Carglumsäure
Carglumsäure
ATC-Code
A: Alimentäres System und Stoffwechsel
A16: Andere Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel
A16A: Andere Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel
A16AA: Aminosäuren und Derivate
A16AA05: Carglumsäure
Wirkungsmechanismus
Carglumsäure ist ein strukturelles Analogon von N-Acetylglutamat, welches der natürlich vorkommende Aktivator der Carbamoylphosphat-Synthetase, dem ersten Enzym des Harnstoffzyklus, ist.
Bei Patienten mit einem N-Acetylglutamatsynthase-Mangel bewirkt die Carglumsäure eine schnelle Normalisierung des Ammoniakgehaltes im Plasma, meistens innerhalb von 24 Stunden.
Wenn die Behandlung vor einer dauerhaften Hirnschädigung eingeleitet wurde, kam es bei den Patienten zu einem normalen Wachstum und einer normalen psychomotorischen Entwicklung.
Trotz einer geringeren Affinität der Carbamoylphosphatsynthetase zu Carglumsäure als zu N-Acetylglutamat wurde für Carglumsäure in vitro und in vivo gezeigt, dass sie die Carbamoylphosphatsynthetase stimuliert und bei Versuchen mit Ratten viel wirkungsvoller als N-Acetylglutamat gegen Ammoniak-Intoxikation schützt.
Das könnte daran liegen, dass die Mitochondrienmembran für Carglumsäure leichter permeabel ist als für N-Acetylglutamat. Außerdem ist Carglumsäure gegenüber Hydrolyse durch Aminoacyclase, die im Cytosol vorhanden ist, widerstandsfähiger als N-Acetylglutamat.
Bei Ratten mit erhöhten Ammoniakkonzentrationen, z. B. durch Hungern, proteinfreie oder Hochprotein-Diät, senkte Carglumsäure die Ammoniakkonzentration im Blut und erhöhte die Harnstoffwerte im Blut und im Urin.
Pharmakokinetik
Bisher sind am Menschen keine formellen Studien über den Metabolismus von Carglumsäure durchgeführt worden.
Bei zwölf gesunden, männlichen Freiwilligen, die Carbaglu® als orale Einzeldosis von 100 mg/kg Körpergewicht Carglumsäure erhielten, wurden die folgenden pharmakokinetischen Parameter errechnet (Mittelwert und Bereich):
- Zeit bis zur höchsten Plasmakonzentration: 3 Stunden (2 - 4)
- höchste Plasmakonzentration: 2,6 µg/ml (1,8 - 4,8)
- terminale Halbwertszeit: 5,6 Stunden (4,3 - 9,5)
- scheinbare Gesamtclearance: 5,7 l/min (3,0 - 9,7) Nur 5% der oralen Dosis wurde innerhalb von 24 Stunden unverändert im Urin ausgeschieden. Der Carglumsäuregehalt im Plasma wurde bei Patienten aller Altersstufen gemessen, von neugeborenen Kindern bis zu Jugendlichen, die mit unterschiedlichen täglichen Dosen (7 - 122 mg/kg/Tag) behandelt wurden. Die Werte - auch die der Neugeborenen - stimmten mit denen überein, die bei gesunden Erwachsenen gemessen wurden. Unabhängig von der täglichen Dosis sanken sie innerhalb von 15 Stunden auf Werte um 100 ng/ml.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung
Mit der Behandlung kann bereits am ersten Lebenstag begonnen werden. Die tägliche Anfangsdosis sollte 100 mg/kg bis zu 250 mg/kg betragen. Sie sollte dann individuell angepasst werden, um normale Ammoniakkonzentrationen im Plasma aufrecht zu erhalten. Bei langfristiger Einnahme beträgt die tägliche Dosis 10 mg/kg bis 100 mg/kg.
Die tägliche Gesamtdosis sollte auf zwei bis vier Dosen aufgeteilt werden, die vor den Mahlzeiten bzw. vor dem Füttern zu geben sind.
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegenüber dem wirksamen Bestandteil oder einem der Hilfsstoffe.
Unerwünschte Wirkungen
Die klinische Erfahrung von 90 Patientenjahren zeigte das gelegentliche Auftreten der folgenden unerwünschten Wirkungen:
- erhöhtes Schwitzen (zwei Patienten),
- erhöhte Transaminasewerte (ein Patient).
Wechselwirkungen
Es sind keine speziellen Studien durchgeführt worden.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
- Die Plasmakonzentrationen von Ammoniak und Aminosäuren müssen innerhalb der normalen Grenzen gehalten werden. Da nur sehr wenige Daten über die Sicherheit von Carglumsäure zur Verfügung stehen, wird die systematische Überwachung der Leber-, Nieren- und Herzfunktion und der hämatologischen Parameter empfohlen.
- Im Falle einer geringen Proteintoleranz kann eine Einschränkung der Proteinaufnahme und Argininergänzung angezeigt sein.
