Adefovirdipivoxil

Adefovirdipivoxil 

ATC-Code

J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung

J05: Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung

J05A: Direkt wirkende antivirale Mittel

J05AF: Nukleosidale und nukleotidale Inhibitoren der Reversen Transkriptase

J05AF08: Adefovirdipivoxil

Wirkungsmechanismus

Adefovirdipivoxil ist ein orales Prodrug von Adefovir, einem azyklischen Nucleotidphosphonat-Analogon von Adenosinmonophosphat. Es wird aktiv in Säugetierzellen transportiert, wo es durch Wirtsenzyme in Adefovirdiphosphat umgewandelt wird. Adefovirdiphosphat hemmt die viralen Polymerasen durch direkte Bindungskonkurrenz mit dem natürlichen Substrat (Desoxyadenosintriphosphat) und - nach Einbau in die Virus-DNA - durch DNA-Kettenabbruch. Adefovirdiphosphat hemmt die HBV-DNA-Polymerasen selektiv bei Konzentrationen, die um das 12-, 700-, und 10fache niedriger sind als nötig wäre, um jeweils die humanen DNA-Polymerasen zu hemmen. Die intrazelluläre Halbwertszeit von Adefovirdiphosphat beträgt bei aktivierten und ruhenden Lymphozyten 12 bis 36 Stunden. Adefovir ist in vitro aktiv gegen Hepadnaviren, einschließlich aller im Allgemeinen auftretenden Formen Lamivudin-resistenter HBV (L528M, M552I, M552V, L528M/M552V), Famciclovir-assoziierter Mutationen (V521L, P525L, L528M, TS32S oder V555I) und Hepatitis-B-Immunoglobulin-EscapeMutationen (T476N und W501Q); außerdem bei In-vivo-Tiermodellen für HBV. In vitro wurden keine Mutationen der HBV-DNA-Polymerase festgestellt, die mit einer Resistenz gegen Adefovir zusammenhängen könnten.

 

Hintergrundinformation

Hemmung der viralen DNA-Polymerase und Resistenzbildung
Das Nukleotidanalogon Adefovir und das Nukleosidanalogon Lamivudin wirken beide durch eine Hemmung der viralen DNA-Polymerase, indem ein Kettenabbruch im wachsenden HBV-DNA-Genom induziert wird. Im Gegensatz zu Adefovir führt Lamivudin aber zu einer raschen Entwicklung von Resistenzen. Ursache für das unterschiedliche Resistenzprofil der beiden Analoga sind vermutlich strukturelle Verschiedenheiten. Adefovir besitzt eine größere Ähnlichkeit mit dem natürlichen Substrat der HBV-DNA-Polymerase als Lamivudin. Damit wird es im Falle einer Behandlung mit Adefovir der Virus-Polymerase offenbar erschwert, zwischen natürlichem Substrat und Analogon zu unterscheiden. Molekularer Hintergrund hierfür können die unterschiedlichen Verbindungen zwischen der Base und der Phosphatgruppe sein. Im Lamivudin-Triphosphat-Molekül bewirkt ein Zuckerring eine starre Verbindung. Dagegen sind im AdefovirDiphosphat-Molekül die Purinbase Adenin und die Phosphatgruppen über eine azyklische Verknüpfung drehbar miteinander verbunden. Es wird davon ausgegangen, dass diese Drehbarkeit des Moleküls eine räumliche Behinderung in der Virus-Polymerase beim Einbau von Adefovir in das HBV-Genom minimiert und dem Virus damit die Möglichkeit einer Diskriminierung zwischen natürlichem Substrat und Analogon nimmt.

