Glatirameracetat

Glatirameracetat 

ATC-Code

L: Antineoplastische und immunmodulierende Mittel

L03: Immunstimulanzien

L03A: Immunstimulanzien

L03AX: Andere Immunstimulanzien

L03AX13: Glatirameracetat

Wirkungsmechanismus

Glatirameracetat besteht aus einem polymerisierten Gemisch der vier wichtigsten Aminosäuren des myelinbasischen Proteins (MBP) im selben Verhältnis wie im Myelin: Glutamin, Lysin, Alanin und Tyrosin (1,4:3,4:4,2:1,0). Der Name Glatirameracetat leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Aminosäuren ab.

Das hochpolare Gemisch der verschiedenen Polypeptide bindet an MHC-Proteine und beeinflusst vermutlich die Immunreaktion, indem es das Autoantigen aus seiner Bindung an den MHC-Komplex und an spezifische Effektor-T-Zellen verdrängt. Als Folge erhöht sich beispielsweise die Zahl von spezifischen Suppressorzellen, welche die Entzündung im ZNS unterdrücken können.Dadurch soll Glatirameracetat Immunprozesse modulieren, die für die Pathogenese der MS verantwortlich gemacht werden. Die Substanz benötigt mindestens drei Monate, bis sie wirkt. Da Glatirameracetat schnell zu physiologischen Aminosäuren abgebaut wird, treten kaum Nebenwirkungen auf.

 

Hintergrundinformation

Die MS - eine Autoimmunerkrankung
Die Multiple Sklerose (MS) ist ein chronische, entzündliche Erkrankung, die vor allem junge Erwachsene befällt. In Deutschland leiden etwa 120 000 Menschen an dieser Autoimmunerkrankung.Während normalerweise verschiedene Mechanismen dafür sorgen, dass die Zellen des Immunsystems gesunde körpereigene Strukturen und Organe nicht angreifen, wird bei Autoimmunerkrankungen diese Selbsttoleranz durchbrochen - das hocheffektive Immunsystem richtet sich gegen das fälschlicherweise als "fremd" erkannte körpereigene Gewebe. Der Auslöser für diesen Verlust der Selbsttoleranz ist noch unklar, eine Rolle spielen beispielsweise Umwelteinflüsse und auch Viren. Bei der Multiplen Sklerose richten sich so genannte autoreaktive Zellen gegen verschiedene Moleküle, die in der Hüllschicht, dem Myelin, von Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark lokalisiert sind und die für die Nervenleitung unabdingbar sind.

Vor allem proinflammatorische TH1-Lymphozyten wandern in das zentrale Nervensystem ein und führen dort zu lokalen Zerstörungsreaktionen, an denen auch inflammatorische Zytokine beteiligt sind.

Der Patient bemerkt eine solche Immunattacke gegen das Myelin, wenn Bahnsysteme, die beispielsweise für das Gehen oder das Sehen wichtig sind, betroffen werden. Er erleidet dann einen Schub, eine akute Verschlechterung neurologischer Funktionen. Je nach dem Ort der Schädigung treten unterschiedliche Ausfälle oder Lähmungen auf. Wie bei jeder Verletzung findet anschließend eine Wundheilung statt, die Funktionen bessern sich, und der Schub bildet sich zurück. Meist wird nach einem Schub allerdings die volle Funktionsfähigkeit nicht wieder erlangt. Im Verlauf von immer wiederkehrenden Schüben nehmen bei den Betroffenen Behinderungen in zahlreichen Systemen zu: Das Gehen wird schwerer, die kognitive Leistungsfähigkeit und die Ausdauer lassen nach, Störungen der Blasen-, Mastdarm- und Sexualfunktion treten auf; Gefühlsstörungen und Koordinationsstörungen sind bei lange bestehender Multipler Sklerose die Regel. Bei etwa 85% der Betroffenen beginnt die MS mit Schüben und Verbesserungen (schubförmiger Verlauf), später werden die Schübe seltener. Bei einem Teil der Betroffenen schreitet die Verschlechterung im weiteren Verlauf ohne Verbesserungen fort (sekundär chronisch-progredienter Verlauf).

Bei etwa 15% der Betroffenen findet sich diese schleichende Verschlechterung der Behinderung bereits von Anfang an (primär chronisch-progredienter Verlauf).

