Shilajit: Schwarzes Gold oder riskanter Trend?

Wurde bei Ihnen in der Apotheke schon einmal nach Shilajit gefragt? Dann sind Sie damit nicht allein. Denn das Nahrungsergänzungsmittel, das als Flüssigkeit, Pulver oder Kapseln im Handel ist, wird aktuell vermehrt in Online-Gesundheitsportalen und Social Media beworben.

„Schwarzes Gold des Himalayas“

Shilajit, das auch Mumijo genannt wird, ist eine blassbraune bis schwarze organische harzartige Substanz, die aus den Gesteinen und Felsen Zentralasiens, insbesondere im Himalaya, Altai und Kaukasus austritt [1, 2]. Entstanden ist Shilajit möglicherweise aus Pflanzenmaterial, das sich in Felsspalten und Rissen der Berge angesammelt und verdichtet hat und durch Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen im Laufe von Jahrtausenden fermentiert wurde. Die genaue chemische Zusammensetzung ist nicht bekannt. Sie variiert je nach Alter und Herkunft.

Mit 80% Gewichtsanteil sind Humin- und Fulvinsäuren die Hauptinhaltsstoffe. Sie entstehen vermutlich bei der Zersetzung der Pflanzen, und ihnen werden die entzündungshemmenden und zellschützenden Eigenschaften der Substanz zugeschrieben. Die übrigen 20% des Shilajit-Gewichts bestehen aus Mineral- und Spuren­elementen wie Eisen, Calcium, Kalium und Magnesium. Daneben sind auch Aminosäuren (hauptsächlich Glycin) und Proteine, Fettsäuren, bioaktive Verbindungen (z.B. Kaffeesäure) sowie Schwermetalle wie Chrom, Selen und Kobalt enthalten [3, 4].

In der traditionellen und modernen Medizin genutzt

In der ayurvedischen Medizin und der zentralasiatischen Volksmedizin wird Shilajit seit vielen Jahren zur Stärkung von Geist und Körper eingesetzt. Die Tagesdosis wird in der Regel vom Arzt festgelegt und variiert zwischen 300 mg und 500 mg Shilajit pro Tag [4]. Die Einnahme auf nüchternen Magen soll die Aufnahme erhöhen. Der Substanz werden verschiedene Wirkungen nachgesagt: Neben seinem antioxidativen und zellschützenden Effekt wird es in der ayurvedischen Medizin insbesondere für die Behandlung der männlichen Unfruchtbarkeit und als Aphrodisiakum eingesetzt [5].

Und tatsächlich konnte in einer randomisierten kontrollierten Studie gezeigt werden, dass unter der zweimal täglichen Gabe von 250 mg Shilajit über 90 Tage der Testosteron-Spiegel signifikant steigt. Die Studie ist jedoch knapp zehn Jahre alt und umfasste lediglich 96 gesunde Probanden im Alter zwischen 45 und 55 Jahren [6].

Antiinflammatorische Wirkung fraglich

Zudem verwendet die Ayurveda-Medizin Shilajit gegen entzündliche Erkrankungen, von Ekzemen bis hin zu Diabetes. Für die antientzündliche Wirkung wird vor allem die enthaltene Fulvinsäure verantwortlich gemacht. Im wissenschaftlichen Versuch zeigte sich Fulvinsäure jedoch sowohl anti- als auch proinflammatorisch [7]. Die nachgesagten antiviralen Effekte konnten lediglich in vitro in moderatem Maße nachgewiesen werden [8].

Möglicherweise könnte aber tatsächlich der Knochenstoffwechsel positiv beeinflusst werden. So zeigte sich in einer kleinen, doppelblinden randomisierten kontrollierten Studie, dass Shilajit bei 60 postmenopausalen Frauen im Alter von 45 bis 65 Jahren den Knochenverlust aufgrund von Osteoporose verlangsamen kann [9]. Auch als Anti-Aging-Mittel gegen kognitiven Verfall wird Shilajit beworben. In einem Zellversuch aus dem Jahr 2023 konnte eine zehntägige Anwendung die für Alzheimer
charakteristische Selbstaggregation von Tau-Proteinen verlangsamen [10]

Und was ist mit Nebenwirkungen?

Unter der Shilajit-Einnahme können die Kreatinin-Werte ansteigen. Daher sollten Patienten mit Nierenschäden oder Harnsäureüberschuss auf Shilajit verzichten. Aufgrund des hohen Eisen-Gehalts in Shilajit sollten auch Hämochromatose-Patienten, bei denen sich überschüssiges Eisen im Körper anlagert, Abstand von dem Nahrungsergänzungsmittel nehmen [1, 2].

Wegen der Testosteron-erhöhenden Wirkung ist es vorstellbar, dass Shilajit insbesondere bei Frauen ein hormonelles Ungleichgewicht auslösen könnte. Das kann sich in Form von Akne, einer unregelmäßigen Periode oder Haarausfall äußern [5]. In einer Fallstudie wurde zudem von Pseudohyperaldosteronismus unter Shilajit bei einer Schwangeren berichtet [11]. Bei der schwerwiegenden Komplikation kommt es zu Hypertonie, einem niedrigen Kalium-Spiegel und metabolischer Alkalose.

Achtung Schwermetalle

Generell sollten Schwangere aufgrund der enthaltenen Schwermetalle Shilajit nur nach ärztlicher Rücks­prache konsumieren. Zudem weist die Verbraucherzentrale darauf hin, dass gerade in ayurvedischen Produkten immer wieder über die Grenzwerte hinausgehende Gehalte an giftigen Schwermetallen enthalten sind. Neben ihrem kanzerogenen Potenzial können sich Schwermetalle in Knochen, Leber und Nieren ablagern und dort wichtige Mineralstoffe verdrängen.

