Analgetika können Antibiotikaresistenzen fördern
Antibiotikaresistenzen sind auf dem Vormarsch. Im Jahr 2019 gingen schätzungsweise fast 5 Millionen Todesfälle auf das Konto Antibiotika-resistenter Mikroorganismen. Doch nicht nur der zunehmende Einsatz von Antibiotika in Medizin und Landwirtschaft verstärkt das Problem. Zahlreiche weitere Arzneimittelgruppen besitzen antibiotische Eigenschaften oder stehen im Verdacht, Resistenzen direkt oder indirekt zu begünstigen. Wenn diese Arzneimittel und Antibiotika aufeinandertreffen, kann es heikel werden. Es drohen Kreuzresistenzen.
Ciprofloxacin richtig einsetzen
Die Anwendung von Fluorchinolonen sollte nicht nur vor dem Hintergrund von Antibiotikaresistenzen kritisch geprüft werden. Die Substanzklasse ist auch mit schwerwiegenden und anhaltenden Nebenwirkungen verbunden, die insbesondere den Bewegungsapparat und das Nervensystem betreffen. Die Arzneimittel sollten nur entsprechend ihren zugelassenen Anwendungsgebieten und nur nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden. Bei nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen wie einer akuten Bronchitis oder einer Mandelentzündung sollten sie beispielsweise gar nicht verordnet werden. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn gleichzeitig Corticosteroide gegeben werden, sowie bei älteren Menschen, bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion und Menschen mit Organtransplantaten. In solchen Fällen kann das Risiko einer Fluorchinolon-induzierten Sehnenentzündung und -ruptur erhöht sein [2].
Eine Forschergruppe aus Australien analysierte nun im Rahmen von Zellkulturexperimenten, wie Escherichia coli (E.-coli)-Stämme reagieren, wenn sie sowohl dem Fluorchinolon-Antibiotikum Ciprofloxacin als auch einem (oder mehreren) weiteren Arzneimitteln ausgesetzt sind [1]. Untersucht wurden die Analgetika Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac und Tramadol sowie weitere Substanzen, die häufig bei Personen in Altersheimen angewendet werden – nämlich Furosemid, Atorvastatin, Metformin, Pseudoephedrin und Temazepam. Die Arzneimittel wurden den Zellkulturen in Konzentrationen zugefügt, die typischerweise im menschlichen Darmtrakt auftreten.
Ibuprofen und Paracetamol fördern Resistenzen
Bei Ciprofloxacin-Konzentration unter der minimalen Hemmkonzentration verstärkten sowohl Ibuprofen als auch Paracetamol das Wachstum der Bakterienstämme deutlich. Außerdem führten die beiden Analgetika signifikant häufiger zu Mutationen in den untersuchten E.-coli-Stämmen als eine alleinige Ciprofloxacin-Gabe in minimaler Hemmkonzentration des Fluorchinolons. Die aufgetretenen Mutationen waren mit einer bis zu 16-fachen Erhöhung der erforderlichen minimalen Hemmkonzentration von Ciprofloxacin verbunden.
Zudem vermittelten die Mutationen nicht nur eine Resistenz gegenüber Fluorchinolonen, sondern teilweise auch gegenüber weiteren Antibiotika wie dem Tetracyclin Minocyclin oder dem Cephalosporin Ceftazidim. Den resistenzvermittelnden Mutationen gingen die Forschenden näher auf den Grund: Mittels Gesamtgenomsequenzierung und PCR-Analysen stellten sie fest, dass etliche – aber nicht alle – Mutationen mit einer Überexpression der AcrAB-TolC-Effluxpumpe in Zusammenhang stehen.
Diclofenac und Furosemid erhöhen Mutationen
Weitere Experimente zeigten, dass die Zugabe eines Effluxpumpenhemmers die Wirksamkeit von Ciprofloxacin ganz oder teilweise wiederherstellen konnte. Und wie sah es mit den anderen untersuchten Arzneimitteln und Arzneimittelkombinationen aus? Diclofenac sowie Furosemid erhöhten ebenfalls die Häufigkeit von Mutationen. Andere Wirkstoffe wie Temazepam, Tramadol und Pseudoephedrin hatten jedoch nur einen geringen Einfluss auf die untersuchten E.-coli-Stämme. Durch die gleichzeitige Applikation von Ibuprofen und Paracetamol wurde die Mutationshäufigkeit nicht weiter erhöht.
Kein synergistischer Effekt beobachtet
Ein synergistischer Effekt blieb also aus. Allerdings vermittelten die so entstandenen Mutationen eine stärkere Antibiotikaresistenz als bei Einzelgabe der Analgetika. Die Autorinnen und Autoren der Studie folgern aus ihren In-vitro-Untersuchungen, dass die Kombination von Antibiotika mit anderen Arzneimitteln kritisch geprüft werden sollte – insbesondere im Rahmen komplexer Therapieregime, wie sie Personen in Pflegeeinrichtungen häufig verordnet werden.
Literatur
[1] Chen H, Sapula SA, Turnidge J et al. The effect of commonly used non-antibiotic medications on antimicrobial resistance development in Escherichia coli. NPJ Antimicrob Resist. 2025;3(1):73, doi: 10.1038/s44259-025-00144-w
[2] Rote-Hand-Brief vom Juni 2023: Systemisch und inhalativ angewendete fluorchinolonhaltige Antibiotika – Erinnerung an die Anwendungsbeschränkungen, www.abda.de