Tenofovir

Tenofovir 

ATC-Code

J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung

J05: Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung

J05A: Direkt wirkende antivirale Mittel

J05AF: Nukleosidale und nukleotidale Inhibitoren der Reversen Transkriptase

J05AF07: Tenofovirdisoproxil

Wirkungsmechanismus

Tenofovir-Disoproxilfumarat ist das Fumaratsalz des Prodrugs Tenofovir-Disoproxil. Dieses wird nach Resorption in den wirksamen Bestandteil Tenofovir, ein Nukleosidmonophosphat-(Nukleotid)-Analogon, umgewandelt. Dann wird Tenofovir durch zelluläre Enzyme über zwei Phosphorylierungsreaktionen zum aktiven Metaboliten Tenofovir-Diphosphat biotransformiert. Diese Umwandlung erfolgt sowohl in ruhenden als auch in aktivierten T-Zellen. TenofovirDiphosphat hat in aktivierten Zellen eine intrazelluläre Halbwertszeit von 10 Stunden und eine von 50 Stunden in ruhenden Monozyten.

Tenofovir-Diphosphat hemmt die viralen Polymerasen durch direkte Bindungskonkurrenz mit dem natürlichen Desoxyribonukleotid-Substrat und - nach Einbau in die DNA - durch DNA-Kettenabbruch.

Pharmakokinetik

Tenofovir-Disoproxilfumarat ist ein wasserlösliches Ester-Prodrug und wird in vivo rasch zu Tenofovir und Formaldehyd metabolisiert. Intrazellulär wird Tenofovir, wie bereits oben erwähnt, in Tenofovir-Monophosphat und den wirksamen Bestandteil Tenofovir-Diphosphat umgewandelt.

  • Resorption: Nach oraler Verabreichung an HIV-infizierte Patienten wird Tenofovir-Disoproxilfumarat schnell resorbiert. Die maximale Serumkonzentration von Tenofovir wird bei Einnahme auf nüchternen Magen innerhalb einer Stunde, bei Einnahme mit Nahrungsmitteln innerhalb von zwei Stunden erreicht. Die orale Bioverfügbarkeit von Tenofovir aus Tenofovir Disoproxilfumarat bei nüchternen Patienten beträgt ca. 25%. Die Anwendung mit der Nahrung erhöht die orale Bioverfügbarkeit.
  • Verteilung: Nach oraler Gabe von Tenofovir-Disoproxilfumarat verteilt sich Tenofovir in die meisten Gewebe; die höchsten Konzentrationen finden sich in den Nieren, der Leber und im Darminhalt (Daten aus präklinischen Studien). In vitro betrug die Proteinbindung von Tenofovir bei einer Tenofovir-Konzentration zwischen 0,01 und 25 µg/ml weniger als 0,7% bei Plasmaproteinen bzw. 7,2% bei Serumproteinen.
  • Metabolismus: In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass weder TenofovirDisoproxilfumarat noch Tenofovir Substrate für CYP450-Enzyme sind. Daher ist es unwahrscheinlich, dass klinisch bedeutsame Interaktionen zwischen TenofovirDisoproxilfumarat und Arzneimitteln, die durch CYP450 metabolisiert werden, auftreten.
  • Elimination: Tenofovir wird primär über die Nieren eliminiert, sowohl durch Filtration als auch durch das aktive tubuläre Transportsystem, wobei nach intravenöser Verabreichung etwa 70 bis 80% der Dosis als unveränderte Substanz renal ausgeschieden werden. Nach oraler Gabe liegt die terminale Halbwertszeit von Tenofovir bei etwa 12 bis 18 Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die empfohlene Dosis beträgt 245 mg (eine Tablette) Tenofovir-Disoproxil einmal täglich zu einer Mahlzeit.

Die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Viread® bei Patienten unter 18 Jahren wurden nicht ermittelt. Viread® darf daher nicht an Kinder oder Jugendliche verabreicht werden, solange keine weiteren Daten zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Tenofovir-Disoproxilfumarat bei Patienten unter 18 Jahren vorliegen.

Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit gegen Tenofovir, Tenofovir-Disoproxilfumarat oder einen der sonstigen Bestandteile.
  • Schwere Nierenfunktionsstörung.

