International Cannabis Business Conference

Legalisierung: Politik und Industrie setzen auf Apotheken

Berlin - 21.07.2022, 12:15 Uhr

Cannabis für den Freizeitkonsum soll es künftig in lizenzierten Fachgeschäften geben – werden auch Apotheken dabei sein?  (b/Bild: mast3r / AdobeStock)

Cannabis für den Freizeitkonsum soll es künftig in lizenzierten Fachgeschäften geben – werden auch Apotheken dabei sein?  (b/Bild: mast3r / AdobeStock)


Bald will die Bundesregierung Cannabis zu Genusszwecken legalisieren. Auf der International Cannabis Business Conference 2022 debattierten Politiker und Experten, welche Positionen sie bei der Legalisierung verteidigen werden. Laut Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert wird sich der Zeitplan für einen Gesetzentwurf auf Anfang 2023 verschieben. Nicht nur Parteien der Ampelregierung sprechen sich für Apotheken als lizenzierte Abgabestellen aus, sondern auch Vertreter:innen der Cannabis-Branche.

Die Veranstalter der International Cannabis Business Conference überraschte es nicht, dass sich die Besucher auf ihrer Messe am 19. und 20. Juli in Berlin zahlreich tummelten. Schließlich spricht aktuell jeder in der Branche über die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken.

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Die Anwesenden waren zum Großteil Unternehmer:innen und traten in teuren Maßanzügen oder hochwertigen Kleidern auf. Nur wenige legen veraltete Kiffer-Klischees offen. Doch wenn die Tür des Raucherbalkons aufschwingt, riecht es nach Blütenrauch.

Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) koordiniert die Cannabis-Legalisierung. Er steuerte die Eröffnungsrede auf der Cannabis-Messe bei. Blienert berichtete, wie er sich 2013 als Politik-Newcomer für die SPD mit Fragen zu Drogen beschäftigen sollte. Schon am Gesetz „Cannabis als Medizin“ wirkte er mit. Als es 2017 in Kraft trat, machte es Cannabis in Deutschland erstattungsfähig und ließ die Branche schneller wachsen als Cannabis sativa.

„Ich bin froh, über die Erstattungsfähigkeit per Krankenkassen wesentliche Meilensteine mitgestaltet zu haben“, erklärt Blienert. Doch ob ihm das diesmal auch gelingt, darüber möchte er nicht spekulieren.

Zeitplan für Cannabis-Gesetz verschiebt sich

Viele Hürden seien noch zu meistern und viele Fragen noch immer offen. Wie hoch darf die Besteuerung werden? Einerseits müssten viele junge Konsumenten – ähnlich wie beim Alkohol oder Tabak – durch den Preis abgeschreckt werden. Andererseits verhindert ein zu hoher Preis eines der Ziele der Legalisierung, nämlich den Schwarzmarkt trockenzulegen.

Zudem: Mit dem Cannabis-Kontrollgesetz könnte Deutschland gegen die Single-Konvention der vereinten Nationen von 1961 verstoßen. Zusätzlich muss Deutschland sicherstellen, dass die Legalisierung nicht gegen europäisches Recht verstößt. Blienert will alle Fragen geklärt haben, bevor die Regierung einen Referentenentwurf veröffentlicht. Er hütete sich davor, auf der business-to-business-Messe ICBC Details preiszugeben.

Daher verschiebe sich wohl der Zeitplan, deutete Blienert an. Eigentlich sollte dem Parlament bis Dezember 2022 ein Referentenentwurf vorliegen. Dies könnte auch erst 2023 gelingen. 

Apotheken: Eine passende Abgabestelle?

Nach Blienert sprachen Vertreter der amtierenden Koalitionspartner über das „recreational“ (englisch für Freizeit) Cannabis. Eine wichtige Frage: Wer kommt als lizenzierte Abgabestelle in Betracht?

Der ehemalige Zollbeamte und SPD-Bundestagsabgeordnete Carlos Kasper erklärte: „Die Abgabestellen können Apotheken sein. Gleichzeitig muss klar sein, dass Medizinal- und Genuss-Cannabis getrennt gehandhabt wird.“ Gerade auf dem Land seien Apotheken wichtig, weil sich hier oft keine Cannabis-Fachgeschäfte halten können.