Hintergrundinformation

Hepatitis B
In Deutschland wird die Zahl der chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) Infizierten auf 500 000 geschätzt. Etwa 30% der Patienten mit einer chroni schen HBVInfektion entwickeln eine Zirrhose. Bei Patienten mit chronischer Hepatitis B ist das Risiko eines hepatozellulären Karzinoms deutlich erhöht. Bei Vorliegen von HBsAg und HBeAg ist das Risiko mit ca. 10% über 10 Jahre anzunehmen. Eine Therapie der viralen Hepatitis B ist daher in vielen Fällen sinnvoll. Als Therapieoptionen standen bislang Interferon alfa und Lamivudin zur Verfügung. Interferon alfa, welches parenteral gegeben werden muss und zahlreiche, zum Teil schwere Nebenwirkungen zeigt, ist nur in begrenzten Patienten-Subpopulationen effektiv und bei dekompensierter Leberfunktion kontraindiziert. Die Behandlung mit Lamivudin wird im Allgemeinen sehr gut vertragen und zeigt eine schnelle und starke Hemmung der HBV-Replikation, besitzt aber den Nachteil einer raschen Resistenzentwicklung mit etwa 20% resistenter Patienten nach bereits einem Jahr Therapiedauer.

Pharmakokinetik

  • Resorption: Adefovirdipivoxil ist ein Dipivaloyloxymethyl-Ester-Prodrug des arzneilich wirksamen Bestandteils Adefovir. Die orale Bioverfügbarkeit von Adefovir beträgt bei der Gabe von 10 mg Adefovirdipivoxil 59%. Die systemische Adefovir-Exposition wurde durch gleichzeitige Einnahme von 10 mg Adefovirdipivoxil mit einer stark fetthaltigen Mahlzeit nicht beeinträchtigt. Lediglich die tmax wurde um zwei Stunden verzögert.
  • Verteilung: Präklinische Studien zeigen, dass sich Adefovir nach oraler Gabe von Adefovirdipivoxil in den meisten Geweben verteilt; die höchsten Konzentrationen finden sich in den Nieren, der Leber und im Intestinalgewebe. Bei einer Adefovir-Konzentration von 0,1 bis 25 µg/ml lag die Proteinbindung von Adefovir an humane Plasmaproteine oder humane Serumproteine in vitro unter 4%.
  • Biotransformation: Nach oraler Gabe wird Adefovirdipivoxil rasch in Adefovir umgewandelt. Auch bei Konzentrationen, die wesentlich höher (> 4000-fach) als die In-vivo-Konzentrationen waren, hemmte Adefovir keine der folgenden humanen CYP450-Isoformen: CYP1A2, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP3A4. Geht man von diesen In-vitro-Test-Ergebnissen und dem bekannten Eliminationsweg von Adefovir aus, ist das Potenzial für CYP450-vermittelte Wechselwirkungen zwischen Adefovir und anderen Arzneimitteln gering.
  • Elimination: Adefovir wird renal ausgeschieden, durch eine Kombination aus glomerulärer Filtration und aktiver tubulärer Sekretion. Nach wiederholter Anwendung von 10 mg Adefovirdipivoxil wurden 45% der Dosis in Form von Adefovir im 24-Stunden-Urin nachgewiesen. Die Adefovir-Konzentration im Plasma verringerte sich biexponenziell mit einer medianen terminalen Eliminations-Halbwertszeit von 7,22 h.
  • Linearität/Nichtlinearität: Die Pharmakokinetik von Adefovir ist proportional zur Dosis, sofern es in Form von Adefovirdipivoxil und im Dosisbereich von 10 bis 60 mg angewendet wird. Eine mehrfach tägliche Gabe von Adefovirdipivoxil 10 mg beeinflusste die Pharmakokinetik von Adefovir nicht.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

