Interview

Mit ketogener Diät gegen Entzündungen

Stuttgart - 05.04.2024, 07:00 Uhr

Herr Effinger und Herr Hirschberger untersuchen den Einfluss ketogener Ernährung auf das Immunsystem. (Foto: Angelika Heine/AdobeStock)

Herr Effinger und Herr Hirschberger untersuchen den Einfluss ketogener Ernährung auf das Immunsystem. (Foto: Angelika Heine/AdobeStock)


Dr. Simon Hirschberger und Dr. David Effinger sind Ernährungsmediziner und Ärzte am Klinikum der Ludwig-Maxi­milians-Universität München (LMU). In der Arbeitsgruppe „Immune function and immune metabolism“ unter Leitung von Prof. Dr. Simone Kreth erforschen sie die Effekte ketogener Ernährung und die Wirkung von Ketonkörpern auf das Immunsystem. Die DAZ hat die beiden Mediziner interviewt.

DAZ: Wie beeinflusst eine ketogene Ernährung das Immunsystem, insbesondere T-Lymphozyten?

Hirschberger: Unsere Ernährung hat einen erheblichen Einfluss auf unser Immunsystem. Durch die ständige Aufnahme von rasch resorbierbaren Kohlenhydraten und damit die ständige Ausschüttung von Insulin erzeugen wir chronische sogenannte „low grade“-Entzündungsprozesse, die mit zahlreichen metabolischen, kardiovaskulären und degenera­tiven Erkrankungen assoziiert sind. Bei einer ketogenen Diät hingegen reduziert man den Anteil der Kohlenhydrate in der Ernährung drastisch und steigert die Zufuhr insbesondere hochwertiger Fette. Dadurch und durch die Ketonkörper selbst wird die schädliche „low grade“- Inflammation inhibiert. Ketone haben aber auch einen substanziellen Einfluss auf den humanen T-Zell-Immunmetabolismus. Unter der Kohlenhydratreduktion kommt es in den T-Zellen zu einer metabolischen Neuausrichtung. Ketone führen zu einer Zunahme der aeroben mitochondrialen Energiegewinnung und verstärken dadurch die Funktion zytotoxischer CD8+-T-Zellen. Das konnten wir nicht nur bei gesunden Studienteilnehmern, sondern auch bei intensivmedizinischen Patienten nachweisen. Eine ketogene Diät verstärkt zudem die Differenzierung und Funktion regulatorischer T-Zellen, wohingegen pro-inflammatorische CD4+-Zell-Subpopulationen deutlich gehemmt werden. Das adaptive Immunsystem wird also gestärkt, während gleichzeitig die Immunhomöostase gefördert wird.

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DAZ: Wie schätzen Sie den Einfluss einer ketogenen Ernährung auf die Gefäßgesundheit ein?

Effinger: Es ist seit langem bekannt, dass chronische Entzündungs­prozesse maßgeblich zur Entstehung von Gefäßschäden beitragen, weshalb auch hier ein antiinflammatorischer Effekt der Ketose protektiv sein könnte. Es gibt bereits erste Studien, die auf einen positiven Effekt einer ketogenen Ernährung auf die Gefäßgesundheit hinweisen. Eine ketogene Diät führte zu einer Verringerung der Marker für Gefäßschäden. Auch wir sehen in unseren Untersuchungen einen positiven Effekt von Ketonkörpern, insbesondere auf das entzündete Endothel. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um die genauen Auswirkungen und vor allem die dahinter liegenden Mechanismen aufzuklären.

Dr. Simon Hirschberger
Dr. David Effinger

DAZ: Welche Personengruppen könnten am meisten von der ketogenen Ernährung profitieren?

Hirschberger: Unser heutiger Ernährungsstil ist durch den Verzehr hoch verarbeiteter Lebensmittel mit einem hohen Zuckeranteil gekennzeichnet. Die dadurch ausgelösten Entzündungsprozesse fördern die Entstehung einer Vielzahl von Erkrankungen. Wenn man die weit­reichenden gesundheitlichen Folgen dieses westlichen Ernährungsstils bedenkt, wäre eine ketogene Diät grundlegend ein universell nutzbares medizinisches Tool zur Präven­tion zahlreicher Erkrankungen, und daher prinzipiell für jeden geeignet.

Durch die positiven Auswirkungen auf das Immunsystem sehen wir aber auch ein großes therapeutisches Potenzial, insbesondere bei entzündlichen Krankheitsbildern. Das können beispielsweise Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis oder rheumatoide Arthritis sein, die von den metabolischen Auswirkungen der ketogenen Diät auf T-Zell-Subpopulationen deutlich profitieren können.

Wir haben zudem bereits septische Patienten auf der Intensivstation kohlenhydratreduziert ernährt. Die Patienten hatten stabilere Plasma-Glucosespiegel, benötigten keine Insulin-Therapie mehr und zeigten sogar Verbesserungen klinischer Parameter.

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Ernährungspraxis Säuglinge, Kinder, Jugendliche

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DAZ: War die ketogene Ernährung in Ihren klinischen Studien gut verträglich?

Effinger: Während der initialen Umstellungsphase kann es manchmal vorkommen, dass man sich etwas erschöpft und weniger leistungsfähig fühlt. Die Ursache liegt darin, dass man bereits die Kohlenhydratzufuhr stark reduziert hat, der Körper jedoch noch nicht vollständig auf den ketogenen Stoffwechsel umgestellt ist. Dieser Zustand, der manchmal auch als „Ketogrippe” beschrieben wird, ist jedoch nur vorübergehend und normalisiert sich nach wenigen Tagen.

Danach berichteten die Studienteilnehmer häufig von verminderter Abgeschlagenheit und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit. Ansonsten ist eine ketogene Ernährung prinzipiell sicher und nebenwirkungsfrei. Es zeigen sich auch laborchemisch keine negativen Auswirkungen, vielmehr bessern sich insbesondere die Blutfette. In der Regel wird auch subjektiv von einer verbesserten Lebensqualität berichtet. Die Teilnehmer unserer Studien erhalten vor Studienbeginn eine umfangreiche Ernährungs­beratung. Daher gelingt die Ernährungsumstellung meist problemlos, und die Compliance ist auch bei unseren Langzeit-Probanden sehr hoch.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!


daz


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