Kristine Lütke (FDP) ist auch im Bundestags-Gesundheitsausschuss aktiv. Sie bringt Apotheken ebenfalls als Abgabestellen ins Spiel. Insbesondere für ältere Patienten seien sie dank des Fachwissens bestens geeignet für die Abgabe.

Die Abgeordneten stimmen zugleich überein: Nicht bei jedem Konsumenten wird ein ausführliches therapeutisches Gespräch nötig sein. Daher fordert etwa der Branchenverband Cannabis-Wirtschaft, dass jedes Geschäft – nicht nur Apotheken – für die Abgabe infrage kommen solle,  wenn es die vom Gesetzgeber definierten Auflagen erfüllt.

Die ABDA stellt derzeit eine andere Forderung: Hilfe würden die Apotheker nur unter der Bedingung anbieten, dass die Abgabe ausschließlich über Apotheken geschieht. Ihr Argument: Die Abgabe und die Lieferketten könnten die Apotheken nur dann nachverfolgen und dokumentieren, wenn sie die alleinigen Anlaufstellen sind.

ABDA-Argument nur vorgeschoben?

Auch zahlreiche Vertreter der Cannabis-Industrie teilten ihre Vision für den Markt nach der Legalisierung auf der International Cannabis Business Conference. Einer von Ihnen: Jörg Meyer-Brenken. Er arbeitet für Fluence LED, eine Tochterfirma der Osram Licht AG. Die Firma vertreibt Lichtsysteme für den Cannabis-Anbau in Nordamerika, Europa und Afrika.

Auch er setzt sich für die Ziele ein, auf die die Bundesregierung bei der Legalisierung Wert legt: Konsumenten müssten geschützt werden, es brauche Sicherheit, Qualität und ausreichende Verfügbarkeit. Das könnten Apotheken bieten, so Meyer-Brenken. „Aber es gibt nicht das eine Modell, das überall funktioniert. Gibt es nur eine Anlaufstelle für die Abgabe, laufen Konsumenten wieder zum Dealer und das Vorhaben ist gescheitert.“

Auch Luc Richner saß neben Meyer-Brenken auf dem Podium. Er gründete Cannavigia, eine Plattform, die in der Schweiz Cannabis-Lieferketten datenschutzkonform aufzeichnet und allen Stakeholdern die nötigen Informationen zur Verfügung stellt. Auf Nachfrage der DAZ-Redaktion hält er das Argument der ABDA für vorgeschoben. Denn die Technologie, mit der die Abgabe sowohl über Apotheken als auch andere Fachgeschäfte kontrolliert werden könne, gebe es bereits.

Vertreter der Industrie: Apotheken nicht vernachlässigen

Fluence-Mitarbeiter Jörg Meyer-Brenken fügte hinzu: „Wir dürfen die Apotheker nicht vernachlässigen. Sie haben die Infrastruktur, das Fachwissen, die Erfahrungen bei der Abgabe von medizinischem Cannabis.“ Er würde sich freuen, Apotheker zu sehen, die Kunden unterstützen, die Cannabis für den Freizeitgebrauch ausprobieren möchten.

Viele Vertreter der Cannabis-Branche auf der ICBC setzen bereits auf den Goldrausch, den das Cannabis-Kontrollgesetz für sie bringen könnte. Für sie ist die Legalisierung ein möglicher Wendepunkt, der die Drogenpolitik in ganz Europa prägen könnte. Neben Deutschland erarbeitet auch die portugiesische Regierung derzeit ein Gesetz zur Legalisierung.


Apotheker Marius Penzel
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Ach, auf einmal sind Apotheken wichtig ?

von Alfons Neumann am 22.07.2022 um 2:36 Uhr

Wohl nur unter der Voraussetzung, das Apotheken alles komplett umsonst machen oder gar selbst was drauflegen ...
Spargel-Karl, dat kannste knicken !

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Dekadenz oder kluger Schachzug?

von Dr. House am 21.07.2022 um 15:33 Uhr

Wir stehen vor großen Krisen und besonders schlau haben wir uns bislang nicht verhalten. Wenn wir uns jetzt noch die verbliebenen Gehirnzellen wegkiffen, ist dieses Land vielleicht endgültig am Ende. Andererseits ist es vielleicht genau das, was wir grade brauchen - Eine Droge die unsere festgefahrenen Köpfe neu verdrahtet. Querdenken ist out - Out of the Box-Denken ist "in".

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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