Bakterien für eine bessere Gesundheit?

Der Stand der Forschung zum gesundheitlichen bzw. therapeutischen Nutzen von oral verabreichten Bakterienpräparaten (Probiotika) – das muss man gleich vorweg nehmen – ist sehr heterogen. Zudem kann man nur von einer Momentaufnahme sprechen, denn es wird sehr viel zu diesem Thema geforscht.

Bakterien für die Magen-Darm-Gesundheit

Besonders intensiv ist die Forschung im Bereich der Magen-Darm-Gesundheit:

Colitis ulcerosa
Ende 2024 wurde ein Review zur Wirksamkeit und Sicherheit von Probiotika bei Colitis ulcerosa veröffentlicht (Wang et al. Eur J Nutr, doi: 10.1007/s00394-023-03307-5). Darin wurden 13 randomisierte, kontrollierte klinische Studien mit insgesamt 930 Patienten ausgewertet. Ergebnisse: Die Rate an unerwünschten Ereignissen unter der Anwendung von Probiotika unterschied sich nicht signifikant von der unter Placebo, was für die Sicherheit der Bakterienpräparate spricht. Bei einer aktiven Colitis ulcerosa erreichten Probiotika allerdings auch keine signifikant höhere Remissionsrate. Signifikant überlegen waren sie nur hinsichtlich der Rückfallquote. Eine Zusatztherapie mit Probiotika ist somit vor allem eine Empfehlung, wenn es darum geht, ein Wiederaufflammen der Colitis ulcerosa zu verhindern.

Reizdarm
Eine Leitlinien-Empfehlung haben Probiotika in der aktualisierten S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom erhalten (AWMF Reg.-Nr. 021 – 016). Sie werden darin als Behandlungsoption bei Symptomen wie Schmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung genannt. Die Empfehlung gilt allerdings nicht allgemein für Probiotika, sondern für ausgewählte Bakterienstämme, für die entsprechende Wirkungen in randomisierten, kontrollierten Studien gezeigt wurden. Dazu gehören u.a. Bifidobacterium infantis 35 624, Bifidobacterium longum NCC3001, Lactobacillus plantarum 299v, Lactobacillus gasseri CP2305 und Saccharomyces cerevisiae.

Weitere potenzielle Einsatzgebiete
Weitere mögliche gastrointestinale Indikationen für Probiotika sind u a.:

  • Prävention und Therapie von Durchfallerkrankungen infolge einer Antibiotikatherapie (Antibiotika-assoziierte Diarrhö, AAD). Studien deuten vor allem bei Kindern darauf hin, dass eine präventive Probiotika-Gabe das Risiko für AAD verringern kann.
  • Therapie einer intestinalen Fructoseintoleranz. Probiotische Milchsäurebakterien, die Fructose im Dünndarm aufnehmen und verstoffwechseln, sollten bei Betroffenen Symptome verhindern. Untersucht wurde dies allerdings nur präklinisch.
  • Prävention einer Pouchitis bei Patienten mit einem künstlichen Darmreservoir. Die American Gastroenterological Association empfiehlt die Anwendung von Probiotika bei wiederkehrenden Pouchitis-Episoden.

Probiotika – Vorsicht bei Immunsuppression

Kann man immunsupprimierten Patienten Probiotika empfehlen? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. In einer 2015 veröffentlichten Übersichtsarbeit (Stadlbauer-Köllner V. J Gastroenterol Hepatol Erkr 2015) heißt es dazu, dass es zur Sicherheit von Probiotika zur Infektionsprophylaxe nach Lebertransplantation und für Patienten mit Leberzirrhose gute Daten gibt, für weitere Organtransplantierte und nach Knochenmarktransplantation jedoch nur wenige Daten zur Wirksamkeit. Insgesamt überwiegen der Studie zufolge die Sicherheitsbedenken.

Probiotika nicht nur für Magen und Darm?

Auch für Krankheiten außerhalb von Magen und Darm gibt es Hinweise zu Einsatzmöglichkeiten für Probiotika:

Migräne
In einer 2024 veröffentlichten randomisierten, placebokontrollierten kleinen Studie (n=72) wurde über einen Zeitraum von 12 Wochen eine Kombination aus Vitamin D (50.000 IE alle 2 Wochen) und probiotischen Bakterienstämmen (L. plantarum, L. casei, L. acidophilus, L. bulgaricus, B. infantis, B. longum, B. breve und S. thermophilus) auf unterschiedliche Aspekte bei Migräne untersucht (Tirani SA et al. BMC Med, doi: 10.1186/s12916-024-03684-6). Sie führte bei den Patienten zu einer signifikanten Reduktion der Häufigkeit von Migräneattacken und deren Schweregrad.

Depression
Die Wirksamkeit eines Probiotikums mit L. acidophilus, B. bifidum, S. thermophilus sowie Magnesium und Coenzyzm Q10 wurde über acht Wochen bei Patienten (n=120) untersucht, die unter Depression litten (Strodl E et al. Sci Rep, doi: 10.1038/s41598-024-71093-z). Die Kombination führte in der placebokontrollierten Studie nach vier Wochen zu einem signifikant niedrigeren Rat an depressiven Episoden. Auch wurde nach vier Wochen eine signifikant stärkere Symptomreduktion beobachtet, die nach acht Wochen allerdings nicht mehr gesehen wurde.

In einer placebokontrollierten, doppelblinden Studie mit  insgesamt 49 erwachsenen Patienten mit schwerer Depression, wurde eine achtwöchige Therapie mit einem Probiotikum aus 14 Bakterienstämmen untersucht (Nikolova VL et al. JAMA Psychiatry, doi:10.1001/jamapsychiatry.2023.1817). Unter der Behandlung verbesserte sich der Schweregrad der Depression und verringerte sich die bei Depressionen häufig auftretende Angstsymptomatik.

Parkinson
Die Parkinson-Krankheit geht häufig mit Untergewicht bei den Patienten einher. In einer Studie wurden die Daten von 199 Parkinsonpatienten und 131 Gesunden auf Veränderungen im Darmmikrobiom untersucht (Shih L-C et al. Npj Parkinsons Dis). Es stellte sich heraus, dass zwischen Untergewicht und Veränderungen des Darmmikrobioms ein starker Zusammenhang besteht. Insbesondere war bei Betroffenen der Anteil an Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, im Darm verringert. Eine Supplementierung mit entsprechenden Bakterien könnte somit eine Option für untergewichtige Parkinson-Patienten sein.