Wer schluckt mehr?

Paracetamol wird bei Schmerzen und Fieber, sowohl bei Erwachsenen, als auch Säuglingen eingesetzt. Selbst in der Schwangerschaft gilt der Wirkstoff laut Embryotox als ein bewährtes und gut verträgliches Analgetikum und Antipyretikum. Daher könnten viele Anwender die Risiken einer Überdosierung unterschätzen und im schlimmsten Fall ihr Leben gefährden – ein Risiko, das derzeit auch Jugendliche in der Schweiz und Belgien betrifft. Mehreren Medienberichten zufolge verbreitet sich auf TikTok ein gefährlicher Trend: Teilnehmer der sogenannten Paracetamol-Challenge versuchen, einander zu überbieten, indem sie immer mehr Paracetamol-Tabletten einnehmen. Ihr Ziel ist es, möglichst lange im Krankenhaus zu bleiben, ohne zu sterben.

Gefährlich bei Überdosierung

Die Schmerztabletten sind in der Schweiz und in Belgien ohne Rezept erhältlich. In Deutschland sind Arzneimittel mit einer Gesamtwirkstoffmenge von bis zu 10 g Paracetamol je Packung apothekenpflichtig, jedoch nicht verschreibungspflichtig. Das Gefährliche ist, dass Paracetamol überdosiert werden kann. Bei Erwachsenen kann eine Menge von 7,5 bis 10 g Paracetamol pro Tag kritisch werden – bei Leberkranken und Alkoholikern reichen geringere Dosen. Zum Vergleich: Bei gesunden Erwachsenen liegt die empfohlene Einzeldosis zur Schmerzsenkung bei 500 mg bis 1 g, die Tageshöchstdosis bei 4 g. Für Säuglinge und Kinder wird die passende Dosis über das Körpergewicht berechnet.

Bei Einnahme einer hohen Paracetamol-Dosis kann es durch Bildung des toxischen Metaboliten N-Acetyl-p-benzochinonimin die Leber schädigen oder bis hin zum Tod führen. Letale Dosen liegen bei 10 bis 30 g – welche mit ein bis drei Packungen Paracetamol erreicht werden können.

Das auch als Expektorans eingesetzte Acetylcystein wird bei Paracetamol-Vergiftungen in hohen Dosen infundiert und wirkt als Antidot. Die Verbindung enthält freie SH-Gruppen, die die Bildung von Glutathion in der Leber erhöhen. Diese Maßnahme hilft jedoch nur, wenn die Vergiftung rechtzeitig erkannt wird.

Apotheken sollen wachsam bleiben

Da sich solche fragwürdigen TikTok-Trends in der Vergangenheit gehäuft haben, sollten Apotheker und Apothekerinnen stets aufmerksam sein, besonders wenn Kinder und Jugendliche nach Paracetamol fragen. Dazu gehört, über die Risiken des Wirkstoffes aufzuklären und vor Überdosierungen zu warnen. Paracetamol ist nach Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), in einer Gesamtwirkstoffmenge von bis zu 10 g je Packung von der Verschreibungspflicht ausgenommen.

Viele Apotheker stellen sich die Frage: Dürfen mehrere Packungen Paracetamol in der Apotheke abgegeben werden? Laut der Expertin Dr. habil. Sabine Wesser ist es möglich, im Rahmen des heilberuflichen Ermessens, mehrere Packungen Paracetamol abzugeben. Besteht jedoch ein Hinweis auf eine missbräuchliche Anwendung oder eine Gefährdung der Arzneimitteltherapiesicherheit, sollte die Abgabe verweigert werden.

Literatur

Embryotox, Paracetamol, www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/paracetamol
Julia Borsch. Dürfen Apotheken mehr als eine Packung Paracetamol abgeben? www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/03/30/duerfen-apotheken-mehr-als-eine-packung-paracetamol-abgeben, 30. März 2020
Wirkstoff-Lexikon, Paracetamol, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/07/13/paracetamol-2, Stand: 13. Juli 2020