Hintergrundinformation

Schubförmige Multiple Sklerose - ab wann behandeln?
Durch verbesserte Labor- und Liquordiagnostik, neurophysiologische Diagnostik und verbesserte kernspintomographische Möglichkeiten kann die Diagnose "Multiple Sklerose" heute früher und sicherer gestellt werden als noch vor einigen Jahren. Die frühe Diagnosestellung würde einen frühen Therapiebeginn erlauben. Dennoch wird die Behandlung einer schubförmigen MS trotz Krankheitsaktivität oft sehr spät begonnen. Patienten mit sicherer schubförmiger Multipler Sklerose, die Krankheitsaktivität zeigen, d. h. zwei Schübe in den letzten beiden Jahren hatten, sollten auf eine immunmodulatorische Dauertherapie eingestellt werden. Damit soll das Fortschreiten der Behinderung so lange wie möglich verzögert werden.

Außerdem werden im Laufe der Erkrankung immer mehr verschiedene Epitope in das Immungeschehen einbezogen, d. h. als fremd erkannt, und damit wird das Immungeschehen weiter angeheizt.

Pharmakokinetik

Bei Patienten wurden keine pharmakokinetischen Studien durchgeführt. In-vitroDaten und begrenzte Ergebnisse von Probanden zeigen, dass subkutan verabreichtes Glatirameracetat leicht absorbiert wird. Der überwiegende Teil der Dosis wird bereits im subkutanen Gewebe schnell in kleinere Fragmente abgebaut.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die empfohlene Dosierung bei Erwachsenen beträgt einmal täglich 20 mg Glatirameracetat (entsprechend einer Durchstechflasche Copaxone(r)). Das Pulver wird in 1 ml Wasser für Injektionszwecke gelöst; die Lösung wird als subkutane Injektion verabreicht.Glatirameracetat kann nicht für die Anwendung bei Patienten unter 18 Jahren empfohlen werden, da keine Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels bei dieser Patientengruppe vorliegen. Glatirameracetat wurde ebenfalls nicht an älteren Patienten untersucht. Studien mit Glatirameracetat bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion liegen nicht vor.

Kontraindikationen

Glatirameracetat ist unter folgenden Umständen kontraindiziert:

  • bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Glatirameracetat oder Mannitol;
  • bei Schwangerschaft.

Unerwünschte Wirkungen

In allen klinischen Studien traten am häufigsten Reaktionen an der Injektionsstelle auf (82% Verum vs. 48% Plazebo). Zu den häufigsten dieser lokalen Reaktionen gehören: Erythem, Schmerz, Quaddelbildung, Pruritus, Ödem, Entzündung und Überempfindlichkeit. Diese werden auf lokale Histaminfreisetzungen zurückgeführt. Im Gegensatz zu Interferon beta-1b kam es nicht zu Hautnekrosen. Bei vielen Patienten trat ein- oder mehrmals eine so genannte "sofortige Postinjektionsreaktion" auf, die an eine Hyperventilation erinnert. Die Patienten bekommen unmittelbar nach der Injektion subjektiv Luftnot mit Engegefühl im Thorax, Angst, Gefäßerweiterung mit Gesichtsrötung, Herzjagen und Brustschmerz. Nach spätestens 20 bis 30 Minuten klingt diese Reaktion folgenlos ab. Für die Reaktion könnten versehentliche intravenöse Injektionen in kleine Hautvenen verantwortlich sein. 41% der Patienten aus der Verumgruppe berichteten im Behandlungszeitraum wenigstens einmal über mindestens ein Symptom der unmittelbaren Post-Injektions-Reaktionen, gegenüber 20% der Patienten, die Plazebo erhielten.

Die folgenden unerwünschten Ereignisse traten um mehr als 2% (> 2/100) häufiger in der mit Glatirameracetat behandelten Gruppe als in der Plazebogruppe auf.

