Brustkrebspatientinnen intensiv informieren und begleiten
Mit der Markteinführung von Tamoxifen 1973 in Großbritannien und 1976 in Europa begann die Ära der oralen Therapien des Mammakarzinoms. Zwar gab es bereits zuvor oral eingesetzte Zytostatika, wie Methotrexat (MTX) und Cyclophosphamid im Rahmen des CMF-Regimes, diese spielen heute jedoch nur noch eine marginale Rolle. Mit der Verlagerung der Tumortherapie in ambulante Bereiche wächst auch der Anteil der Oralia, die in der Apotheke abgegeben werden. Gleichzeitig steigt auch der Beratungsbedarf, sodass Grundkenntnisse über die eingesetzten Präparate zum Instrumentarium des abgebenden Apothekers gehören. Wann welche Oralia eingesetzt werden, hängt von mehreren Faktoren ab. So etwa von der Krankheitsphase (adjuvant, neoadjuvant, fortgeschritten, metastasiert), wobei einzelne Wirkstoffe sowohl im adjuvanten als auch im metastasierten Stadium verwendet werden. Weitere Faktoren, von denen eine Therapieentscheidung abhängt, sind der Menopausen-, Hormon-, HER2- und Mutationsstatus, das Rezidivrisiko, Vortherapien, Grunderkrankungen, individuelle Faktoren und der Zulassungsstatus.
| Tab.: Oralia beim Mammakarzinom | ||
| Wirkstoffgruppe | Wirkstoff | Präparate |
| selektiver Estrogenrezeptor- Modulator (SERM) |
Tamoxifen | Nolvadex®, Generika |
| Aromatase- Hemmer |
Anastrozol | Arimidex®, Generika |
| Exemestan | Aromasin®, Generika | |
| Letrozol | Femara®, Generika | |
| CDK4/6- Inhibitoren |
Abemaciclib | Verzenios® |
| Ribociclib | Kisqali® | |
| Palbociclib | Ibrance® | |
| PARP-Inhibitoren | Olaparib | Lynparza® |
| Talazoparib | Talzenna® | |
| selektive Estrogenrezeptor- Degrader (SERD) |
Elacestrant | Orserdu® |
| PI3K-Inhibitoren | Alpelisib | Piqray® wurde vom Hersteller 2021 zur Behandlung des Mammakarzinoms vom deutschen Markt genommen, ist aber in der EU zugelassen |
| Inavolisib | ItovebiTM besitzt eine FDA- Zulassung |
|
| AKT-Inhibitoren | Capivasertib | Truqap® |
| Tyrosinkinase- Inhibitoren |
Neratinib | Nerlynx® |
| Tucatinib | Tukysa® | |
| Lapatinib | Tyverb® | |
| klassische Zytostatika |
Capecitabin | Xeloda®, Generika |
| Methotrexat | Generika | |
| Cyclophosphamid | Endoxan® | |
| Vinorelbin | Navelbine® | |
Häufig endokrine Wirkstoffe
Die Mehrzahl der Oralia zur Therapie des Mammakarzinoms wirkt endokrin und wird bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren eingesetzt (s. Tab.). Am häufigsten werden Aromatase-Hemmer, Tamoxifen und Inhibitoren der Cyclin Dependent Kinase 4 (CDK4-Inhibitoren) verordnet. Die endokrine Therapie folgt einem Grundschema mit zahlreichen Variationsmöglichkeiten. Grundsätzlich gilt:
- Die adjuvante endokrine Therapie wird in die initiale Therapie (1 bis 5 Jahre) und die erweiterte adjuvante Therapie (6 bis 10 Jahre und darüber hinaus) eingeteilt.
- Die Standard-Therapiedauer der adjuvanten Therapie beträgt fünf Jahre.
- Die erweiterte Therapiedauer wird nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung festgelegt.
- Anwendungsdauer, Wahl und Sequenz der Therapeutika hängen vom Menopausenstatus, der Verträglichkeit und dem Rückfallrisiko ab.
- Der Wechsel auf eine andere endokrine Therapie (Tamoxifen oder Aromatase-Hemmer) oder Tamoxifen in geringer Dosis ist besser, als die Therapie zu stoppen.
- Bei lobulären Karzinomen und/oder erhöhtem Rückfallrisiko wird mit Aromatase-Hemmern begonnen [1].
Die Klassiker: Tamoxifen und Aromatase-Hemmer
Der selektive Estrogenrezeptor-Modulator (SERM) Tamoxifen wird prä- und menopausal in der adjuvanten und metastasierten Situation eingesetzt. Typische Nebenwirkungen sind Wechseljahresbeschwerden (z. B. Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Gliederschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme), Thrombosen und Embolien (besonders nach vorherigen Thrombosen). Das Risiko für ein Endometriumkarzinom ist gering erhöht. Eventuell verschlechtert sich die Sehkraft [2].
