Fetcroja®

Cefiderocol

15.01.2021


Cephalosporin-Antibiotikum
Zur Behandlung von Infektionen durch aerobe gramnegative Erreger, für die nur (noch) begrenzte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, kann ab sofort der Wirkstoff Cefiderocol (Fetcroja®) eingesetzt werden. Das Cephalosporin-Antibiotikum mit besonderem Wirkmechanismus wird ausschließlich intravenös appliziert und ist beispielsweise für die Behandlung von schweren Harnwegsinfektionen oder nosokomialen Pneumonien erprobt.

Cefiderocol 

ATC-Code

J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung


J01: Antibiotika zur systemischen Anwendung


J01D: Andere Beta-Lactam-Antibiotika


J01DI: Andere Cephalosporine und Peneme


J01DI04: Cefiderocol


Wirkungsmechanismus

Die bakterizide Wirkung von Cefiderocol beruht wie bei allen Cephalosporin- bzw. -Lactam-Antibiotika auf einer Bindung an Penicillin-bindende Proteine (PBP). Als Folge kommt es zu einer Hemmung der Peptidoglycan-Synthese in der bakteriellen Zellwand und damit zum Zelltod. Anders als herkömmliche Substanzen ist Cefiderocol jedoch ein sogenanntes Siderophor-Cephalosporin. Siderophore sind Eisen-bindende Verbindungen. Sie werden in der Natur von Bakterien, Pilzen und Pflanzenwurzeln gebildet und in das umgebende Medium ausgeschieden. Hier findet eine Bildung von Komplexen mit extrazellulär vorliegenden, dreiwertigen Eisen-Ionen statt, die nun mittels spezifischer Transportsysteme zusammen mit den Siderophoren wieder in die Zellen der Produzenten aufgenommen werden. Diesen Mechanismus macht sich auch Cefiderocol zunutze. Es gelangt nicht nur im Rahmen der passiven Diffusion durch Porinkanäle der äußeren Bakterien-Membran zum Wirkort, sondern bindet auch über seinen Chlorcatechol-Substituenten an extrazelluläres freies Eisen. Im Anschluss erfolgt ein aktiver Transport über das Eisen-Siderophor-Aufnahmesystem in den periplasmatischen Raum, was zu einer verstärkten Wirkung gegen gramnegative Bakterien führen soll. Gegen grampositive oder anaerobe Bakterien besitzt Cefiderocol nur eine geringe bis gar keine Wirkung. Cefiderocol-Resistenzen beruhen meist auf modifizierten PBP, der Bildung von hydrolysierenden -Lactamasen, Mutationen mit Einfluss auf die Regulierung der Eisen-Aufnahme durch die Bakterien, Mutationen von Siderophor-Transportproteinen sowie auf der Überexpression von nativen bakteriellen Siderophoren. Der Einsatz von Cefiderocol wurde in erster Linie für die Behandlung von komplizierten Harnwegsinfektionen, nosokomialen und/oder beatmungsassoziierten Pneumonien, Sepsis und Bakteriämien geprüft.

Pharmakokinetik

Resorption: Das Cephalosporin wird intravenös appliziert, daher beträgt die Bioverfügbarkeit 100%. Bei Mehrfachgabe alle acht Stunden an gesunde Probanden mit normaler Nierenfunktion wurde keine Akkumulation beobachtet.


Proteinbindung, Verteilung: Die Plasmaproteinbindung von Cefiderocol beträgt 40 bis 60%. Sie erfolgt hauptsächlich an Albumin. Das Verteilungsvolumen wird mit etwa 18 Litern angegeben.


Metabolismus: Cefiderocol unterliegt einer nur geringfügigen Biotransformation. Etwa 4,7% der Dosis werden in Form des Hauptmetaboliten Pyrrolidin-Chlorbenzamid wiedergefunden.


