INTERPHARM 2024

Wie werden wir gesund alt?

Mannheim - 17.04.2024, 09:15 Uhr

Professor Dr. Carsten Culmsee erläuterte, was es mit Inflammaging auf sich hat. (Foto: A. Schelbert)

Professor Dr. Carsten Culmsee erläuterte, was es mit Inflammaging auf sich hat. (Foto: A. Schelbert)


Altern betrifft uns alle. Und „Inflammaging“ ist die stille Entzündung, die uns im Alter begleitet. Auf der INTERPHARM in Mannheim war dazu mehr zu erfahren. 

Wir werden älter als noch vor 100 Jahren, und beim Altwerden bleiben wir natürlich am liebsten gesund. Und das Gute ist wirklich: „Wir werden fitter älter“, das betont Professor Dr. Carsten Culmsee vom Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie. Das klappt natürlich nicht für jeden und nicht für jedes hohe Alter, das sehen wir tagtäglich in der Apotheke, wo das Gros der Kunden wirklich ältere Menschen sind. Zumeist benötigen sie Arzneimittel gegen kardiovaskuläre Erkrankungen oder neurodegenerative Erkrankungen, gegen Infektionen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates. 

Eine Frage, die unweigerlich aufkommt: Gibt es denn Mechanismen, die diese Erkrankungen gemeinsam haben? Ja – die Antwort ist Inflammaging, ein Begriff, den bereits im Jahr 2000 eine italienische Arbeitsgruppe prägte und als „zunehmende Schwäche des Organismus als Folge der erhöhten Entzündungslast mit zunehmendem Alter“ definierte.

Gesunde Kindheit kein Garant für gesundes Altern

Doch woran liegt es, dass manche Menschen mit 65 schon gebrechlich sind und andere sich mit 80 Jahren noch ausreichend rüstig fühlen, sich an die Spitze eines Staates zu stellen? „Die Menschen führen einen unterschiedlichen Entzündungsstatus mit sich“, erklärt Culmsee. Proentzündlich wirkten IL6, TNF-alpha, CRP, Prostaglandine und Leukotriene, von-Willebrand-Faktor und Fibrinogen, während zu den antientzündlichen Gegenspielern Cortison, TGF-beta, IL 10 und Lipoxin zählen. Kein Garant für ein gesundes Altern sei eine Kindheit mit wenigen Infekten und wenigen entzündlichen Erkrankungen, erklärt Culmsee.

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Er betont auch, dass es nicht den einen Faktor gebe, der uns mit altersbedingten Erkrankungen belegt – nur die Zeit. Daneben spielen Umweltfaktoren, die unsere Zellen als Noxen schädigen, oxidativer Stress, der die Gen-Aktivität ändert sowie Veränderungen im Mikrobiom und der Darmbarriere eine Rolle. Altern Zellen – was wir Zellseneszenz nennen –, teilen sie sich nicht mehr (Zellzyklusarrest), sie verlieren ihre Fähigkeit zur Regenration und Selbstzerstörung (Apoptoseresistenz). Molekular relevant ist hier eine hohe NFKB- und eine geringe p53-Aktivität. Wichtig ist jedoch: „Seneszenz ist ein natürlicher Prozess“, sagt Culmsee, dieser könne nur umschlagen und pathologisch werden.

Wie wesentlich auch unsere Ernährung das Inflammaging beeinflusst, zeigt die Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 2, früher auch Altersdiabetes genannt, bei dem mit zunehmendem Alter Zellen Insulin-resistent werden und die Glukose nicht mehr aufnehmen können. „Wir wissen auch, dass durch Überernährung Menschen schon deutlich früher in diese Situation geraten und bereits junge Erwachsene einen Diabetes entwickeln – mit den typischen Folgen wie Augen- und Nierenschäden, da Zucker Gewebe schädigt“, erklärt Culmsee. 

Zusätzlich liefen im Fettgewebe Entzündungsprozesse ab, die die Entzündungsprozesse im Körper verstärkten. Was wir gegen dieses Inflammaging tun können, ist eindeutig: weniger Fett, weniger Zucker, weniger Überernährung.

Ist Traubensilberkerze die Lösung?

Doch gibt es nicht ein Arzneimittel, eine Nahrungsergänzung, irgendeinen Pflanzenextrakt, der uns zumindest unterstützt beim gesunden Altern? Geforscht daran wird viel, auch von der Arbeitsgruppe von Professor Culmssee. „Seneszenz ist abhängig von Aktivität der Mitochondrien“, erklärt Culmsee. Welche Strategien gibt es also, Mitochondrien fitter zu machen, um pathologische Prozesse zu verhindern?

Traubensilberkerze, bekannt aus der nicht hormonalen Wechseljahrstherapie, könne als Extrakt mit Flavonoiden und Phenolsäuren die Mitochondiren schützen, sagt Culmsee. „Das heißt jedoch nicht, dass Cimicifuga ein Gerontolytikum ist“, bremst er die Euphorie. Doch seien die Inhaltsstoffe „durchaus geeignet, um Übergewicht und Entzündung zu reduzieren“, zumindest im Wurm. Für eine pauschale Empfehlung und Traubensilberkerze für alle Welt ist es wohl noch zu früh. Untersucht wird auch Metformin, doch auch das bei Diabetes eingesetzte Arzneimittel wirkte in Studien bislang nicht lebensverlängernd. 

Was bleibt? In erster Linie wohl ein gutes Lebensstil- und Gesundheitsmanagement mit gesundem Blutzucker, Blutdruck und Blutfetten, Stress-Resilienz und einem festen sozialen Rückhalt.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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