Unerwünschte Wirkungen

Die Beurteilung der Nebenwirkungen basiert auf zwei Studien, in denen 653 vorbehandelte Patienten 24 Wochen mit Tenofovir-Disoproxilfumarat (n = 443) oder mit Plazebo (n = 210) - jeweils in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln - behandelt wurden.

Bei etwa einem Drittel der Patienten sind nach einer Kombinationsbehandlung mit Tenofovir-Disoproxilfumarat und anderen antiretroviralen Wirkstoffen Nebenwirkungen zu erwarten. Über eine ähnliche Häufigkeit wurde bei Patienten berichtet, die eine Kombination aus Plazebo und anderen antiretroviralen Wirkstoffen erhielten.

Bei diesen Nebenwirkungen handelt es sich meist um leichte bis mittelgradige gastrointestinale Beschwerden. Sehr häufig (> 1/10) kam es zu Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, häufig (> 1/100, < 1/10) zu Flatulenz. Rund 1% der mit Tenofovir-Disoproxilfumarat behandelten Patienten beendete die Behandlung aufgrund von Magen-Darm-Beschwerden.

Eine weitere sehr häufige Nebenwirkung war Hypophosphatämie. Ein geringfügiger bis mittelgradiger (Grad 1 und 2) Abfall des Serumphosphats wurde bei 12% der mit Tenofovir-Disoproxilfumarat behandelten Patienten, versus 7% der mit Plazebo behandelten Patienten, über durchschnittlich 24 Wochen (kontrollierte Studien) und bei 15% der mit Tenofovir-Disoproxilfumarat behandelten Patienten über durchschnittlich 58 Wochen (Langzeitdaten zur Sicherheit) beobachtet. Diese Senkung war in den meisten Fällen ohne Therapieunterbrechung reversibel, aber einige Patienten erhielten eine Phosphat-Supplementierung.