Exkretion: Die Ausscheidung des Cephalosporins erfolgt zu mehr als 98% renal, 91% erscheinen in Form der Muttersubstanz. Die terminale Eliminationshalbwertszeit liegt im Bereich von zwei bis drei Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Patienten mit normaler Nierenfunktion erhalten alle acht Stunden 2 g Cefiderocol. Die intravenöse Applikation erfolgt über einen Zeitraum von etwa drei Stunden. Bei mäßiger oder schwerer Niereninsuffizienz empfiehlt sich eine Dosisreduktion auf 1,5 g bzw. 1 g alle acht Stunden. Für Patienten mit terminaler Nierenfunktion oder intermittierender Hämodialyse liegt die Richtdosis bei 0,75 g alle zwölf Stunden. Bei erhöhter renaler Clearance werden alle sechs Stunden 2 g gegeben. Die Behandlungsdauer richtet sich dabei nach der Lokalisation der Infektion. Für Patienten mit Leberfunktionsstörung oder bei Älteren ist keine Dosisanpassung erforderlich. Sicherheit und Wirksamkeit für den Einsatz von Cefiderocol bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind noch nicht erwiesen. Wegen der praktisch fehlenden Wirkung gegen die meisten grampositiven und anaeroben Erreger sollten beim Vorliegen von Mischinfektionen geeignete Antibiotika in Kombination mit Cefiderocol zur Anwendung kommen.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Cefiderocol oder andere Cephalosporine sowie bei schwerer Überempfindlichkeit gegen andere -Lactam-Antibiotika wie Penicilline, Monobactame oder Carbapeneme besteht eine Kontraindikation.

Unerwünschte Wirkungen

Nach Anwendung von Cefiderocol kommt es häufig zu Candida-albicans- und Clostridioides-difficile-Infektionen einschließlich (pseudomembranöser) Kolitis sowie zu Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Husten, makulösen, makulopapulösen und erythematösen Hautausschlägen, Medikamentenausschlägen, Reaktionen an der Infusionsstelle mit Schmerzen, Erythemen und Phlebitis sowie zu erhöhten Leberenzym-Werten und abweichender Leberfunktion. Gelegentlich muss mit Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautreaktionen und Pruritus gerechnet werden.

Wechselwirkungen

Als potenzieller Induktor von CYP3A4 kann Cefiderocol die Metabolisierung von gleichzeitig angewendeten entsprechenden Substraten beschleunigen. Insbesondere bei Substanzen mit geringer therapeutischer Breite muss mit einem Wirkverlust gerechnet werden. Es empfiehlt sich eine entsprechende Überwachung. Die in vitro beobachtete CYP3A4-Induktion wird durch den Pregnan-X-Rezeptor (PXR) im Zellkern vermittelt. Daher könnten auch andere durch PXR induzierbare Enzyme wie CYP2C und Transporter wie P-Glycoprotein (P-gp) von diesem Effekt betroffen sein. Bis zur Klärung der klinischen Relevanz dieses Sachverhaltes ist bei der kombinierten Anwendung von CYP2C- und P-gp-Substraten mit Cefiderocol besondere Vorsicht geboten.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Vor Einleitung einer Cefiderocol-Therapie sollte sorgfältig abgeklärt werden, ob in der Vergangenheit Überempfindlichkeitsreaktionen gegen -Lactam-Antibiotika wie Carbapeneme, Penicilline oder andere Cephalosporine aufgetreten sind. Aufgrund einer möglichen Kreuzallergie besteht die Gefahr von schweren allergischen Reaktionen. Während der Behandlung ist eine regelmäßige Überwachung der Nierenfunktion angeraten. Durch Cefiderocol können mitunter tödlich verlaufende Clostridioides-difficile-assoziierte Diarrhöen und Kolitiden ausgelöst werden. Die Betroffenen sind symptomorientiert zu behandeln, allerdings dürfen keine Peristaltik-Hemmer wie Loperamid eingesetzt werden.


Gegebenenfalls sollte eine Beendigung der Cefiderocol-Therapie erwogen werden. Während der antibiotischen Behandlung sind Überbesiedlungen mit unempfindlichen Erregern möglich. Auch hier können eine Beendigung der Cefiderocol-Applikation und eine geeignete Behandlung notwendig sein. Cephalosporine sind mit dem Auftreten von Krampfanfällen assoziiert. Falls sich während der Therapie Symptome wie fokaler Tremor, Myoklonus oder Krampfanfälle entwickeln, sollte eine antikonvulsive Behandlung eingeleitet werden. Möglicherweise muss bei einer Cefiderocol-Therapie von Schwerstkranken und Infektion mit Carbapenem-resistenten gramnegativen Bakterien mit einer erhöhten Sterblichkeit gerechnet werden. Derzeit wird ein Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Acinetobacter-spp.-Infektion vermutet. Cefiderocol kann zu falsch-positiven Ergebnissen bei Urinstreifentests auf Proteine, Ketone oder okkultes Blut im Urin sowie bei direkten oder indirekten Coombs-Tests zum Nachweis von Antikörpern gegen Erythrozyten führen. Im Zweifel sind alternative Testmethoden angeraten. Bei Patienten mit Natrium-kontrollierter Diät ist zu beachten, dass jede Durchstechflasche mit 1 g Cefiderocol 7,64 mmol, entsprechend etwa 176 mg, Natrium-Ionen enthält.

