Wird die Pharmazie nachhaltiger?
Beim Thema Nachhaltigkeit fällt der Blick zunächst auf Dosieraerosole: Das hohe Treibhauspotenzial gängiger Triebgase macht diese Darreichungsform zu einem wesentlichen Klimatreiber. Doch wie gelingt der Wechsel auf andere Devices? In einer US-Studie, in der Veteran*innen von Dosieraerosolen auf Pulverinhalatoren wechselten, stieg die Hospitalisierungsrate; ob wegen Darreichungsform oder Wirkstoff, ließ sich nicht trennen. Die Autor*innen schlussfolgerten, dass eine ausführliche Schulung bei der Umstellung unerlässlich ist (DAZ 30, S. 28). Eine andere Forschungsgruppe berechnete, dass bei einer Umstellung von 85% der 10- bis 79-Jährigen deutschen Patient*innen 288 Kilotonnen CO₂ eingespart werden könnten – etwa so viel, wie 100.000 ha Wald jährlich speichern (DAZ 46, S.40).
Ciao F-Gase, ciao Salbutamol?
Bewegung bewirkt auch die Gesetzgebung: Die F-Gas-Verordnung sieht eine deutliche Reduktion von fluorierten Treibgasen vor. Sandoz kündigte vor diesem Hintergrund an, die Produktion seiner Dosieraerosole auslaufen zu lassen; die Umstellung auf klimaschonendere Gase sei nicht wirtschaftlich (DAZ 22, S.12). Zieht die Konkurrenz nach, drohen bei Wirkstoffen wie Salbutamol erneute Lieferengpässe.
Recycling: Nachfrage > Angebot
Ein weiterer Hebel ist – wo möglich – das Recycling. In DAZ 47 auf S. 66 stellten wir das ReMed-Programm von Novo Nordisk vor, an dem Apotheken in Berlin und Rheinland-Pfalz teilnehmen können. Apotheken nehmen leere Pens zurück und schicken sie an Novo Nordisk; der Hersteller führt Kunststoff und Stahl der Wiederverwertung zu. Die Erfahrungen sind gemischt: In manchen Apotheken ist der Aufwand gering und das Lob groß, anderswo überrollen Pens anderer Marken das Team. Einen weiteren Recycling-Ansatz lernten Teilnehmende der 4. Sommerakademie zur Nachhaltigen Pharmazie in Halle kennen. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen werden Altarzneimittel gesammelt, um daraus Chemikalien für Forschung und Lehre zurückzugewinnen (DAZ 42, S. 44).
Inspirieren und zertifizieren
Doch Apotheken können auch selbst aktiv werden. Inspiration für eine Nachhaltigkeitsstrategie bietet etwa der in DAZ 26 auf S. 47 vorgestellte Abda-Leitfaden mit dem Motto: Reduce, Refuse, Reuse, Rethink, Recycle. Hilfestellungen gibt es zudem zum Hitzeschutzort Apotheke, etwa den Musterplan der BAK („Hitzeschutz für Apotheken – BAK veröffentlicht Musterplan“, auf DAZ.online vom 5. Juni). Einige Ideen daraus: Wasserspender an heißen Tagen oder teamintern festlegen, ab welchen Temperaturen auf Kittel verzichtet werden darf.
Wer seine Bemühungen zertifizieren lassen möchte, kann sich in DAZ 37 ab S. 58 von Gerhild Kirstein inspirieren lassen: Die Sindelfinger Inhaberin ließ ihre Apotheke 2025 zum nachhaltig orientierten Unternehmen auszeichnen – mit überschaubarem Aufwand.
Nachhaltige Pharmazie als Gesamtkunstwerk
Therapieoptimierung, Recycling, Zertifizierung – wie diese Bausteine ins Gesamtbild passen, erläutern Dr. Karina Witte und Prof. Dr. Michael Müller in DAZ 37 ab S. 60. Denn Nachhaltigkeit muss den gesamten Lebenszyklus des Arzneimittels umfassen: von der Produktion bis zum Abbau von Metaboliten in der Umwelt; neben ökologischen sind auch ökonomische und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Wichtig ist, „Nebenwirkungen“ wie Greenwashing oder Rebound-Effekte im Blick zu behalten, welche die Bilanz trotz guter Intention verschlechtern können.
Nachhaltigkeit ist komplex und ein Querschnittsthema für alle pharmazeutischen Disziplinen. Nicht zuletzt deshalb war das Thema Kongressmotto der DPhG-Jahrestagung. Dort wurde betont, dass mit dem Klimawandel Apotheker und Apothekerinnen künftig häufiger mit ehemaligen Tropenkrankheiten konfrontiert werden, etwa Chikungunya und Dengue (DAZ 41, S. 42).