Die Aromatase-Hemmer Anastrozol, Exemestan und Letrozol werden post- und prämenopausal (dann nur in Kombination mit einer Blockade der Eierstockfunktion durch GnRH-Analoga) im adjuvanten und metastasierten Krankheitsstadium eingesetzt. In der metastasierten Situation wird ein Aromatase-Hemmer mit einem CDK4/6-Inhibitor kombiniert. Charakteristische Nebenwirkungen sind Wechseljahresbeschwerden, Gelenkschmerzen („Anlaufschmerzen“), seltener Muskel- und Gliederschmerzen, Osteopenie/Osteoporose sowie ein erhöhtes Frakturrisiko aufgrund der Abnahme des endogenen Estrogen-Plasmaspiegels. Daher wird vor und während der Therapie mit Aromatase-Hemmern die zweijährliche Messung der Knochendichte durch eine radiologische Untersuchung (z. B. DXA-Scan) empfohlen. Bei Vorliegen einer Osteoporose können Bisphosphonate eingesetzt werden. Die Aromatase-Hemmer Anastrozol, Exemestan und Letrozol werden post- und prämenopausal (dann nur in Kombination mit einer Blockade der Eierstockfunktion durch GnRH-Analoga) im adjuvanten und metastasierten Krankheitsstadium eingesetzt. In der metastasierten Situation wird ein Aromatase-Hemmer mit einem CDK4/6-Inhibitor kombiniert. Charakteristische Nebenwirkungen sind Wechseljahresbeschwerden, Gelenkschmerzen („Anlaufschmerzen“), seltener Muskel- und Gliederschmerzen, Osteopenie/Osteoporose sowie ein erhöhtes Frakturrisiko aufgrund der Abnahme des endogenen Estrogen-Plasmaspiegels. Daher wird vor und während der Therapie mit Aromatase-Hemmern die zweijährliche Messung der Knochendichte durch eine radiologische Untersuchung (z. B. DXA-Scan) empfohlen. Bei Vorliegen einer Osteoporose können Bisphosphonate eingesetzt werden.
Neuer Standard: CDK4/6-Inhibitoren
Molekulare Untersuchungen zur endokrinen Resistenz haben gezeigt, dass bestimmte Signalwege in resistenten Tumorzellen aktiviert sind. Dies führte zur Entwicklung von Inhibitoren der Zellzykluskinasen (CDK4/6-Inhibitoren) und legte den Grundstein zur endokrinen Kombinationstherapie mit Aromatase-Hemmern und Fulvestrant oder einem PIK3K-Inhibitor. CDK4/6-Inhibitoren werden im adjuvanten und fortgeschrittenen Krankheitsstadium je nach Zulassungsstatus eingesetzt. Die drei zugelassenen Wirkstoffe – Abemaciclib, Palbociclib und Ribociclib – haben leicht unterschiedliche Nebenwirkungsprofile und führen zu ähnlichen Therapieerfolgen. Sie werden in Kombination mit einem Aromatase-Inhibitor oder Fulvestrant, bei prä- oder perimenopausalen Frauen mit einem GnRH-Agonisten gegeben. Vor allem unter Abemaciclib tritt häufig eine Diarrhö auf, besonders im ersten Behandlungszyklus. Über diese Nebenwirkung und deren Behandlung mit Loperamid sollten die Patientinnen aufgeklärt werden. Auf eine ausreichende Trinkmenge von Mineralwasser, Tee oder isotonen Getränken muss unbedingt geachtet werden [5].
Zielgerichtet bei Genmutationen
Weitere Oralia werden als Folgetherapien (Zweitlinie und höher) beim Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen metastasierten Mammakarzinom eingesetzt. Ihnen ist gemein, dass eine therapierelevante Mutation vorliegen muss. Derzeit stehen folgende Wirkstoffgruppen zur Verfügung:
- PARP-Inhibitoren bei erblicher BRCA1/2-Genveränderung; Olaparib, Talazoparib
- selektive Estrogenrezeptor-Degrader (SERD) bei Veränderungen im Estrogenrezeptor-1-Gen (ESR1-mutiert); Elacestrant
- PI3K-Inhibitoren bei Gain-of-Function-Mutationen der katalytischen alpha-Untereinheit der Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K-α); Alpelisib, Inavolisib
- AKT-Inhibitoren bei genetischen Veränderungen im Tumor von PIK3CA, AKT1 oder PTEN (unterschiedliche Gene); Capivasertib [1].
