In Heimen ist Corona nicht vorbei

Achtsam bleiben und gut vorbereitet sein

18.03.2024, 15:15 Uhr

Apotheker Björn Schittenhelm rät zu einem risikoadaptierten Testkonzept. (Foto: Moritz Hahn/DAZ)

Apotheker Björn Schittenhelm rät zu einem risikoadaptierten Testkonzept. (Foto: Moritz Hahn/DAZ)


Zwar wird die Zahl der Corona-Infektionen nicht mehr erfasst, aber die zunehmende Krankheitsschwere und Zahl der Hospitalisierungen lässt aufhorchen. Der Hospitalisierungsindex lag im Herbst 2023 bei 2,3 COVID-19-Fällen innerhalb von sieben Tagen pro 100.000 Einwohnern. Und damit im Bereich, wie zum Zeitpunkt, als die WHO die Pandemie ausrief. Das Problem ist nicht mehr präsent in den Medien, aber „die Fälle sind da“, so Björn Schittenhelm im Rahmen der INTERPHARM Heimversorgung Kompakt.

Gerade in der Langzeitpflege sollte daher auf die Immunisierung gegen SARS-CoV-2 geachtet werden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) nennt in ihren Empfehlungen für Personen mit erhöhtem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe explizit Bewohner in Einrichtungen der Pflege. Empfohlen werden weitere Auffrischimpfungen, in der Regel im Abstand von ≥ 12 Monaten zum letzten Antigenkontakt, vorzugsweise im Herbst.

Rechtzeitiger Therapiebeginn

Gerade in Pflegeheimen gilt es, bei einem Corona-Verdacht lösungsorientiert zu handeln: die Infektion verifizieren (PoC-Antigentest oder PCR-Test), den Patienten behandeln und versorgen und die Arbeitsschutzmaßnahmen beachten. Jetzt sei die Zeit dafür, sich vorzubereiten, Prozesse zu durchdenken und SOPs zu schreiben. Man dürfe „nicht panisch herumspringen“, so Schittenhelm. In jedem Heim sollte eine Verfahrensbeschreibung zum Schutz der Heimbewohner vor­liegen. Bevor es zum Ernstfall einer Infektion kommt, sollte individuell besprochen werden ob z. B. eine antivirale Therapie infrage kommt oder nicht. Eine symptomangepasste Testung hilft, eine Behandlung frühzeitig zu beginnen, um schwere Verläufe zu verhindern. Abhängig von der ­antiviralen Therapie ist innerhalb von fünf bis sieben Tagen nach Symptombeginn die Therapie zu starten, ­danach macht es ­keinen Sinn mehr, so Schittenhelm.

Blick auf die Ko-Medikation

Liegen Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf vor (Immunsuppression, Alter, fehlender Impfschutz) oder traten die Symptome vor mehr als sieben Tagen auf, so ist eine antivirale Frühtherapie nicht indiziert. Die Frage, ob Remdesivir oder Nirmatrelvir/Ritonavir eingesetzt werden können, sollte je nach Setting, Ko-Morbiditäten, Ko-Medikation etc. beantwortet werden. Ritonavir inhibiert HIV-Proteasen, sodass unreife HIV-Partikel gebildet werden, die keinen neuen Infektionskreislauf initiieren. Es hat eine hohe Affinität zu mehreren Isoformen der Cytochrom-P450-Gruppe und kann die Oxidation durch die CYP-Enzyme hemmen (CYP3A4 > CYP2D6). Zudem inhibiert es P-gp (P-Glykoprotein). Aufgrund seiner inhibitorischen ­Eigenschaften auf CYP450 wird Ritonavir auch zur Verbesserung der Pharmakokinetik anderer Proteaseinhibitoren eingesetzt. Werden Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid) parallel verabreicht mit Wirkstoffen, die hauptsächlich über CYP3A4 verstoffwechselt werden, sind Interaktionen zu beachten. So kann die Plasmakonzentration von Arzneimitteln steigen, die über CYP3A metabolisiert werden. Es sind aber auch Veränderungen der Plasmakonzentration von Nirmatrelvir/Ritonavir durch Arzneimittel möglich, die CYP3A induzieren oder inhibieren. Diese Interaktionen sollten geprüft werden, gegebenenfalls muss mit der Ko-Medikation pausiert bzw. die Dosis angepasst werden. Das große Wechselwirkungspotenzial sei mit ein Grund, warum das Thema Paxlovid teilweise angstbesetzt ist. Hier sieht Schittenhelm eine Aufgabe für die Beratung aus der Apotheke: Ja, es gibt ein Interaktionsrisiko, aber man kann eine Therapie gut begleiten und die Medikation umstellen. Datenbanken wie der „Liverpool COVID-19 Interaction Checker“ der University of Liverpool (covid19-druginteractions.org), bieten beim Abgleich der Begleitmedikation schnelle Orientierung. Auch die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DIGIIN) bieten eine Checkliste (www.dgiin.de/paxlovid/index.html).

Vorträge verpasst?

Sie konnten bei der Interpharm „Heimversorgung kompakt“ nicht live dabei sein oder möchten den einen oder anderen Vortrag noch einmal erleben? Sie können die Vorträge noch „nachbuchen“ und bis zum 30. April 2024 im Videoarchiv auf interpharm.de abrufen. Das gilt auch für alle Vorträge der Online-Veranstaltungen „ApothekenRechtTag“, „Apotheke & Wirtschaft“ und „Filialapothekentag“: Auch hier stehen alle Beiträge noch online für Sie bis 30. April bereit. 

Die INTERPHARM geht weiter 

Nach einer kurzen Pause kommen wir dann zum Höhepunkt der INTERPHARM-Saison 2024: der INTERPHARM vor Ort in Mannheim. Am 12. und 13. April bieten wir ein spannendes Programm aus den Bereichen Pharmazie & Wissenschaft, Beratung und Praxis sowie Apotheke und Trends.

Es geht unter anderem um die aktuelle Diabetestherapie, den Hype um Semaglutid, Palliativpharmazie und die Rolle der Ernährung bei antientzündlichen Therapien. Weiterhin geht es darum, wie man pDL in der Apotheke etabliert, sowie um die Versorgung bei Lieferengpässen durch Rezepturen und wie man mit Engpässen von Ausgangsstoffen umgeht. Zudem um E-Commerce für Apotheken, die Möglichkeiten von Social Media, das E-Rezept und neue Erkenntnisse bei der Gestaltung von Sicht- und Freiwahl. 

Als ganz besonderes Highlight konnten wir Dr. Mark Benecke für einen Festvortrag gewinnen. Er ist Spezialist für Insektenkunde und beschäftigt sich mit dem Leben nach dem Tod: Was passiert beispielsweise nach dem Tod eines Menschen mit den Bakterien, die in seinem Darm zu finden sind? Und wie lassen sich Kriminalfälle anhand des Befalls einer Leiche mit Maden lösen? Teils skurril, oft faszinierend und immer humorvoll berichtet der vom FBI ausgebildete Kriminalbiologe von seiner Arbeit.

Natürlich darf auch die Messe mit Ausstellern aus der Branche nicht fehlen.

Das vollständige Programm und alle weiteren Informationen finden Sie hier


Dr. Carolina Kusnick (ck), Apothekerin 
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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