Wechselwirkungen

  • Die Ausscheidung von Tenofovir erfolgt renal, sowohl durch Filtration als auch durch aktive Sekretion über den anionischen Transporter. Eine gleichzeitige Anwendung von Tenofovir-Disoproxilfumarat und anderen Arzneimitteln, deren aktive Sekretion ebenfalls über den anionischen Transporter erfolgt (z. B. Cidofovir), kann die Konzentration von Tenofovir oder dem gleichzeitig angewendeten Arzneimittel erhöhen.
  • Tenofovir-Disoproxilfumarat wurde in Kombination mit gepufferten DidanosinTabletten, Lamivudin, Indinavir, Efavirenz und Lopinavir/Ritonavir untersucht. Es wurde keine Wechselwirkung mit Lamivudin, Indinavir oder Efavirenz nachgewiesen. Bei gleichzeitiger Anwendung von Tenofovir Disoproxilfumarat mit Lopinavir/Ritonavir wurde bei Lopinavir ein Rückgang der Cmax und der AUC um etwa 15% beobachtet, während die gleichen Parameter bei Tenofovir um 30% anstiegen. Bei gleichzeitiger Anwendung von gepufferten Didanosin-Tabletten und Tenofovir Disoproxilfumarat blieben die pharmakokinetischen Parameter für Tenofovir unverändert, die AUC für Didanosin stieg jedoch um 44%. Eine Interaktionsstudie mit magensaftresistenten Didanosin-Kapseln wurde noch nicht durchgeführt.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Tenofovir wird hauptsächlich renal eliminiert. In präklinischen Studien wurden bei einer im Vergleich zu klinischen Studien ähnlichen oder höheren Exposition nierenschädigende Wirkungen beobachtet. Da nierenschädigende Wirkungen von Tenofovir nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden können, empfiehlt sich eine Überwachung der Nierenfunktion. Bei Patienten mit Serumkreatinin-Erhöhungen auf > 2,0 mg/dl (177 µmol/l) oder Serumphosphat-Verminderungen auf < 1,0 mg/dl (0,32 mmol/l) sollte eine Unterbrechung der Therapie mit Tenofovir-Disoproxilfumarat erwogen werden. Für die Behandlung mit TenofovirDisoproxilfumarat ist Vorsicht geboten bei Patienten mit einer gering- bis mittelgradig ausgeprägten Niereninsuffizienz.
  • In klinischen Studien trat eine Hypophosphatämie auf. Diese könnte auf eine reduzierte intestinale Phosphatresorption zurückzuführen sein, da signifikante Zeichen für eine Schädigung der proximalen Nierentubuli nicht häufig vorkamen.
  • Ist die gleichzeitige Anwendung von Tenofovir und nephrotoxischen Wirkstoffen unvermeidbar, sollte die Nierenfunktion wöchentlich kontrolliert werden.
  • Tenofovir-Disoproxilfumarat wurde nicht bei Patienten untersucht, die Arzneimittel erhielten, welche über denselben renalen Transporter, human organic anion transporter 1 (hOAT1), sezerniert werden (z. B. Cidofovir, ein bekanntermaßen nephrotoxisches Arzneimittel). Dieser renale Transporter (hOAT1) könnte für die tubuläre Sekretion und teilweise für die renale Ausscheidung von Tenofovir und Cidofovir verantwortlich sein. Infolgedessen könnte sich die Pharmakokinetik dieser Arzneimittel verändern, wenn sie zusammen angewendet werden. Die gleichzeitige Anwendung dieser Arzneimittel wird deshalb nicht empfohlen, es sei denn, sie ist unbedingt notwendig. Dann sollte aber die Nierenfunktion wöchentlich überprüft werden.
  • Präklinische und klinische Daten deuten darauf hin, dass das Risiko einer Lactatazidose, einer für Nukleosidanaloga bekannten Nebenwirkung, bei Tenofovir-Disoproxilfumarat gering ist. Trotzdem ist bei einem Therapieschema mit einer Kombination aus Nukleosidanaloga und Tenofovir-Disoproxilfumarat Vorsicht geboten. Die betreffenden Patienten müssen sorgfältig beobachtet werden.
  • Die gleichzeitige Anwendung von Tenofovir-Disoproxilfumarat und Didanosin in gepufferter Tablettenformulierung erhöhte, wie beschrieben, die systemische Exposition von Didanosin. Daher sollten Patienten, die gleichzeitig Tenofovir-Disoproxilfumarat und Didanosin erhalten, sorgfältig auf Nebenwirkungen in Zusammenhang mit Didanosin (z. B. Pankreatitis) überwacht werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Tierversuche zeigten keine direkten oder indirekten schädlichen Auswirkungen von Tenofovir-Disoproxilfumarat auf die Schwangerschaft, die fetale Entwicklung, die Geburt oder die postnatale Entwicklung. Tenofovir-Disoproxilfumarat darf in der Schwangerschaft trotzdem nur dann angewendet werden, wenn der mögliche Nutzen das mögliche Risiko für den Feten überwiegt. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Therapie mit Tenofovir-Disoproxilfumarat eine wirksame Empfängnisverhütung betreiben, da die potenziellen Risiken für humane Feten unbekannt sind.

In Tierstudien wurde gezeigt, dass Tenofovir in die Muttermilch übergeht. Es ist nicht bekannt, ob Tenofovir beim Menschen in die Muttermilch übertritt. Es wird daher empfohlen, dass Mütter, die mit Tenofovir-Disoproxilfumarat behandelt werden, ihre Säuglinge nicht stillen. HIV-infizierte Frauen dürfen generell nicht stillen, um eine HIV-Übertragung auf ihre Kinder zu vermeiden.

Handelspräparat Viread® 

Hersteller

Einführungsdatum

Zusammensetzung

Jede Filmtablette enthält 245 mg Tenofovir-Disoproxil (als Fumarat) entsprechend 300 mg Tenofovir-Disoproxilfumarat bzw. 136 mg Tenofovir.

Hilfsstoffe:

Kern: mikrokristalline Cellulose, vorverkleisterte Stärke (glutenfrei), Croscarmellose-Natrium, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat. Film: LactoseMonohydrat, Hypromellose, Titandioxid (E171), Triacetin, Indigocarmin (E132)

Packungsgrößen, Preise, PZN

30 Filmtabletten, Euro 577,07, PZN 2089470

Indikation

Viread® ist in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen für die Behandlung einer HIV-Infektion bei Patienten angezeigt, die über 18 Jahre alt sind und bei denen ein virologisches Therapieversagen vorliegt.

