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Paracetamol in der Schwangerschaft: Erneute Diskussion

27.08.2024, 17:50 Uhr

Wie sicher ist Paracetamol in der Schwangerschaft? (Foto: Andrey Popov / AdobeStock)

Wie sicher ist Paracetamol in der Schwangerschaft? (Foto: Andrey Popov / AdobeStock)


Gerade wurde Paracetamol vom Verdacht freigesprochen, es könne bei Ungeborenen das Risiko für Autismus und ADHS erhöhen. Nun wird die besagte Studie kritisiert. Wie sind die Daten einzuordnen?

In den vergangenen Jahren wurde in verschiedenen Studien der Verdacht geäußert, dass durch die mütterliche Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft das Risiko für kindliche Entwicklungsstörungen steigen könnte [5]. Eine im April 2024 publizierte Studie schien die Lage zu entspannen [2]: Sie fand keine Anhaltspunkte für einen kausalen Zusammenhang zwischen Paracetamol-Konsum während der Schwangerschaft und einem erhöhten Risiko für Autismus, ADHS und geistige Behinderung der Nachkommen (s. DAZ 2024, Nr. 18, S. 36). Die Analyse, die sich auf Daten einer landesweiten Kohorte von über 2,4 Millionen in Schweden geborenen Kindern stützt, bezieht auch Geschwisterkinder ein, die vor der Geburt nicht mit Paracetamol in Berührung gekommen waren. Anhand von Daten aus Schwedens nationalem Gesundheits- und Arzneimittelregister sammelten die Forscher Informationen zur Arzneimitteleinnahme während der Schwangerschaft bei Geburten zwischen 1995 und 2019. 

Etwa 7,5 % der Studienstichprobe – 185.909 Kinder – waren während der Schwangerschaft Paracetamol ausgesetzt. Das Team verfolgte jedes Kind bis zu 26 Jahre nach der Geburt und stellte zunächst wie in ähnlichen früheren Studien ein geringfügig erhöhtes Risiko für Autismus, ADHS und geistige Behinderung fest. Die Wissenschaftler verglichen danach Geschwisterkinder, bei denen ein Geschwisterteil vor der Geburt im Mutterleib Paracetamol ausgesetzt war, während das andere nicht damit in Kontakt gekommen war. Dabei konnten die Autoren kein erhöhtes Risiko für eine neurologische Entwicklungsstörung nach mütterlicher Anwendung von Paracetamol erkennen.

Kritik an verwendeten Daten

Inzwischen wurde an der schwedischen Studie kritisiert, dass sich die Auswertung auf Daten des medizinischen Geburtenregisters stützt. Informationen über die Dosis, die Dauer oder den Zeitpunkt der Einnahme sind dort nicht erfasst. Die Befürchtung, dass das Geburtenregister den Paracetamol-Konsum nicht vollständig registriert hat, wird durch die gemeldete Prävalenz von 7,5 % erhärtet [4]. Dieser Prozentsatz liegt deutlich unter den 41 bis 56 % mütterlicher Expositionen, die bei Kohortenstudien in Europa ermittelt wurden [3]. Allerdings wird in Skandinavien Frauen im gebärfähigen Alter im Allgemeinen empfohlen, Schmerzmittel nur unter strenger Indikationsstellung einzunehmen. So gaben beispiels­weise in einer dänischen Schwangerschaftskohorte 37 % der Befragten an, in den drei Monaten vor der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen zu haben, was im ersten Trimester auf 6 % zurückging [7].

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Die Studie von Ahlqvist et al. [2] befasste sich ausschließlich mit der neurologischen Entwicklung der exponierten Nachkommen. Die Einnahme von Paracetamol war in den vergangenen Jahren auch mit anderen kindlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht worden wie z. B. Asthma bronchiale oder Hodenhochstand bei männlichen Nachkommen. Allerdings konnten bereits Shaheen et al. [6] zeigen, dass ein erhöhtes Risiko für kindliches Asthma auch unter mütterlicher Anwendung anderer Analgetika (NSAID, Opioide) auftritt. Daraus ergab sich die Schlussfolgerung, dass wohl mütterliche Faktoren wie chronischer Schmerz oder Angst für die Entwicklung der kindlichen Beschwerden verantwortlich sein dürften.

Geschwistervergleiche sind eine hervorragende Methode, um exogene Einflussgrößen wie z. B. Arzneimittel­konsum von familiären Faktoren zu unterscheiden. Trotzdem betonen auch Ahlqvist et al. in ihrer Antwort auf kritische Stimmen zu ihrer umfangreichen Studie, dass der Einsatz von Paracetamol – wie bei jeder Medikamentenanwendung in der Schwangerschaft ‒ unter strenger Indikationsstellung so kurz und moderat dosiert wie möglich erfolgen sollte [1].

Literatur

[1] Ahlqvist VH et al. Acetaminophen Use During Pregnancy-Reply. JAMA 2024;332(4):339-340, doi: 10.1001/jama.2024.10707

[2] Ahlqvist VH et al. Acetaminophen Use During Pregnancy and Children‘s Risk of Autism, ADHD, and Intellectual Disability. JAMA 2024;331(14):1205-1214, doi: 10.1001/jama.2024.3172

[3] Bauer AZ et al. Paracetamol use during pregnancy - a call for precautionary action. Nat Rev Endocrinol 2021;17(12):757-766, doi: 10.1038/s41574-021-00553-7

[4] Cramer DW. Acetaminophen Use During Pregnancy. JAMA 2024;332(4):338-339, doi: 10.1001/jama.2024.10704

[5] Masarwa R et al. Prenatal Exposure to Acetaminophen and Risk for Attention Deficit Hyperactivity Disorder and Autistic Spectrum Disorder: A Systematic Review, Meta-Analysis, and Meta-Regression Analysis of Cohort Studies. Am J Epidemiol 2018;187(8):1817-1827, doi: 10.1093/aje/kwy086

[6] Shaheen SO et al. Prescribed analgesics in pregnancy and risk of childhood asthma. Eur Respir J 2019;53(5):1801090, doi: 10.1183/13993003.01090-2018

[7] Taagaard M et al. Paracetamol use prior to and in early pregnancy: Prevalence and patterns among women with and without chronic medical diseases. Br J Clin Pharmacol 2023;89(8):2582-2591, doi: 10.1111/bcp.15732


Dr. Wolfgang Paulus


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