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Leiden immungeschwächte Patienten trotz negativem PCR-Test über Wochen und Monate an Fieber, anhaltendem Husten und Abgeschlagenheit, kann eine persistierende SARS-CoV-2-Infektion dahinterstecken. Das kürzlich hinzugefügte Kapitel in der S3-Leitlinie zur COVID-19-Therapie beleuchtet die therapeutischen Optionen, die dieser speziellen Patientengruppe zur Verfügung stehen.
Persistierende SARS-CoV-2-Infektionen bei immundefizienten Patienten zeichnen sich durch über Wochen oder Monate anhaltende Abgeschlagenheit, Husten, erhöhte Körpertemperatur und teilweise auch Dyspnoe aus. Besonders häufig betroffen sind Patienten, die eine anti-CD20-Therapie erhalten oder die aufgrund einer akuten Infektion oder einer anderen immunsuppressiven Therapie einen Mangel an Immunglobulinen aufweisen. CD20-Antikörper wie Rituximab (z. B. Mabthera®) oder Ofatumumab (z. B. Kesimpta®) richten sich gegen das Transmembranprotein CD20, das auf B-Zellen exprimiert wird, und werden zur Therapie von B-Zell-Malignomen und bestimmten Autoimmunerkrankungen wie multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis eingesetzt.
Trotz negativem PCR-Test zur Diagnose
Die Virusreplikation findet bei persistierenden Infektionen vor allem in den unteren Atemwegen statt. Aufgrund der fehlenden Symptome in den oberen Atemwegen wird eine persistierende SARS-CoV-2-Infektion oft lange nicht erkannt. Erschwerend kommt hinzu, dass ein PCR-Abstrich der oberen Atemwege häufig keine oder nur eine niedrige Viruslast nachweist. Sichere Hinweise auf eine persistierende Infektion liefern persistierende atypische Milchglasinfiltrate, die in der Computertomographie gefunden werden, sowie der Nachweis einer hohen Viruslast in den tiefen Atemwegen mittels bronchoalveolärer Lavage.
Auch therapeutisch eine Herausforderung
Die fehlende oder unzureichende Immunantwort auf SARS-CoV-2 geht auch therapeutisch mit Herausforderungen einher. So besteht bei immundefizienten Patienten generell ein höheres Risiko für einen viralen Rebound nach Absetzen der antiviralen Therapie. Zudem kann – vor allem unter einer Monotherapie – die fehlende Immunantwort bei gleichzeitig anhaltender Virusreplikation Selektionsdruck auf die vorhandenen Viren ausüben und die Entstehung von Resistenzen begünstigen. Um Kontrolle über die Infektion zu bekommen und eine virale Clearance zu erzielen, ist deshalb in der Regel eine verlängerte Behandlungsdauer und/oder eine antivirale Kombinationstherapie nötig.
Antivirale Therapie plus passive Immunisierung
Bisher gibt es noch keine randomisierten klinischen Studien, in denen eine antivirale Therapie bei immundefizienten Patienten mit persistierender Coronainfektion untersucht wurde. Die kürzlich aktualisierten Leitlinien-Empfehlungen beruhen daher auf der Bewertung von elf Fallserien mit insgesamt 118 Patienten, die über ein bis sechs Monate an einer anhaltenden SARS-CoV-2-Infektion gelitten haben. Die meiste Evidenz zur Behandlung einer persistierenden SARS-CoV-2-Infektion liegt für die Kombination aus einem antiviralen Wirkstoff wie einem Nukleosidanalogon (z. B. Remdesivir) oder einem Protease-Hemmer (z. B. Nirmatrelvir/Ritonavir) mit einer passiven Immunisierung (z. B. neutralisierende monoklonale Antikörper oder polyklonale Immunglobulinpräparate, die SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper enthalten) vor. Laut den Autoren müssen sich die neutralisierenden monoklonalen Antikörper gegen die aktuell zirkulierenden Varianten richten. Derzeit sind solche Präparate in Deutschland nicht verfügbar. Die Zulassung des langwirksamen Antikörpers Sipavibart als Prä-Expositionsprophylaxe wird aktuell von den zuständigen Behörden geprüft. Bei Therapieversagen kann unter Berücksichtigung der Vortherapie die Kombination aus zwei direkt wirksamen antiviralen Arzneimitteln und einer passiven Immunisierung versucht werden.
Sichere Langzeitanwendung
Aufgrund der schwachen und heterogenen Datenlage können die Autoren derzeit keine einheitliche Empfehlung für die Behandlungsdauer aussprechen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die passive Immunisierung nach Angaben der entsprechenden Fachinformation erfolgen sollte. Sie empfehlen, die antiviralen Wirkstoffe wie Remdesivir mindestens fünf bis zehn Tage zu verabreichen, Nirmatrelvir/Ritonavir über mindestens fünf Tage. Da es bisher keine Hinweise auf eine Toxizität bei längerem Gebrauch gibt, therapieren einige Zentren auch länger. Der Therapieerfolg sollte regelmäßig anhand der Inflammationsparameter oder mittels sequenziellem PCR-Test geprüft werden.
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Grundsätzlich sollten bei der Therapiewahl neben der Krankheitsschwere und -dauer auch individuelle Vorerkrankungen, sekundäre Infektionen, spezielle Immundefekte, eingenommene Immunsuppressiva sowie mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen miteinbezogen werden. Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich dabei um einen Off-Label-Einsatz der genannten Arzneimittel handelt und die Therapieentscheidung ausschließlich durch einen in der COVID-19-Therapie von immundefizienten Patienten erfahrenen Facharzt erfolgen sollte. Alternativ können Betroffene ein spezialisiertes infektiologisches Zentrum aufsuchen.
Literatur
[1] Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit COVID-19. S3-Leitlinie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), AWMF-Register-Nr. 113/001, Stand: 16. September 2024
[2] Anti-CD20-Therapeutika. Informationen der Gelben Liste, www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/anti-cd20-therapeutika, Stand 25. September 2024
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