Dosierung

245 mg (eine Tablette) Tenofovir-Disoproxil einmal täglich (per os) zu einer Mahlzeit

Kontraindikationen

Schwere Nierenfunktionsstörung

Unerwünschte Wirkungen

Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Flatulenz; Hypophosphatämie

Wechselwirkungen

Eine gleichzeitige Anwendung von Tenofovir-Disoproxilfumarat und anderen Arzneimitteln, deren aktive Sekretion ebenfalls über den anionischen Transporter erfolgt (z. B. Cidofovir), kann die Konzentration von Tenofovir oder dem gleichzeitig angewendeten Arzneimittel erhöhen.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Da nierenschädigende Wirkungen von Tenofovir nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden können, empfiehlt sich eine Überwachung der Nierenfunktion. Für die Behandlung mit Tenofovir-Disoproxilfumarat ist Vorsicht geboten bei Patienten mit einer gering- bis mittelgradig ausgeprägten Niereninsuffizienz. Ist die gleichzeitige Anwendung von Tenofovir Disoproxilfumarat und nephrotoxischen Wirkstoffen unvermeidbar, sollte die Nierenfunktion wöchentlich kontrolliert werden.

 

Kurz zusammengefasst 

Tenofovir-Disoproxilfumarat (Tenofovir DF, Viread®) gehört zu einer neuen Gruppe antiretroviraler Medikamente: den nukleotidanalogen Inhibitoren der Reversen Transkriptase (NtRTI). Im Unterschied zu den Nukleosiden besitzt Tenofovir bereits eine phosphatanaloge Gruppe. Für die intrazelluläre Phosphorylierung zum aktiven Metaboliten Tenofovir-Diphosphat, einem kompetitiven Hemmer der Reversen Transkriptase, sind somit weniger Phosphorylierungsschritte erforderlich. Tenofovir wird sowohl in ruhenden als auch in aktivierten T-Zellen umgewandelt. Wegen der langen intrazellulären Halbwertszeit ist eine einmal tägliche Einnahme von Tenofovir DF (in Form einer 300-mg-Tablette) ausreichend. Die Substanz wird nicht über das CYP450-Enzymsystem metabolisiert. Daher sind keine entsprechenden Wechselwirkungen zu erwarten. Tenofovir wird primär über die Nieren eliminiert, sowohl durch Filtration als auch durch das aktive tubuläre Transportsystem, wobei nach intravenöser Verabreichung etwa 70 bis 80% der Dosis als unveränderte Substanz über den Urin ausgeschieden werden. Nach oraler Gabe liegt die terminale Halbwertszeit von Tenofovir DF bei etwa 12 bis 18 Stunden.

Tenofovir DF kann in Kombination mit anderen antiretroviralen Substanzen die HIV-RNA-Viruslast langfristig und statistisch signifikant senken. Die neue Substanz wurde in klinischen Studien bei mehr als 4500 Patienten weltweit eingesetzt und hat nach den vorliegenden Daten ein günstiges Resistenzprofil; sie ist auch bei Patienten mit multiplen Reverse-Transkriptase-Resistenzmutationen meist noch wirksam. Die Wirkung von Tenofovir in Kombination mit einer Basistherapie mit antiretroviralen Wirkstoffen wurde in zwei randomisierten, plazebokontrollierten Studien über einen Zeitraum von 24 bis 48 Wochen bei vorbehandelten HIV-1-infizierten Erwachsenen untersucht. In den beiden Studien erhielten 186 bzw. 550 vorbehandelte Patienten, die bereits gegen verschiedene antiretrovirale Substanzen resistent geworden waren, zusätzlich zu ihrer bestehenden Therapie Tenofovir DF oder Plazebo. Dabei zeigte Tenofovir DF eine gute antivirale Wirkung. Fünf der mit 245 mg Tenofovir DF behandelten Patienten entwickelten innerhalb der ersten 24 Wochen eine K65RMutation. Die klinische Bedeutung dieser Mutation ist nicht bekannt. Unerwünschte Wirkungen waren überwiegend schwach ausgeprägt. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und Flatulenz. Rund 1% der mit Tenofovir DF behandelten Patienten beendete die Behandlung aufgrund von Magen-Darm-Beschwerden.

 

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