Schwangerschaft und Stillzeit
Hinreichende Daten für die Anwendung von Carglumsäure bei Schwangeren liegen nicht vor. Es gibt auch keine hinreichenden tierexperimentellen Studien in Bezug auf die Auswirkungen auf Schwangerschaft, embryonale/fetale Entwicklung, Geburt und postnatale Entwicklung. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist nicht bekannt.
Es ist ferner nicht bekannt, ob Carglumsäure in die menschliche Muttermilch sezerniert wird.
Carbaglu® darf somit nicht während der Schwangerschaft oder der Stillzeit angewendet werden, es sei denn, dies ist eindeutig erforderlich.
Handelspräparat Carbaglu®
Hersteller
Einführungsdatum
Zusammensetzung
1 Trinktablette enthält 200 mg Carglumsäure.
Hilfsstoffe:
mikrokristalline Cellulose, Natriumdodecylsulfat, Hypromellose, Croscarmellose-Natrium, hochdisperses Siliciumoxid, Natriumstearylfumarat.
Packungsgrößen, Preise, PZN
15 Tabletten, Euro 1538,74, PZN 0196569;
60 Tabletten, Euro 6102,88, PZN 0197014.
Indikation
Zur Behandlung von Hyperammonämie aufgrund eines N-AcetylglutamatsynthaseMangels.
Dosierung
Anfangsdosis: täglich 100 bis 250 mg/kg. Bei langfristiger Einnahme: täglich 10 bis 100 mg/kg, aufgeteilt auf zwei bis vier Dosen.
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegenüber dem wirksamen Bestandteil oder einem der Hilfsstoffe.
Unerwünschte Wirkungen
erhöhtes Schwitzen, erhöhte Transaminasewerte.
Wechselwirkungen
nicht bekannt
Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme
Da nur sehr wenige Daten über die Sicherheit von Carglumsäure zur Verfügung stehen, wird die systematische Überwachung der Leber-, Nieren- und Herzfunktion und der hämatologischen Parameter empfohlen. Im Falle einer geringen Proteintoleranz kann eine Einschränkung der Proteinaufnahme und Argininergänzung angezeigt sein.
Kurz zusammengefasst
Carglumsäure (Carbaglu®) wird zur Behandlung einer seltenen, angeborenen Störung des Harnstoffzyklus eingesetzt, der Hyperammonämie. Die Substanz wurde im Oktober 2000 als "Orphan drug", als Arzneimittel für seltene Erkrankungen, eingestuft.
Störungen des Harnstoffzyklus kommen bei einer von 25.000 bis 50.000 Geburten vor. Die Dunkelziffer ist vermutlich groß, da wahrscheinlich viele Patienten sterben, bevor überhaupt eine exakte Diagnose gestellt wird. Die Erkrankungen werden vererbt; das Gen für den NAGS-Mangel wurde auf Chromosom 17 lokalisiert. Patienten, die unter Hyperammonämie leiden, können die Stickstoffabbauprodukte nicht eliminieren, die sich anreichern, wenn Proteine aufgenommen werden. Der überschüssige Stickstoff sammelt sich in Form von Ammoniak an, der für das Gehirn toxisch ist und in schwerwiegenden Fällen zu einer Bewusstseinsminderung, zum Koma und zum Tod führen kann. Die Patienten, die überleben, sind häufig geistig retardiert. Betroffene Patienten können in jedem Alter Symptome aufweisen.
Die Störung entsteht durch einen Mangel an N-Acetylglutamatsynthase (NAGS). Dieses Enzym bildet im ersten Schritt des Harnstoffzyklus N-Acetylglutamat (NAG) aus Acetyl-CoA und l-Glutamat. NAG ist als Coaktivator für das nachfolgende Enzym Carbamylphosphat-Synthetase (CPS) und damit den ganzen Zyklus unentbehrlich. Ist die NAGS defekt, verringert sich die Syntheserate von NAG, der Harnstoffzyklus funktioniert nicht, und Ammoniak reichert sich an. Carglumsäure ist das strukturelle Analogon zu N-Acetylglutamat, des physiologischen Aktivators der Carbamoylphosphatsynthetase, die das erste Enzym des Harnstoffzyklus ist. Carglumsäure senkt den Ammoniakspiegel im Plasma meist innerhalb von 24 Stunden auf normale Werte.
Mit der Behandlung kann bereits am ersten Lebenstag begonnen werden. Wenn die Behandlung vor einer dauerhaften Hirnschädigung eingeleitet wird, kommt es bei den Patienten zu einem normalen Wachstum und einer normalen psychomotorischen Entwicklung. Die tägliche Anfangsdosis sollte 100 mg/kg bis zu 250 mg/kg betragen. Sie sollte dann individuell angepasst werden, um normale Ammoniakkonzentrationen im Plasma aufrecht zu erhalten.