  • Ganzer Körper: sehr häufig (> 1/10): Reaktionen an der Injektionsstelle, Brustschmerzen, Schmerz; häufig (> 1/100, < 1/10): Schüttelfrost, Gesichts ödem, lokale Reaktionen
  • Kardiovaskuläres System: sehr häufig: Herzklopfen, Vasodilatation; häufig: Synkope, Tachykardie
  • Verdauungstrakt: sehr häufig: Übelkeit; häufig: Erbrechen
  • Blut- und Lymphsystem, häufig: Lymphadenopathie
  • Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen: häufig: Ödem, Gewichtszunahme
  • Nervensystem: sehr häufig: Angst; häufig: Nervosität, Tremor
  • Respirationstrakt: sehr häufig: Dyspnö
  • Haut und Hautanhangsgebilde: sehr häufig: Rash, Schwitzen; häufig: Herpes simplex, benignes Haut-Neoplasma
  • Sinne: häufig: Funktionsstörungen der Augen
  • Urogenitalsystem: häufig: Candida-Mykose der Vagina Nur bei sieben von 545 Patienten wurde die Therapie aufgrund von schweren Nebenwirkungen abgebrochen. Zwei dieser Patienten brachen aufgrund von schweren mehrfach aufgetretenen sofortigen Postinjektionsreaktionen die Behandlung ab; ein Patient litt nach der Injektion unter Übelkeit, Erbrechen und Schwäche, die auf Glatirameracetat zurückgeführt wurden. Bei den anderen Therapieabbrechern wegen schwerer Nebenwirkungen wurde kein Zusammenhang mit der Therapie gesehen. Insgesamt brachen 9% der Patienten die Studie wegen Nebenwirkungen (meist lokale Hautreaktionen) ab.

Wechselwirkungen

  • Daten zu Wechselwirkungen mit Interferon beta liegen nicht vor.
  • Bei gleichzeitiger Behandlung mit Glucocorticoiden wurden Reaktionen an der Injektionsstelle häufiger beobachtet.
  • In-vitro-Untersuchungen deuten an, dass Glatirameracetat in starkem Maße an Plasmaproteine gebunden wird. Jedoch wird Glatirameracetat nicht durch Phenytoin oder Carbamazepin aus der Bindung an Plasmaproteine verdrängt und verdrängt selbst diese Substanzen nicht. Da Glatirameracetat jedoch theoretisch das Potenzial besitzt, die Verteilung von proteingebundenen Substanzen zu beeinflussen, ist die gleichzeitige Gabe solcher Arzneimittel sorgfältig zu überwachen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Glatirameracetat ist ausschließlich subkutan zu injizieren. Es darf nicht intravenös oder intramuskulär verabreicht werden.Innerhalb von Minuten nach einer Injektion können Reaktionen mit mindestens einem der folgenden Symptome auftreten: Gefäßerweiterung (Flush), Brustschmerzen, Dyspnö, Herzklopfen bzw. Tachykardie. Der Patient ist vom behandelnden Arzt über das mögliche Auftreten solcher Reaktionen aufzuklären. Die meisten dieser Reaktionen sind von kurzer Dauer und gehen spontan ohne weitere Folgen zurück. Bei Auftreten einer schweren unerwünschten Reaktion muss der Patient die Anwendung unverzüglich abbrechen und seinen behandelnden Arzt bzw. einen Notfallarzt benachrichtigen. Über die Einleitung einer symptomatischen Behandlung entscheidet der betreffende Arzt.

Es gibt keine Hinweise dafür, dass für bestimmte Patientengruppen bezüglich dieser Reaktionen ein besonderes Risiko besteht. Trotzdem ist Vorsicht geboten,wenn Glatirameracetat bei Patienten mit bereits bestehenden Herzerkrankungen verabreicht wird. Diese Patienten sollten während der Behandlung regelmäßig kontrolliert werden.Über Konvulsionen und/oder anaphylaktoide oder allergische Reaktionen wurde selten berichtet.

In seltenen Fällen kann es zu ernsthaften Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Bronchospasmus, Anaphylaxie oder Urtikaria) kommen. Bei schwerwiegenden Reaktionen ist eine entsprechende Therapie einzuleiten und die Behandlung mit Glatirameracetat abzubrechen.

Unter der Langzeittherapie mit täglicher Gabe von Glatirameracetat wurden in den Seren der Patienten Antikörper gegen Glatirameracetat gefunden. Diese erreichten nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 3 bis 4 Monaten ihre maximale Konzentration und nahmen danach bis zu einer Konzentration wieder ab, die geringfügig höher war als die Ausgangskonzentration. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Antikörper gegen Glatirameracetat neutralisierend wirken oder die klinische Wirksamkeit von Glatirameracetat beeinflussen könnten.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenleistung sollte während der Behandlung mit Glatirameracetat die Nierenfunktion überwacht werden. Obwohl es keine Hinweise auf eine Ablagerung von Immunkomplexen in den Glomeruli beim Menschen gibt, kann diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Weltweit kam es bis jetzt unter einer Therapie mit Glatirameracetat zu 30 Schwangerschaften, teratogene oder abortive Wirkungen wurden dabei nicht beobachtet. Dennoch sollte die Behandlung vorsichtshalber abgebrochen werden, wenn eine Schwangerschaft eintritt. Während der Anwendung dieses Arzneimittels sollten kontrazeptive Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Daten zum Übergang von Glatirameracetat, seiner Metabolite oder deren Antikörper in die Muttermilch liegen nicht vor. Bei der Verabreichung von Glatirameracetat an die stillende Mutter ist dennoch Vorsicht geboten. Sowohl für die Mutter als auch für das Kind sind die Risiken gegen den eventuellen Nutzen der Behandlung abzuwägen.

