Ernährung aktuell

TKTL1-Diät für Tumorpatienten nicht empfehlenswert

Tumorpatienten wird seit einiger Zeit ein neues Ernährungsprinzip empfohlen mit dem Versprechen, durch eine Ernährungsumstellung auf eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung unter dem Einsatz spezieller, nicht deklarierter Lebensmittel ("mit besonderen Kohlenhydratquellen") Wachstum und Metastasierung ihres Tumors verhindern zu können. Ernährungsexperten der Deutschen Krebsgesellschaft nehmen dazu folgendermaßen Stellung:
Vertriebsweg Internet Unter der Marke Tavarlin werden im Internet spezielle Lebensmittel für die Durchführung der TKTL1-Diät vertrieben.

Grundlage der Empfehlung ist die Behauptung, dass Glucose zur Aggressionssteigerung einer Krebszelle beiträgt, wenn die Energiegewinnung in der Zelle durch Gärung und nicht durch Verbrennung stattfindet. Ein Vorgang, den man bevorzugt in Sauerstoff-mangelversorgten Tumoren bzw. Tumorarealen beobachten könnte. Dabei soll das Gen Transketolase-like-1 (TKTL1) eine entscheidende Rolle spielen. Sind Krebszellen TKTL1-positiv, fände die Energiegewinnung durch Vergärung mit dem Endprodukt Milchsäure statt, die u. a. Wachstum und Metastasenbildung des Krebsgeschwürs begünstigen soll [Möller, Coy: EHK 2009; 58: 61 – 69]. Mit der Ernährungsumstellung könne diesem Prozess entgegengewirkt werden.

Dazu sagen Ernährungsexperten der Deutschen Krebsgesellschaft:

  • Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine wissenschaftliche Untersuchung, die belegt, dass eine derartige Kostform mit den dazu verkauften Lebensmitteln Wachstum und Metastasierung eines Tumors beim Menschen verhindern bzw. zurückdrängen kann. Bisher liegt dazu nur eine Arbeit mit einem Mausmodell vor [Otto et al.: BMC Cancer 2008; 8: 122]. Hierbei wurde das Tumorwachstum lediglich verzögert. Tierversuche sind aber auf den Menschen nur sehr eingeschränkt übertragbar.
  • Tumorzellen können sich prinzipiell mit allen Substraten ernähren, auch mit Eiweiss bzw. Aminosäuren, Fett bzw. Fettsäuren, Laktat und sogar Ketonkörpern [Sonveaux P. et al.: J Clin Invest 2008; 118: 3930-3942; Kallinowski F. et al.: Cancer Research 48, 1988].
  • Ein Gärungsstoffwechsel ist bei vielen (meistens Sauerstoff-verarmten) Tumorarten nachgewiesen. Aber nicht jeder Tumor einer Krebsart zeigt auch einen deutlich ausgeprägten Gärungsstoffwechsel. Eine derartige Ernährungsform wäre daher nur bei Patienten mit solchen Tumoren sinnvoll, die Glucose verstärkt verstoffwechseln. Dies müsste erst für jeden einzelnen Tumor durch entsprechende Stoffwechseluntersuchungen festgestellt werden.
  • Die Funktionen der TKTL1 bei einer Tumorerkrankung sind nicht geklärt und noch Gegenstand intensiver Forschung. Die TKTL1 ist nicht tumorspezifisch und ist auch in Normalgeweben nachweisbar, z. B. in normalem Brustgewebe [Bau L A. Das Transketolase-like-1 Protein (TKTL1) im Mammakarzinom].
  • Die scheinbare enzymatische Aktivität des Proteins TKTL1 ist nur in einem indirekten, gekoppelten Assay durch die Entstehung von NADH + H+ beschrieben, nicht jedoch wie für Enzyme üblich durch den eindeutigen direkten analytischen Nachweis der Reaktionsprodukte. Zudem muss das Protein hierzu in biochemisch reiner Form eingesetzt werden, damit Falschinterpretationen ausgeschlossen werden können. Beides ist in der Literatur momentan nicht beschrieben und es bedarf erst noch des einwandfreien biochemischen Nachweises, dass TKTL 1 tatsächlich eine eigene Transketolaseaktivität besitzt.
  • Ein Nachweis von aktivierten Makrophagen (z. B. TKTL1 (EDIM Test), die "Bruchstücke von Tumorzellen enthalten sollen" ist ein unspezifischer Hinweis, mit dem kein sicherer Rückschluss weder auf einen vorhandenen Tumor noch auf bestimmte Tumoreigenschaften möglich ist.

Fazit

Zum derzeitigen Zeitpunkt kann eine Anwendung der "Anti TKTL1-Diät" nicht empfohlen werden. Die Ernährung eines Tumorpatienten darf kohlenhydratarm sein, wenn eine derartige Ernährung überhaupt nebenwirkungsfrei möglich ist. Spezielle Lebensmittel sind dazu nicht notwendig, zumal wenn die dafür kommerziell angebotenen Lebensmittel nicht deklariert sind.

Hintergrund


Bei der Diät nach Coy (TKTL1-Ernährungstherapie oder Anti-Krebs-Ernährung) handelt es sich um eine sehr kohlenhydratarme Kostform, eine ketogene Diät, die teilweise der zur Gewichtsreduktion empfohlenen LOGI-Diät entspricht. Die Diät basiert auf Untersuchungen an Zellkulturen, nach denen manche Krebszellen einen besonderen Stoffwechsel haben sollen. Das Enzym Transketolase-like 1 (TKTL1) spielt hier eine Rolle: Es wird dafür verantwortlich gemacht, dass einige Tumorzellen auch bei ausreichend vorhandenem Sauerstoff Glucose nicht zu Kohlendioxid und Wasser verbrennen, sondern zu Milchsäure vergären. Zellen in denen eine Transketolase-like 1-Aktivierung stattgefunden hat, sollen 20- bis 30-mal mehr Glucose aufnehmen als gesunde Zellen. Die Begründer der TKTL1-Diät gehen davon aus, dass solche Tumorzellen mit erhöhter Transketolase-Aktivität ohne Glucose-Zufuhr nicht überlebensfähig sind und empfehlen daher einen vorübergehenden Verzicht auf Kohlenhydrate. Im Rahmen der Diät werden bestimmte Lebensmittel und Produkte empfohlen, die von den Begründern vertrieben werden.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.