Prüfbericht zur Organvergabe

Verstöße in 4 von 24 Lebertransplantationszentren

Berlin - 04.09.2013, 13:47 Uhr


In vier der 24 Lebertransplantationsprogramme in Deutschland gab es in den Jahren 2010 und 2011 schwerwiegende Richtlinienverstöße „unterschiedlicher Ausprägung“. Zu diesem Ergebnis kam die Prüfungs- und Überwachungskommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband. Die Überprüfung der weiteren Programme soll nun folgen.

Die Vor-Ort-Prüfungen sind Teil des nach dem Transplantationsskandal im Sommer 2012 ausgeweiteten Kontrollsystems. Schwerwiegende Verstöße stellten die Prüfer in der Universitätsklinik Göttingen und Leipzig sowie in zahlenmäßig geringerem Ausmaß in München und Münster fest. Bei diesen Verstößen wurde für bestimmte Patienten die Dringlichkeit zur Lebertransplantation erhöht, so dass sie auf der Warteliste weiter nach vorne rückten. Die Ergebnisse der Prüfungen sollen in der Ständigen Kommission Organtransplantation jetzt schnellstmöglich ausgewertet werden, um sie zur Feststellung des Standes der medizinischen Wissenschaft in den Richtlinien der Bundesärztekammer zu nutzen.

Anhaltspunkte, dass privatversicherte Patienten oder sogenannte Non-Residents bevorzugt behandelt und transplantiert worden wären, gab es laut der Kommissionsvorsitzenden Anne-Gret Rinder nicht. Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin und Sonderprüferin der Prüfungs- und der Überwachungskommission, bezeichnete unsachliche Einlassungen als „wenig hilfreich“: Wer die Aufarbeitung des Transplantationsskandals zu skandalisieren versuche, könne oder wolle nicht verstehen, „welch sensibler Bereich die Transplantationsmedizin ist und dass es rechtsstaatliche Grundsätze sind, die unser Vorgehen leiten“.

Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, und Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, dankten der Kommission für ihre Arbeit. Die Selbstverwaltung trage „Verantwortung für eine positive Fortentwicklung der Transplantationsmedizin und für die Menschen auf der Warteliste“, betonte Montgomery. Von Stackelberg ergänzte, zur Wiederherstellung des Vertrauens helfe nur „eine lückenlose Aufklärung aller Manipulationen“. Aber auch die Strukturen müssten überdacht werden – in Deutschland gebe es zu viele Transplantationszentren bei zu wenigen Spenderorganen, der Wettbewerb sei zu hoch und „wahrscheinlich auch ein Grund für die Manipulationen“.

Kritik kommt dagegen aus der Politik: „Leider nur ein weiteres Ablenkungsmanöver der großen Akteure im Organspendesystem und Wahlkampfgeklingel des Ministers“, erklärte Kathrin Vogler (Linke). Seit Bekanntwerden der Skandale gehe es dem Bundesgesundheitsministerium, der Bundesärztekammer und der Deutschen Stiftung Organspende darum, „die Öffentlichkeit zu beruhigen, ohne dabei aber die notwendigen grundlegenden Änderungen vorzunehmen“. Die Linke fordert daher, dass statt der Bundsärztekammer eine (halb)staatliche Einrichtung die Richtlinien vorgibt – auch Aufsicht und Kontrolle dürften nicht den Akteuren selbst überlassen werden. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen, kritisierte ebenfalls, der Bundesgesundheitsminister habe „den notwendigen Neustart im Transplantationswesen nicht geschafft“. Das bestehende System, das den Missbrauch hervorgebracht habe, müsse „vom Kopf auf die Füße gestellt werden“.

Lesen Sie zum Thema


Juliane Ziegler


Das könnte Sie auch interessieren

Organspende-Manipulation in Leipzig

Montgomery: Kontrollsystem greift

Spitzentreffen zu Organspende-Skandal

Bahr für schärfere Kontrollen und mehr Transparenz

Private Krankenversicherung

Ist das PKV-System noch zeitgemäß?

Wozu Normen für das Gesundheitswesen? – Eine Analyse von Thomas Müller-Bohn

Bedrohung für die Selbstverwaltung

Manipulation bei Lebertransplantationen

Staatsanwaltschaft ermittelt in Münster