werden. Lisinopril wird nur zu etwa 25 % nach oraler Einnahme resorbiert, alle anderen Wirkstoffe der Gruppe werden nach Einnahme zu einem höheren Prozentsatz aufgenommen. Die Wirkung tritt bei Captopril 15 bis 30 Minuten nach der Einnahme ein, die Wirkdauer beträgt aufgrund der kurzen Plasmahalbwertszeit zwei bis sechs Stunden, bei hohen Dosen bis zu 12 Stunden.

Die Ausscheidung erfolgt bei den meisten Wirkstoffen renal [6].

Dosierung

ACE-Hemmer werden über mehrere Wochen langsam auftitriert. Damit werden das Auftreten einer Hypotonie und negative Effekte auf die Nierenfunktion vermieden. Captopril muss aufgrund der kürzeren Halbwertszeit mehrmals täglich dosiert werden. Länger wirksame ACE-Hemmer, die nur einmal täglich eingenommen werden, können einen Vorteil für die Adhärenz bedeuten.

Dosierungen

Benazepril: 2,5-40 mg (aufgeteilt auf ein bis zwei Einnahmezeitpunkte)

Captopril: 12,5-150 mg (aufgeteilt auf zwei bis drei Einnahmezeitpunkte)

Cilazapril: 1-5 mg (einmal täglich)

Enalapril: 5-40 mg (aufgeteilt auf ein bis zwei Einnahmezeitpunkte)

Fosinopril: 10-40 mg (einmal täglich)

Lisinopril: 2,5-40 mg (einmal täglich)

Perindopril: 2-8 mg (einmal täglich)

Quinapril: 2,5-40 mg (40 mg aufgeteilt auf zwei Einnahmezeitpunkte)

Ramipril: 2,5-10 mg (einmal täglich)

Trandolapril: 0,5-4 mg (einmal täglich)

Eine geringe Zufuhr von Kochsalz und die gleichzeitige Einnahme von Diuretika erhöhen den blutdrucksenkenden Effekt von ACE-Hemmern. Besteht vor der Behandlung mit einem ACE-Hemmer ein Salz- oder Volumenmangel oder wird der Patient bereits mit einem Diuretikum behandelt, wird eine besonders niedrige Startdosis gewählt.

Bei Niereninsuffizienz muss die Dosierung der ACE-Hemmer angepasst werden [4, 6].

Zur Erreichung des Therapieziels stehen ACE-Hemmer als Monopräparate oder als Fixkombinationen mit zwei oder drei blutdrucksenkenden Wirkstoffgruppen zur Verfügung, z. B. ACE-Hemmer/Diuretikum oder ACE-Hemmer/Calciumkanalblocker/Diuretikum. Fixkombinationen haben gegenüber einer freien Kombination von Wirkstoffen Vorteile: Sie senken die Anzahl der einzunehmenden Tabletten und fördern auf diese Weise die Adhärenz.

Nebenwirkungen

Reizhusten ist die häufigste Nebenwirkung dieser Substanzklasse und tritt in einer Häufigkeit von 5 bis 10 % auf. Meist beginnt er während der ersten acht Wochen der Behandlung. Frauen und Patienten mit asiatischer Herkunft sind etwas häufiger betroffen.

Selten, aber gravierend, ist die Gefahr eines akuten Nierenversagens oder eines Neuroangioödems. Die Behandlung ist dann sofort abzubrechen. Patienten mit Nierenfunktionsstörungen sind unter einer Behandlung mit ACE-Hemmern engmaschig zu überwachen.

Weitere Nebenwirkungen betreffen u.a. das Nervensystem (z.B. Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen oder Schwindel), den Gastrointestinaltrakt (z.B. Übelkeit, Erbrechen oder Bauchschmerzen) und die Haut (z.B. Juckreiz, Photosensibilisierung, Urtikaria) [4, 6].

Wechselwirkungen

Eine duale Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) durch die gleichzeitige Anwendung von ACE-Hemmern mit AT1-Rezeptorantagonisten oder Aliskiren (Renin-Inhibitor) ist grundsätzlich zu vermeiden. Sie kann mit einer höheren Rate an Nebenwirkungen wie Hypotonie, Hyperkaliämie und einer Abnahme der Nierenfunktion bis hin zum akuten Nierenversagen führen.