  • Erwachsene: Die empfohlene Dosis von Adefovirdipivoxil beträgt 10 mg (eine Tablette) einmal täglich per os. Das Arzneimittel kann zu einer Mahlzeit oder unabhängig davon eingenommen werden. Es dürfen keine höheren Dosen appliziert werden. Es liegen keine Erkenntnisse zur optimalen Behandlungsdauer vor. Die Patienten sollten alle sechs Monate auf biochemische, virologische und serologische Hepatitis-B-Marker untersucht werden. Bei HBeAg-positiven Patienten sollte die Behandlung mindestens bis zur HBeAg-Serokonversion (Verlust des HBeAg und der HBV-DNA bei Anti-HBe-Nachweis in zwei aufeinanderfolgenden Serumproben, die mindestens im Abstand von drei Monaten entnommen wurden) oder bis zur HBsAg-Serokonversion dauern oder bis es nachweislich zu einem Verlust der Wirksamkeit kommt. Bei HBeAg-negativen Patienten (mit Prä-Core-Mutante) sollte die Behandlung mindestens bis zur HBsAg-Serokonversion dauern oder bis es nachweislich zu einem Verlust der Wirksamkeit kommt. Bei Patienten mit dekompensierter Lebererkrankung oder Zirrhose wird ein Absetzen der Behandlung nicht empfohlen.
  • Kinder und Jugendliche: Die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Adefovirdipivoxil bei Patienten unter 18 Jahren wurde nicht systematisch untersucht. Adefovirdipivoxil sollte bei Kindern und Jugendlichen daher nicht angewendet werden.
  • Ältere Patienten: Es liegen keine Daten vor, die eine Dosisempfehlung für Patienten über 65 Jahre erlauben. Bei Verordnung von Adefovirdipivoxil an ältere Patienten ist Vorsicht geboten, weil diese häufiger eine eingeschränkte Nieren- oder Herzfunktion aufweisen und öfter an Begleiterkrankungen leiden oder eine Begleitmedikation erhalten.
  • Niereninsuffizienz: Da Adefovir renal ausgeschieden wird, ist bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance unter 50 ml/min eine Anpassung des Dosisintervalls erforderlich. Bei diesen Patienten sollte das klinische Therapieansprechen sowie die Nierenfunktion engmaschig überwacht werden. Für Patienten ohne Hämodialyse und einer Kreatinin-Clearance unter 10 ml/min liegen keine Dosierungsempfehlungen vor.
  • Leberfunktionsstörung: Bei Patienten mit Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber dem arzneilich wirksamen Bestandteil oder einem der Hilfsstoffe.

Unerwünschte Wirkungen

A. Patienten mit kompensierter Lebererkrankung

Die Beurteilung der Nebenwirkungen beruht auf zwei plazebokontrollierten, doppelblinden Studien, bei denen 522 Patienten mit chronischer Hepatitis B und kompensierter Lebererkrankung 48 Wochen lang 10 mg Adefovirdipivoxil (n = 294) oder Plazebo (n = 228) erhielten. Bei längerer Therapiedauer wurden 492 von diesen 522 Patienten bis zu 109 Wochen lang mit 10 mg Adefovirdipivoxil behandelt; die mediane Behandlungsdauer betrug 49 Wochen. Sehr häufig (>1/10) oder häufig (>1/100, <1/10) traten folgende Nebenwirkungen auf:

  • Gastrointestinaltrakt: häufig: Übelkeit, Flatulenz, Diarrhö, Dyspepsie;
  • gesamter Körper: sehr häufig: Asthenie; häufig: Bauchschmerzen, Kopfschmerzen. Mit Ausnahme erhöhter hepatischer ALT-Werte, die in der mit Plazebo behandelten Gruppe häufiger auftraten, gab es bei diesen Studien zwischen der mit 10 mg Adefovirdipivoxil und der mit Plazebo behandelten Gruppe keinen klinisch relevanten Unterschied im Hinblick auf Laborwert-Abweichungen. B. Patienten mit Lamivudin-resistentem HBV vor und nach Lebertransplantation Patienten vor (n = 128) und nach (n = 196) einer Lebertransplantation, die an chronischer Hepatitis B mit Lamivudin-resistentem HBV litten, erhielten im Rahmen einer offenen Studie bis zu 129 Wochen lang einmal täglich 10 mg Adefovirdipivoxil. Die Therapie dauerte bei den Patienten vor der Transplantation median 19, bei den Patienten nach der Transplantation 56 Wochen. An Nebenwirkungen, die zumindest möglicherweise mit der Behandlung in Zusammenhang stehen, traten auf:
  • Gastrointestinaltrakt: häufig: Übelkeit, Flatulenz, Diarrhö, Dyspepsie;
  • gesamter Körper: häufig: Asthenie, Abdominalschmerzen, Kopfschmerzen;
  • Urogenitaltrakt: sehr häufig: Erhöhung des Kreatininwerts; häufig: Niereninsuffizienz und Nierenversagen. Veränderungen des Serumkreatinin-Werts traten sehr häufig auf. Diese Veränderungen betrafen Patienten mit mehreren Risikofaktoren für Änderungen der Nierenfunktion wie etwa die gleichzeitige Einnahme von Ciclosporin und Tacrolimus und waren im Allgemeinen nur leicht bis mittelgradig; es wurden jedoch auch vereinzelt Fälle von Nierenversagen berichtet.

Wechselwirkungen

  • Die Ergebnisse von In-vitro-Tests, bei denen Adefovir keine der üblichen CYP-Isoformen beeinflusste, die am humanen Arzneimittel-Metabolismus beteiligt sind, und der bekannte Eliminationsweg von Adefovir lassen auf ein geringes Potenzial von CYP450-vermittelten Wechselwirkungen zwischen Adefovir und anderen Arzneimitteln schließen.
  • Eine gleichzeitige Anwendung von 10 mg Adefovirdipivoxil und 100 mg Lamivudin änderte bei keinem der beiden Arzneimittel das pharmakokinetische Profil.
  • Adefovir bewirkte keine Veränderung der Pharmakokinetik von Trimethoprim/ Sulfamethoxazol, Paracetamol und Ibuprofen - drei Arzneimitteln, die ebenfalls tubulär ausgeschieden werden bzw. die tubuläre Ausscheidung beeinträchtigen können.
  • Die Pharmakokinetik von Adefovir blieb bei gleichzeitiger Anwendung von 10 mg Adefovirdipivoxil und Trimethoprim/Sulfamethoxazol oder Paracetamol unverändert.
  • Bei gleichzeitiger Gabe von 10 mg Adefovirdipivoxil und 800 mg Ibuprofen dreimal täglich erhöhte sich der AUC-Wert von Adefovir um 23% und der CmaxWert um 33%. Dieser Anstieg wird eher auf die höhere Bioverfügbarkeit zurückgeführt als auf eine verringerte renale Clearance und gilt nicht als klinisch relevant.
  • Adefovir wird renal ausgeschieden, durch eine Kombination aus glomerulärer Filtration und aktiver tubulärer Sekretion. Die gleichzeitige Anwendung von 10 mg Adefovirdipivoxil mit renal ausgeschiedenen Arzneimitteln oder Arzneimitteln, die für ihre negative Auswirkung auf die Nierenfunktion bekannt sind, wurde nur mit Ibuprofen, Lamivudin, Paracetamol und Trimethoprim/Sulfamethoxazol untersucht. Bei gleichzeitiger Gabe von 10 mg Adefovirdipivoxil mit Arzneimitteln, welche durch aktive tubuläre Sekretion ausgeschieden werden oder die tubuläre Funktion verändern, kann sich die Serumkonzentration von Adefovir oder dem gleichzeitig angewendeten Arzneimittel erhöhen.
  • Bei Dosen von Adefovirdipivoxil, die um das 6- bis 12-fache höher waren als die für chronische Hepatitis B empfohlene Dosis von 10 mg, traten keine Wechselwirkungen mit Zidovudin, Nelfinavir, Nevirapin, Indinavir, Efavirenz, Delavirdin oder Lamivudin auf.
  • Eine gleichzeitige Anwendung von 60 mg Adefovirdipivoxil mit SaquinavirWeichkapseln resultierte in einer Erhöhung der AUC von Adefovir (20%), bei gleichzeitiger Gabe mit gepufferten Didanosin-Tabletten erhöhte sich die AUC von Didanosin (29%). Diese Erhöhungen der systemischen Exposition wurden nicht als klinisch signifikant eingestuft.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Die Behandlung mit Adefovirdipivoxil kann zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen. Da Adefovir renal, durch eine Kombination aus glomerulärer Filtration und aktiver tubulärer Sekretion ausgeschieden wird, empfiehlt sich bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von < 50 ml/min eine Anpassung des Dosisintervalls von 10 mg Adefovirdipivoxil.
  • Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion muss alle drei Monate der Serumkreatininwert auf Änderungen überprüft und die Kreatinin-Clearance berechnet werden.
  • Leberfunktion: Eine spontane Exazerbation ist bei chronischer Hepatitis B relativ häufig und äußert sich durch einen vorübergehenden Anstieg der SerumALT-Konzentration. Nach Einleiten der antiviralen Therapie kann der Serum-ALTWert bei einigen Patienten ansteigen, während die HBV-DNA-Konzentration im Serum sinkt. Bei Patienten mit kompensierter Lebererkrankung geht dieser Anstieg der Serum-ALT-Werte normalerweise nicht mit einer Erhöhung der SerumBilirubin-Konzentration oder einer Leberdekompensation einher. ZirrhosePatienten neigen nach einer Hepatitis-Exazerbation möglicherweise stärker zur Leber-Dekompensation und müssen deshalb während der Behandlung gründlich überwacht werden.
