Verleiten PCSK9-Hemmer dazu, eine Statin-Therapie abzubrechen?
Monoklonale PCSK9-Antikörper wie Alirocumab (Praluent®) und Evolocumab (Repatha®) werden bei primärer Hypercholesterolämie und atherosklerotischen Erkrankungen eingesetzt. Sie werden mit Statinen kombiniert, wenn die Low-density-lipoprotein(LDL)-Zielwerte mit der maximal verträglichen Statindosis nicht erreicht werden. Andererseits können PCSK9-Hemmer auch in Monotherapie oder in Kombination mit anderen Lipidsenkern eingesetzt werden, wenn eine Statinintoleranz besteht oder Statine kontraindiziert sind.
In einer aktuellen Studie wurde untersucht, inwieweit nach Beginn einer PCSK9-Therapie Patienten ihre begleitende orale lipidsenkende Therapie unterbrachen. Die Ergebnisse sind im European Heart Journal erschienen. Insgesamt wurden 4784 Patienten erfasst, die eine Therapie mit PCSK9-Antikörpern begannen. Das Durchschnittsalter lag bei 63 Jahren, 61% hatten eine atherosklerotische Erkrankung und 34% eine familiäre Hypercholesterinämie. Die Daten wurden zwischen 2015 und 2023 aus dem norwegischen Arzneimittelregister erhoben.
Eine Statin- bzw. Ezetimib-Abgabe im Arzneimittelregister im Jahr vor Beginn der PCSK9-Therapie und keine Abgabe im Jahr nach Beginn der PCSK9-Therapie wurde als Unterbrechung der Therapie gewertet.
55% der Patienten (n = 1224), die eine PCSK9-Therapie begonnen hatten, brachen die Statin-Therapie ab und 41% (n = 819) brachen die Ezetimib-Therapie ab. Weitere 514 Patienten unterbrachen sowohl die Statin- als auch die Ezetimib-Einnahme.
Patienten mit atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung (ASCVD) hatten signifikant höhere Abbruchraten im Vergleich zu Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie (FH): Statin-Abbruch 71% für ASCVD vs. 36 % für FH, p < 0,001. Weiterhin waren drei oder mehr Statine in der Medikationshistorie und ein höheres Alter mit einer höheren Abbruchrate der oralen lipidsenkenden Therapie assoziiert.
Die Studienautoren schlussfolgern, dass besonders bei Hochrisiko-Patienten mit atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung ein großes Potenzial zur Verbesserung der Adhärenz bezüglich der oralen lipidsenkenden Therapie besteht, wenn eine PCSK9-Therapie begonnen wird.
Pharmakologie Update
PCSK9-Antikörper binden das von Leberzellen freigesetzte Enzym Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9). Dadurch bindet PCSK9 vermindert an LDL-Rezeptoren und diese werden weniger abgebaut. So stehen mehr LDL-Rezeptoren an der Hepatozytenoberfläche zur Verfügung, um überschüssiges LDL aus dem Blut zu entfernen.
Literatur
Engebretsen I, Ødegaard KM, Halvorsen et al. Treatment with PCSK9 monoclonal antibodies is associated with discontinuation of oral lipid lowering therapy. European Heart Journal – Quality of Care and Clinical Outcomes 2024, doi: https://doi.org/10.1093/ehjqcco/qcae099
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler. Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart