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NRW-Zytoapotheker verpflichten sich zu Transparenz bei der Herstellung
Bottroper Zytoskandal ist Thema bei den Münsteraner Gesundheitsgesprächen
Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Gabriele Regina Overwiening brachte gleich zu Beginn der Veranstaltung ihre persönliche Betroffenheit über die Vorfälle zum Ausdruck, die Anlass waren, dass sich ein Bottroper Apotheker derzeit vor Gericht verantworten muss. Ihm wird vorgeworfen, in großem Stil Zytostatika gepanscht zu haben. „Als Vertreterin der verfassten Apothekerschaft“ entschuldigte sie sich bei allen, die durch einen Angehörigen ihres Berufsstandes geschädigt wurden. Sie wolle der laufenden Gerichtsverhandlung auch nicht vorgreifen, erklärte sie weiter, aber es sei klar, dass eine adäquate Entschädigung der Betroffenen nicht möglich sei. Gerechtigkeit könne es in diesem Fall nicht geben, ebenso wenig wie man das Geschehene rückgängig machen könne. Man könne nur verhindern, dass so etwas noch einmal passiert.
Um entsprechende Maßnahmen zu erarbeiten, war eine Arbeitsgruppe aus Apothekern, Ärzten, Behörden und Vertretern der Selbsthilfegruppen ins Leben gerufen worden. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe liegt nun vor: Eine öffentliche Erklärung, mit der die Unterzeichner die gesicherte Qualität der Zytostatikaherstellung sichtbar machen wollen. Sie wurde bei den 5. Münsteraner Gesundheitsgesprächen vorgestellt und findet sich im Kasten „Die Erklärung im Wortlaut“.
Die Erklärung im Wortlaut
Vor dem Hintergrund des Bottroper Zytoskandals haben sich die Zytostatika herstellenden Apotheken, der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), die Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP e. V.) und die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe gemeinsam mit den Apothekerkammern Westfalen-Lippe und Nordrhein darauf verständigt, ihre gesicherte Qualität bei der Zytostatikaherstellung durch eine öffentliche Erklärung sichtbar zu machen:
„Bei unserer Arbeit beachten wir stets die gesetzlichen Vorgaben und Qualitätsstandards zur Herstellung. Das am Herstellungsprozess beteiligte Fachpersonal bilden wir regelmäßig fort. So wird der Herstellungsprozess immer auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und gesetzlichen Vorgaben durchgeführt. Auch durch die aktuell verabschiedete, interprofessionelle Leitlinie der Onkolog/innen und Apotheker/innen wird die Versorgungsqualität konsequent sichergestellt.
Darüber hinaus erklären wir,
- dass wir jederzeit das Vier-Augen-Prinzip bei der Herstellung von Zytostatika-Lösungen konsequent einhalten. Wir haben Maßnahmen entwickelt, mit denen wir dafür Sorge tragen, dass auch bei personellen Engpässen dieses Vier-Augen-Prinzip sichergestellt wird;
- dass eine Durchschrift unserer Herstellungsdokumentation dem verordnenden Arzt zur Verfügung steht, damit diese möglichst in die Patientenakte aufgenommen werden kann. Darin werden alle am Herstellungsprozess beteiligten Personen benannt;
- dass wir auf Nachfrage jederzeit einen transparenten und plausiblen Überblick über die bezogenen und verwendeten Ausgangsstoffe und deren Dokumentation geben können.“
Die Liste der Unterzeichner soll auf den Internetseiten der Apothekerkammern einsehbar sein. Bei Apothekern, die diese Selbstverpflichtung nicht unterschreiben, könne man dann genauer nachhaken, warum sie das nicht getan hätten, hieß es. Bei der Formulierung der Erklärung habe man eine Petition der Selbsthilfegruppe von Geschädigten aus dem Bottroper Zytoskandal berücksichtigt, erklärte die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Gabriele Regina Overwiening.
Die Erklärung hat allerdings eine große Schwäche: Sie ist bislang eine alleinige Initiative der Apotheker aus Nordrhein-Westfalen. Jedoch werde ein Großteil der Onkologen gar nicht von ortsansässigen Apotheken versorgt, sondern von großen Herstellbetrieben beispielsweise in Niedersachsen oder Hamburg, wie Overwiening am Rande der Veranstaltung einräumte.
Die Kammerpräsidentin warnte in diesem Zusammenhang auch vor einer Trivialisierung der freien Berufe in Richtung reiner Wirtschaftsbetriebe. „Das engt den Handlungsauftrag im Gesundheitswesen einseitig ein und zerstört auf Dauer Vertrauen“, erklärte Overwiening. „Vertrauen ist aber die Währung für ein funktionierendes Gesundheitssystem. Und dieses Vertrauen, das jetzt im Bereich der Zytostatikaversorgung massiv erschüttert ist, gilt es wiederherzustellen.“
Mit mehr Kontrollen, nach denen viele jetzt pauschal rufen, allein lässt sich das Problem ihrer Ansicht nach allerdings nicht lösen. „Man kann vielleicht einen Fehler – absichtlich oder unabsichtlich entstanden – entdecken, aber keine Qualität in das System hineinprüfen. Qualität muss entstehen, indem man Verantwortung für einen guten Prozess übernehmen will“, erklärte sie. Es müsse sichtbar werden, dass die Apotheker Qualität leisten wollen.
Auch die Vertreter der Aufsicht legten ihre Maßnahmen dar. Denn auch hier scheint es in dem Bottroper Fall Defizite gegeben zu haben. So sei ein Prüfprotokoll in Kraft getreten, das bislang nur als Entwurf vorgelegen habe, erklärte der anwesende Amtsapotheker aus Dortmund, der jedoch immer wieder betonte, zu den Umständen in Bottrop nichts sagen zu können. Zudem müssen alle Zyto-Apotheken in NRW bis 30. Juni 2018 einmal unangekündigt kontrolliert werden. Ob diese Kontrollen dann ausreichend sind und in welchem Rhythmus sie in Zukunft stattfinden sollen, gelte es dann zu evaluieren.
Ein Punkt, der ebenfalls zur Sprache kam, vor allem von Martin Porwoll und den Journalisten der Recherchegemeinschaft Correctiv, war das fehlende Krisenmanagement. Es wurde der Vergleich zum Flugzeugabsturz gezogen, wo jede Stelle genau wisse, was sie tun habe, von Informationswegen bis hin zu psychologischer Hilfe für Angehörige. Das habe im Bottroper Fall völlig gefehlt – und fehle bis heute. Zudem berichteten Vertreter der Ärztekammer, die laut eigener Aussage gleich zu Beginn helfen und beispielsweise Patienten informieren wollten, dass es schlicht nicht möglich gewesen sei, von den Behörden und der Staatsanwaltschaft Informationen zu erhalten. Ähnliche Erlebnisse schilderten auch die Vertreter der Apothekerkammer. Kammerpräsidentin Overwiening erklärte zum Schluss, dass sie das als Arbeitsauftrag auffasse und man die Erarbeitung solcher Krisenpläne diskutiere. Sie machte aber auch klar, dass das Thema Bottroper Zytoskandal mit den nun eingeleiteten Maßnahmen nicht vom Tisch sei, sondern dass es sich bei der Aufarbeitung um einen langwierigen Prozess handele, der stetiger Evaluation bedürfe. |
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