Schwangerschaft und Stillzeit

Wegen der mit weniger als 300 Schwangerschaftsausgängen bislang nur sehr begrenzten Erfahrung zur Anwendung von Cefiderocol sollte der Einsatz des neuen Wirkstoffs während der Schwangerschaft zunächst vermieden werden. Tierexperimentelle Studien ergaben allerdings keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf Reproduktionstoxizität. Es ist nicht bekannt, ob Cefiderocol oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Wegen der Gefahr von Sensibilisierungen und Sprosspilzbesiedlungen beim Säugling muss eine Entscheidung getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die antibiotische Behandlung mit dem Cephalosporin verzichtet werden soll.

Handelspräparat Fetcroja® 

Hersteller

Shionogi GmbH, Berlin

Einführungsdatum

15. Januar 2021

Zusammensetzung

1 g Cefiderocol als Cefiderocolhemisulfattosilat

Sonstige Bestandteile

Sucrose, Natriumchlorid, Natriumhydroxid (zur pH-Wert-Einstellung)

Packungsgrößen, Preise, PZN

10 Durchstechflaschen mit Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Preis noch nicht mitgeteilt (nur Krankenhaus versorgende Apotheken), PZN 16325862

Indikation

Infektionen durch aerobe gramnegative Erreger bei Erwachsenen, wenn nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen

Dosierung

Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion werden alle acht Stunden 2 g Cefiderocol infundiert. Die Behandlungsdauer richtet sich nach der Lokalisation der Infektion.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Cefiderocol oder andere Cephalosporin-Antibiotika; schwere Überempfindlichkeit (z.B. anaphylaktische Reaktionen oder schwere Hautreaktionen) gegen andere -Lactam-Antibiotika (z.B. Penicilline, Monobactame oder Carbapeneme)

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö (8,2%), Erbrechen (3,6%), Übelkeit (3,3%) und Husten (2%).

Wechselwirkungen

Cefiderocol induziert zumindest in vitro CYP3A4. Daher kann die Metabolisierung von gleichzeitig angewendeten CYP3A4-Substraten zu- und die systemischen Konzentrationen dieser Arzneimittel abnehmen. Auch bei Anwendung von Cefiderocol zusammen mit Substraten der CYP2C-Familie oder des Transporters P-gp ist Vorsicht geboten.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Die Anwendung von Cefiderocol ist mit Überempfindlichkeitsreaktionen, Krampfanfällen und Clostridioides-difficile-assoziierten Diarrhöen bzw. Kolitiden verbunden. Während der Behandlung sollte eine regelmäßige Überwachung der Nierenfunktion stattfinden.

Literatur

[1] Fachinformation zu Fetcroja®, Stand April 2020


[2] Portsmouth S, van Veenhuyzen D, Echols R, Machida M et al. Cefiderocol versus imipenem-cilastatin for the treatment of complicated urinary tract infections caused by Gram-negative uropathogens: a phase 2, randomised, double-blind, non-inferiority trial. Lancet Infect Dis 2018;18(12):1319-1328


[3] Bassetti M, Echols R, Matsunaga Y, Ariyasu M et al. Efficacy and safety of cefiderocol or best available therapy for the treatment of serious infections caused by carbapenem-resistant Gram-negative bacteria (CREDIBLE-CR): a randomised, open-label, multicentre, pathogen-focused, descriptive, phase 3 trial. Lancet Infect Dis 2021;21(2):226-240


[4] EPAR summary for the public. Fetcroja® Cefiderocol. EMA/115665/2020; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2021-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

04/2021

Apothekerin Dr. Monika Neubeck