  • Auch nach Beendigung der Therapie sind die Patienten mehrere Monate sorgfältig zu überwachen, da es nach Absetzen von 10 mg Adefovirdipivoxil zu Exazerbationen der Hepatitis kam. Die meisten solcher Fälle scheinen selbstlimitierend gewesen zu sein oder konnten durch Wiederaufnahme der Therapie behoben werden, es wurden aber auch vereinzelt schwere Hepatitis-Ausbrüche mit zum Teil tödlichem Ausgang berichtet. Der Zusammenhang zwischen einer HepatitisExazerbation und dem Absetzen der Therapie mit Adefovirdipivoxil ist nicht bekannt. Die meisten Fälle von Hepatitis-Exazerbationen traten innerhalb von 12 Wochen nach Absetzen von 10 mg Adefovirdipivoxil auf.
  • Laktatazidose und schwere Hepatomegalie mit Steatosis: Bei Anwendung von Nukleosidanaloga wurden Fälle von manchmal tödlicher Laktatazidose (ohne Hypoxämie) berichtet, die normalerweise mit schwerer Hepatomegalie und Hepatosteatose einhergingen. Da Adefovir strukturell mit Nukleosidanaloga verwandt ist, kann dieses Risiko nicht ausgeschlossen werden. Die Behandlung mit solchen Substanzen sollte unterbrochen werden, falls es zu einem raschen Anstieg der Aminotransferase-Werte, einer progressiven Hepatomegalie oder einer metabolischen Azidose/Laktatazidose unbekannter Ätiologie kommt. Harmlose gastrointestinale Symptome wie etwa Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen können auf eine entstehende Laktatazidose hinweisen. Schwerwiegende Fälle, die, wie erwähnt, teilweise tödlich verliefen, waren begleitet von Symptomen wie Pankreatitis, Leberversagen/Hepatosteatose, Nierenversagen und erhöhten Serumlactat-Werten. Besondere Vorsicht ist angezeigt beim Verordnen von Nukleosidanaloga für Patienten (vor allem Adipositas-Patientinnen) mit Hepatomegalie oder anderen bekannten Risikofaktoren für Lebererkrankungen. Um zu unterscheiden, ob die Transaminasen-Erhöhung auf einem Therapieansprechen beruht oder möglicherweise auf eine Laktatazidose zurückzuführen ist, sollte der behandelnde Arzt sicherstellen, dass die Veränderung der ALT mit Verbesserungen anderer Labormarker für chronische Hepatitis B einhergeht.
  • Koinfektion mit Hepatitis C oder D: Über die Wirksamkeit von Adefovirdipivoxil bei Patienten mit Hepatitis-C- oder Hepatitis-D-Koinfektion liegen keine Daten vor.
  • Koinfektion mit HIV: Zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von 10 mg Adefovirdipivoxil bei Patienten mit chronischer Hepatitis B und HIV-Koinfektion ist die Datenlage begrenzt. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass eine Tagesdosis von 10 mg Adefovirdipivoxil zur Entstehung von Adefovirdipivoxil-assoziierten Resistenzmutationen der reversen Transkriptase von HIV führt. Dennoch besteht das potenzielle Risiko einer Selektion von Adefovir-resistenten HIVStämmen mit einer möglichen Kreuzresistenz gegen andere antivirale Arzneimittel. Mit Adefovirdipivoxil sollten möglichst nur solche HIV-koinfizierte Hepatitis-B-Patienten behandelt werden, deren HIV-RNA unter Kontrolle ist. Da bei der Therapie mit 10 mg Adefovirdipivoxil keine Wirksamkeit gegen eine HIVReplikation nachgewiesen werden konnte, sollte das Arzneimittel nicht zur Behandlung einer HIV-Infektion eingesetzt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Tierexperimentelle Studien mit intravenöser Anwendung von Adefovir haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. In Studien mit oraler Anwendung des Arzneimittels an Tieren wurde keine teratogene oder fetotoxische Wirkung festgestellt. Adefovirdipivoxil sollte trotzdem bei Schwangeren nur angewendet werden, wenn der potenzielle Nutzen das mögliche Risiko für den Fetus übersteigt. Über die Auswirkung von Adefovirdipivoxil auf die HBV-Übertragung von der Mutter auf das Kind liegen keine Daten vor. Aus diesem Grund müssen die empfohlenen Standardmaßnahmen zur Immunisierung von Säuglingen angewandt werden, um eine Ansteckung des Neugeborenen mit HBV zu verhindern.