Folgen können Stoffwechselstörungen in Form von chronischen Entzündungen, Bluthochdruck, Nierenschäden, oxidativem Stress oder Störungen des Fettstoffwechsels sein. Sollten unter der Einnahme von Shilajit Symptome wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder körperliche Schwäche auftreten, kann das ein Zeichen einer Schwermetallvergiftung sein. In diesem Fall rät die Verbraucherzentrale zum sofortigen Stopp der Einnahme und zum Arzt­besuch. Beim Kauf sollte der Kunde darauf achten, dass die Produkte Hinweise wie „heavy metal controlled“ oder die im Qualitäts­management verbreitete Norm ISO 9001 tragen [12]. 

Ein komplexes Naturprodukt

Zwar werden die Begriffe Mumijo oder Shilajit sehr häufig synonym verwendet, unterscheiden sich jedoch laut einigen Publikationen in ihrer Herkunft und Zusammen­setzung. Weitere Namen, unter denen der teerartige Stoff bekannt ist, sind:

  • Mumijo, Mumie (Russland)
  • Saljit, Shilajit, Salajit, Mimie, Mummiyo (Indien)
  • Kao-Tun (Birma)
  • Arakul Dshabal (Kirgisistan)
  • Barachgschin (Altaigebirge)
  • Brogschaun (Mongolei)
  • Arakul dshibal (Iran, Kasachstan, Usbekistan)

Der Ursprung des Wortes „Mumijo“ soll auf das Griechische zurück­gehen und bedeuten „den Körper retten“. Ob die Substanz ausschließlich pflanzlichen Ursprungs ist oder auch tierische Stoffe enthält, ist bisher nicht abschließend geklärt. Der hohe Anteil an Fulvinsäure lässt einige Forscher darauf schließen, dass Shilajit durch Zersetzung von Pflanzenmaterial von Arten wie Euphorbia royleana und Trifolium repens entsteht.

In den derzeit auf dem Markt befindlichen Produkten wird vor allem das Shilajit aus dem Himalaya-Gebirge angepriesen. Es soll einen sehr hohen Fulvinsäure-Anteil besitzen und reiner als andere Sorten sein. Der Begriff Mumijo kann sowohl Shilajit aus dem Himalaya-Gebirge als auch Substanzen anderer Regionen umfassen [13, 14].

Literatur

[1] Karrasch J. Shilajit: Was ist das? Wirkung und Anwendung des Mineralharzes. Meldung von Focus Online, 14. Januar 2025
[2] Schütze S. Shilajit – was das angebliche Wundermittel wirklich taugt. Meldung des SWR vom 18. Juli 2025
[3] Kamgar E, Kaykhaii M, Zembrzuska S. A Comprehensive Review on Shilajit: What We Know about Its Chemical CompositionCrit Rev Anal Chem 2025;55(3):461-473. doi: 10.1080/10408347.2023.2293963
[4] Shilajit: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen des schwarzen Goldes, https://kaleandme.de/blogs/news/shilajit?srsltid=AfmBOoq7_T3pkJxN6sivEm7oKih2LkCKqgAvlCs1HxH8ChROoTjtWXIH, 6. Juni 2025
[5] A Quick Introduction to Shilajit. Informationen der Cleveland Clinic, https://health.clevelandclinic.org/shilajit-benefits, Stand: 11. März 2025
[6] Pandit S et al. Clinical evaluation of purified Shilajit on testosterone levels in healthy volunteers. Andrologia 2015, https://doi.org/10.1111/and.12482

[7] Winkler J, Ghosh S. Therapeutic Potential of Fulvic Acid in Chronic Inflammatory Diseases and Diabetes. J Diabetes Res 2018 Sep 10;2018:5391014. doi: 10.1155/2018/5391014
[8] Cagno V et al. In vitro evaluation of the antiviral properties of Shilajit and investigation of its mechanisms of action. J Ethnopharmacol 2015:166:129-34, doi: 10.1016/j.jep.2015.03.019
[9] Pingali U et al. Shilajit extract reduces oxidative stress, inflammation, and bone loss to dose-dependently preserve bone mineral density in postmenopausal women with osteopenia: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Phytomedicine 2022:105:154334.doi: 10.1016/j.phymed.2022.154334
[10] Andrade V et al. Scaling the Andean Shilajit: A Novel Neuroprotective Agent for Alzheimer’s Disease. Pharmaceuticals (Basel) 2023;16(7):960. doi: 10.3390/ph16070960
[11] Stavropoulos K et al. Pseudohyperaldosteronism due to mumijo consumption during pregnancy: a licorice-like syndrome. Gynecological Endocrinology 2018, https://doi.org/10.1080/09513590.2018.1480713
[12] Schwer gefährlich: Giftige Schwermetalle. Informationen der Verbraucherzentrale, www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/schwer-gefaehrlich-giftige-schwermetalle-13363, Stand: 27. Mai 2024
[13] Aiello A, Fattorusso E, Menna M et al. Mumijo traditional medicine: fossil deposits from antarctica (chemical composition and beneficial bioactivity). Evid Based Complement Alternat Med. 2011;2011:738131. doi: 10.1093/ecam/nen072. Epub 2010 Sep 15. PMID: 18996940; PMCID: PMC3139983
[14] Carrasco-Gallardo C, Guzmán L, Maccioni RB. Shilajit: a natural phytocomplex with potential procognitive activity. Int J Alzheimers Dis. 2012;2012:674142, doi: 10.1155/2012/674142, Epub 2012 Feb 23. PMID: 22482077; PMCID: PMC3296184