Notdienste in Schleswig-Holstein

Problematische Resonanz

Süsel - 08.01.2015, 16:55 Uhr


Mit dem Jahreswechsel wurde in Schleswig-Holstein eine neue entfernungsabhängige Verteilung der Apothekennotdienste eingeführt. Nun geschieht, was etliche Delegierte befürchtet hatten: Es gibt zunehmend kritische Stimmen in der Presse.

Mehrere schleswig-holsteinische Regionalausgaben von Tageszeitungen haben das Thema inzwischen aufgegriffen. Neben Informationen über die Fakten ist dabei immer wieder der Tenor zu erkennen, dass die Wege weiter geworden sind. „Lange Wege für ein Medikament“ titelten die Husumer Nachrichten heute und stellten zwei extreme Fälle vor, darunter einer von der Insel Nordstrand, die nur über einen Damm mit dem Festland verbunden ist. Die „taz“ beschreibt im Beitrag „Landpartie zur Apotheke“, dass sogar die Einwohner der Stadt Schleswig im Januar an zehn Tagen zum Notdienst bis zu zehn Kilometer ins Umland fahren müssen. Dass sich auch Stadtbewohner bei dem neuen System umstellen müssen, war vorher bekannt. Schon bei der Beschlussfassung im Sommer war in der Kammerversammlung betont worden, dass die Änderung der Gewohnheiten das größte Problem bei der Umstellung werden dürfte.

Ärgerlicher ist ein anderer Aspekt, der in der heutigen Norderstedter Ausgabe im „Hamburger Abendblatt“ deutlich wird. Der Beitrag mit dem Titel „Bis zu 38 Kilometer bis zur nächsten Apotheke“ greift die maximale Entfernung zur nächsten Notdienstapotheke auf, die das neue System für Bewohner kleiner Orte zulässt. Bereits bei der jüngsten Kammerversammlung hatten Delegierte beklagt, dass die Kammer diese Maximalentfernung in einer Information an die Presse deutlicher herausgehoben hatte als beispielsweise eine realistische Durchschnittsentfernung, die sich bei der neuen Notdienstverteilung ergibt. Denn durch die Argumentation mit der Maximalentfernung erscheint das System unkomfortabler, als es ist.

Inhaltlich schwerer wiegt jedoch ein weiterer Aspekt. Den beschrieb das „Pinneberger Tageblatt“ am 6. Januar in der Meldung „Ärztevertreter kritisiert Neuorganisation der Bereitschaftszeiten in Apotheken“. Dr. Marc Dupas, Allgemeinmediziner aus Uetersen und Abgeordneter der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, bezeichnet das System demnach als „Katastrophe“ und kritisiert, dass in unmittelbarer Nähe der Notfallpraxen in Elmshorn und Pinneberg keine Apotheke mehr Dienst habe. Am vorigen Wochenende hätten die Pinneberger nach Wedel und die Elmshorner nach Uetersen fahren müssen. Auch dieses Problem wurde bereits bei der Kammerversammlung im November diskutiert. Doch der Apothekennotdienst zielt auf eine gute Flächendeckung und ist nicht auf die Patienten der Notfallpraxen fokussiert. Mit der dezentralen und der zentralen Organisation prallen hier also zwei grundverschiedene Denkweisen aufeinander – und das ist zumindest erklärungsbedürftig.

Erfreulicherweise gehen viele Presseberichte auch auf die Position der Apotheker ein. In mehreren Beiträgen wird Dr. Stefan Zerres, Justitiar der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, zitiert. Er betont, dass es um einen Notdienst geht und nicht um eine möglichst bequeme Arzneimittelversorgung.


Dr. Thomas Müller-Bohn


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