Da die potenziellen Risiken für das ungeborene Kind nicht bekannt sind, wird empfohlen, dass Frauen im gebärfähigen Alter während der Therapie mit Adefovirdipivoxil eine wirksame Empfängnisverhütung betreiben.

Es liegen keine Informationen darüber vor, ob Adefovir beim Menschen in die Muttermilch übertritt. Patientinnen, die Adefovirdipivoxil-Tabletten einnehmen, sollten deshalb vom Stillen absehen.

Handelspräparat Hepsera® 

Hersteller

Einführungsdatum

Zusammensetzung

Jede Tablette enthält 10 mg Adefovirdipivoxil, entsprechend 5,45 mg Adefovir.

Hilfsstoffe:

vorverkleisterte Stärke, Croscarmellose-Natrium, Lactose-Monohydrat, Talkum, Magnesiumstearat

Packungsgrößen, Preise, PZN

30 Tabletten, Euro 779,67, PZN 4095500

Indikation

Chronische Hepatitis B

Dosierung

10 mg (eine Tablette) einmal täglich per os, zu einer Mahlzeit oder unabhängig davon

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber dem arzneilich wirksamen Bestandteil oder einem der Hilfsstoffe.

Unerwünschte Wirkungen

Asthenie; Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Flatulenz, Diarrhö, Dyspepsie; Erhöhung des Kreatininwerts, Niereninsuffizienz, Nierenversagen

Wechselwirkungen

Bei gleichzeitiger Gabe von 10 mg Adefovirdipivoxil mit Arzneimitteln, welche durch aktive tubuläre Sekretion ausgeschieden werden oder die tubuläre Funktion verändern, kann sich die Serumkonzentration von Adefovir oder dem gleichzeitig angewendeten Arzneimittel erhöhen.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Die Behandlung mit Adefovirdipivoxil kann zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen. Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion muss alle drei Monate der Serumkreatininwert auf Änderungen überprüft und die KreatininClearance berechnet werden. Die Patienten müssen nach Beendigung der Therapie mehrere Monate sorgfältig überwacht werden, da es nach Absetzen von 10 mg Adefovirdipivoxil zu Exazerbationen der Hepatitis kam.

Bei Anwendung von Nukleosidanaloga wurden Fälle von manchmal tödlicher Laktatazidose (ohne Hypoxämie) berichtet, die normalerweise mit schwerer Hepatomegalie und Hepatosteatose einhergingen. Da Adefovir strukturell mit Nukleosidanaloga verwandt ist, kann dieses Risiko nicht ausgeschlossen werden.

 

Literatur

Hadziyannis, S. J., et al.: Adefovir dipivoxil for the treatment of hepatitis Be antigen-negative chronic hepatitis B. N. Engl. J. Med. 348, 800 - 807 (2003) .

Marcellin, P., et al.: Adefovir dipivoxil for the treatment of hepatitis Be antigen-positive chronic hepatitis B. N. Engl. J. Med. 348, 808 - 816 (2003).