Tyrosinkinase-Inhibitoren bei HER2-positiven Tumoren
Einige Tyrosinkinase-Inhibitoren werden beim HER2-positiven Mammakarzinom in der erweiterten Adjuvans oder im fortgeschrittenen Stadium mit oder ohne Kombinationspartner eingesetzt. Darunter fallen Neratinib, Tucatinib und Lapatinib.
Selten oral: klassische Zytostatika
Unter den klassischen Zytostatika, die oral zur Therapie des Mammakarzinoms eingenommen werden, spielt Unter den klassischen Zytostatika, die oral zur Therapie des Mammakarzinoms eingenommen werden, spielt Capecitabin die größte Rolle. Andere Oralia wie etwa MTX, Cyclophosphamid oder Vinorelbin werden selten verordnet.
Es besteht eine lebensgefährliche Interaktion zwischen Capecitabin und Brivudin. Nach dem Ende einer Behandlung mit Brivudin muss mindestens vier Wochen gewartet werden, bevor die Therapie mit Capecitabin begonnen werden darf.
Wirkmechanismen
- PARP-Inhibitoren hemmen die Poly(ADP-ribose)-Polymerasen (PARP). Sie verhindern dadurch die
- Reparatur von DNA-Schäden in Tumorzellen im
- Rahmen einer Chemotherapie. PARP-Inhibitoren werden primär als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie eingesetzt.
- SERD: Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium kann es zu spontanen Mutationen im Estrogenrezeptor-1-Gen (ESR1-Mutationen) kommen. Selektive Estrogenrezeptor-Degrader (SERD) binden und hemmen den Estrogen-Rezeptor und verringern die Rezeptordichte in der Zellmembran [6].
- PI3K-Inhibitoren: Der PI3K-Signalweg nimmt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Krebserkrankungen ein. Er reguliert zahlreiche zelluläre Prozesse wie Zellüberleben, Proliferation, Zellzyklus, Metabolismus, Gentranskription und Zellmigration. Werden aufgrund von Mutationen unkontrollierte Wachstumssignale in der Zelle weitergegeben und wird PI3K daraufhin beständig aktiviert, entartet die Zelle. Bei etwa 40 bis 50% der Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Brustkrebspatientinnen im fortgeschrittenen oder metastasierten Tumorstadium sind PIK3CA-Mutationen nachweisbar [7].
- AKT-Inhibitoren hemmen selektiv die Aktivität der Serin/Threonin-Kinase-AKT. Diese ist wiederum ein zentraler Bestandteil der PI3K-Signalkaskade. Der PI3K/AKT/PTEN-Signalweg kann durch verschiedene genetische Alterationen überaktiviert werden. Eine oder mehrere solcher Mutationen liegen bei etwa der Hälfte der Patientinnen mit Estrogenrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs vor [8].
Literatur
[1] Empfehlungen gynäkologische Onkologie Kommission Mamma. www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma, Abruf 2. Januar 2025
[2] Beltran-Bless AA et al. Does the Time of Day at Which Endocrine Therapy Is Taken Affect Breast Cancer Patient Outcomes? Curr Oncol. 2021;28(4):2523-2528, doi:10.3390/curroncol28040229
[3] Hershman et al. Effect of Acupuncture vs Sham Acupuncture or Waitlist Control on Joint Pain Related to Aromatase Inhibitors Among Women With Early-Stage Breast Cancer: A Randomized Clinical Trial. JAMA 2018;320(2):167-176, doi: 10.1001/jama.2018.8907
[4] Hitzewallungen & Co: Wechseljahresbeschwerden bei Krebs. Internet-Redaktion des Krebsinformationsdienstes. Stand: Juni 2023, www.krebsinformationsdienst.de/nebenwirkungen-bei-krebs/wechseljahresbeschwerden
[5] Stefan A et al. Supportivtherapie bei Brustkrebs. gynäkologie + geburtshilfe 2023; 28 (3)
[6] Razavi P et al. The genomic landscape of endocrine-resistant advanced breast cancers. Cancer Cell 2018;34:427-438 e6, DOI: 10.1016/j.ccell.2018.08.008
[7] Turner NC et al. Inavolisib-Based Therapy in PIK3CA-Mutated Advanced Breast Cancer. N Engl J Med 2024;391(17):1584-1596. doi: 10.1056/NEJMoa2404625
[8] Capivasertib. DocCheck Flexicon Artikel von Phillip Kremer et al. Stand: November 2024, https://flexikon.doccheck.com/de/Capivasertib