Kaliumsparende Diuretika oder kaliumhaltige Salzmischungen können bei gleichzeitiger Einnahme mit einem ACE-Hemmer zu einer Hyperkaliämie führen.

ACE-Hemmer in Kombination mit Diuretika können den Blutdruck übermäßig stark senken.

Die Dauertherapie mit einem Nicht-steroidalen Antiphlogistikum schwächt die blutdrucksenkende Wirkung von ACE-Hemmern. Ausgenommen davon ist die Kombination niedrig dosierter Acetylsalicylsäure mit ACE-Hemmern.

Bei Patienten mit Diabetes mellitus kann die Zugabe von ACE-Hemmern zu einer blutzuckersenkenden Medikation (insbesondere Sulfonylharnstoffe, Glinide, Insulin) zu verstärkter Blutzuckersenkung und Hypoglykämie führen [4,6,7].

Kontraindikationen

ACE-Hemmer dürfen nicht angewendet werden, wenn es eine Überempfindlichkeit gegen den eingesetzten Wirkstoff oder andere Wirkstoffe der Gruppe gibt. Wurde in der Vergangenheit bereits ein angioneurotisches Ödem ausgelöst oder besteht ein hereditäres oder idiopathisches Angioödem, sind ACE-Hemmer kontraindiziert. Bei beidseitiger Nierenarterienstenose oder mit einer Nierenarterienstenose bei einer Einzelniere oder nach Nierentransplantation sind ACE-Hemmer ebenfalls kontraindiziert.

Als relative Kontraindikationen gelten schwere Autoimmun- und Kollagenkrankheiten sowie Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen.

Schwangerschaft und Stillzeit

ACE-Hemmer sind in der Schwangerschaft, insbesondere jedoch im 2. und 3. Trimenon kontraindiziert [6,8].

Eine Behandlung mit ACE-Hemmern ist in der Stillzeit nicht empfohlen. Ist der Säugling älter und ist die Behandlung der Mutter notwendig, kann eine Therapie mit Benazapril, Captopril oder Enalapril erwogen werden. Der Säugling muss dann sorgfältig überwacht werden [6].

Quellen

[1] S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Hypertonie. Stand: 29.06.2023, gültig bis: 28.06.2028, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-009 ;

[2] S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Chronische Herzinsuffizienz. Stand: 
22.10.2019, gültig bis: 21.10.2024, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-006

[3] S3-Leitlinie Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Chronische KHK. Stand: 
16.09.2022, gültig bis: 15.09.2027, register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-004

[4] Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

[5] Wirkstoffdossiers Captopril. Stoffgruppenspezifische Pharmakologie. Bearbeitungsdatum Juni 2023

[6] Fachinformationen:

Fachinfo Accupro®. Pfizer Pharma GmbH. Stand März 2022
Fachinfo Benazepril AL. Aliud Pharma® GmbH. Stand Oktober 2021
Fachinfo Captopril AbZ. AbZ Pharma. Stand Juli 2019
Fachinfo Delix®. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Stand April 2021
Fachinfo Dynorm®. Cheplapharm Arzneimittel GmbH. Juli 2020
Fachinfo Enalapril STADA®. Stadapharm GmbH. Stand Februar 2019
Fachinfo Fosino-TEVA®. Teva GmbH. Stand Mai 2019
Fachinfo Lisinopril-ratiopharm®. ratiopharm. Stand Juli 2019
Fachinfo Perindopril Erbumin Glenmark 4 mg Tabletten. Glenmark Arzneimittel GmbH. Stand September 2021)
Fachinfo Udrik®. Viatris Healthcare GmbH. Stand April 2022

[7] Rose R, Friedland K. Angewandte Pharmakotherapie. 2. Auflage 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

[8] Embryotox. Hypertonie. www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/hypertonie/ (Zugriff 28.08.2023)


Antje Piening, Apothekerin
redaktion@daz.online


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