Kurz zusammengefasst 

Adeforvirdipivoxil (Hepsera®) ist das erste Nukleotidanalogon zur Behandlung einer chronischen Hepatitis-B-Virus(HBV)-Infektion. Es wird einmal täglich oral eingenommen. Bislang standen als Therapieoptionen nur Interferon alfa und Lamivudin zur Verfügung. Interferon alfa ist für die Mehrzahl der Betroffenen als Therapieoption ausgeschlossen, zum Beispiel für Patienten mit dekompensierter Leberfunktion oder für immunsupprimierte Patienten. Andere Patienten, wie zum Beispiel solche mit niedrigen ALT-Werten und HBeAg-negative Patienten, sprechen nur schlecht auf eine Behandlung mit Interferon alfa an. Lamivudin ist ein Nukleosidanalogon, das durch die virale DNA-Polymerase in das wachsende Genom eingebaut wird und bei der Replikation zu einem Kettenabbruch führt. Unter der Behandlung mit Lamivudin kommt es häufig zur Resistenzentwicklung, oft bereits nach sechs Monaten. Nach einem Jahr Therapie mit Lamivudin hat etwa ein Viertel der Patienten eine Resistenz entwickelt, nach vier Jahren trifft dies sogar für zwei Drittel der Patienten zu.

Adefovirdipivoxil ist zur Behandlung der chronischen HBV-Infektion für alle Patientengruppen zugelassen. In den Zulassungsstudien wurden Wirksamkeit und Sicherheit sowohl bei HBeAg-positiven als auch bei HBeAg-negativen Patienten nachgewiesen. Die Leberhistologie verbesserte sich unter Adefovir-Therapie bei 53% der HBeAg-positiven und bei 64% der HBeAg-negativen Patienten gegenüber 25% und 33% unter Plazebo-Applikation. Zu einer Normalisierung der ALT-Werte kam es in der Verumgruppe bei 48% der HBeAg-positiven und bei 72% der HBeAgnegativen Patienten gegenüber 16% und 29% unter Plazebo-Gabe. Der mittlere HBV-DNA-Titer nahm bei den HBeAg-positiven Patienten unter Adefovir-Behandlung um 3,52 Log-Stufen und bei den HBeAg-negativen Patienten um 3,91 Log-Stufen ab. Alle Ergebnisse waren signifikant. Erste Beobachtungen für eine Behandlung über mehr als ein Jahr zeigten, dass die fortgesetzte Adefovir-Therapie zu einer weiteren Verbesserung bei den histologischen, virologischen und biochemischen Parametern führt.

In der Mehrzahl der Studien wurde bei Patienten mit Therapieversagen unter einer Lamivudin-Behandlung Adefovirdipivoxil 10 mg zur laufenden Lamivudintherapie hinzugefügt. Die optimale Behandlung von Patienten mit Lamivudinresistentem HBV wurde allerdings noch nicht geklärt. Es ist daher nicht bekannt, ob Adefovirdipivoxil zu einer laufenden Lamivudintherapie hinzugefügt werden sollte oder ob Patienten mit Adefovirdipivoxil alleine behandelt werden sollten.

Adefovirdipivoxil kann auch zur Behandlung immunsupprimierter Patienten und bei Patienten mit dekompensierter Leberfunktion eingesetzt werden. Wichtiger Therapievorteil gegenüber Lamivudin ist eine minimale Resistenzentwicklung. Im ersten Behandlungsjahr wurden keine und im zweiten Jahr nur bei 1,6% der Patienten Resistenzen beobachtet.

Die neue Substanz eignet sich für Patienten, für die wegen Kontraindikation oder Unverträglichkeit eine Interferon-Behandlung nicht infrage kommt, und für die Patienten, die unter der Gabe von Lamivudin eine Therapieresistenz entwickelt haben. Bislang als austherapiert geltende Patienten können jetzt behandelt werden. Unter der Therapie mit Adefovirdipivoxil kommt es nicht nur zu einer Verbesserung der klinischen, virologischen und biochemischen Parameter - vielmehr wurde sogar eine Elimination der HBV-Mutanten beobachtet, die zuvor eine Lamivudin-Resistenz verursachten. Auch besondere Patientenpopulationen, wie HIV-Koinfizierte oder Lebertransplantations-Patienten, können mit Adefovirdipivoxil erfolgreich behandelt werden. Erste Studiendaten haben bei Prä- bzw. Posttransplantationspatienten, zum Teil mit dekompensierter Leberfunktion, nach einem Jahr Behandlung mit Adefovir Überlebensraten von über 80 bzw. über 90% gezeigt.

Da die Behandlung mit Adefovirdipivoxil zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen kann, sollte bei Patienten mit normaler Nierenfunktion alle drei Monate der Serumkreatininwert auf Änderungen überprüft und die KreatininClearance berechnet werden.

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