Handelspräparat Copaxone® 

Hersteller

Einführungsdatum

Zusammensetzung

Jede Durchstechflasche enthält 20 mg Glatirameracetat, entsprechend 18 mg Glatiramer.

Nach Herstellung der gebrauchsfertigen Injektionslösung beträgt die Konzentration 18 mg Glatiramer/ml.

Glatirameracetat ist das Acetatsalz von synthetischen Polypeptiden, die vier natürlich vorkommende Aminosäuren enthalten: L-Glutaminsäure, L-Alanin, L-Tyrosin und L-Lysin.

Die Spannen der Molarfraktionen betragen 0,129 - 0,153; 0,392 - 0,462; 0,086 - 0,100 bzw. 0,300 - 0,374. Das durchschnittliche Molekulargewicht von Glatirameracetat liegt im Bereich von 5000 bis 9000 Dalton.

Hilfsstoffe:

Mannitol, Wasser für Injektionszwecke.

Die Lösung ist bei 2 ºC bis 8 ºC (im Kühlschrank) zu lagern. Um die lokale Verträglichkeit der gebrauchsfertigen Injektionslösung zu verbessern, ist es ratsam, die Ampullen mit dem Lösungsmittel für Copaxone®Pulver (Wasser für Injektionszwecke) getrennt bei 15 ºC bis 25 ºC zu lagern.

Packungsgrößen, Preise, PZN

28 Durchstechflaschen, EUR 1135,56, PZN 1521847

Indikation

Glatirameracetat ist angezeigt zur Reduktion der Schubfrequenz bei ambulanten Patienten mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose (MS), bei denenmindestens zwei Schübe mit neurologischen Funktionsstörungen während der letzten 2 Jahre aufgetreten sind.

Glatirameracetat ist nicht indiziert bei primär oder sekundär progredienter MS.

Dosierung

Die empfohlene Dosierung bei Erwachsenen beträgt einmal täglich 20 mg Glatirameracetat (entsprechend einer Durchstechflasche Copaxone®). Das Pulver wird in 1 ml Wasser für Injektionszwecke gelöst; die Lösung wird als subkutane Injektion verabreicht. Die Injektionsstelle ist jeden Tag zu wechseln, um das Risiko möglicher Irritationen oder Schmerzen an der Injektionsstelle zu verringern. Mögliche Injektionsstellen sind: Bauch, Arme, Hüften oder Oberschenkel.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Glatirameracetat oder Mannitol, Schwangerschaft

Unerwünschte Wirkungen

Reaktionen an der Injektionsstelle (Erythem, Schmerz, Quaddelbildung, Pruritus, Ödem, Entzündung und Überempfindlichkeit); sofortige Postinjektionsreaktion (Luftnot mit Engegefühl im Thorax, Angst, Gefäßerweiterung mit Gesichtsrötung, Herzjagen, Brustschmerz).

 

Wechselwirkungen

Daten zu Wechselwirkungen mit Interferon beta liegen nicht vor. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Glucocorticoiden kann es häufiger zu Reaktionen an der Injektionsstelle kommen.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Glatirameracetat ist ausschließlich subkutan zu injizieren, es darf nicht intravenös oder intramuskulär verabreicht werden. Vorsicht ist geboten, wenn Glatirameracetat bei Patienten mit bereits bestehenden Herzerkrankungen verabreicht wird. In seltenen Fällen kann es zu ernsthaften Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Bronchospasmus, Anaphylaxie oder Urtikaria) kommen.

Literatur

Comi, G., M. Filippi, J. S. Wolinsky, European Glatiramer Acetate Study Group. Ann. Neurol. 49, 290 - 297 (2001).

Ge, Y., et al.: Glatiramer acetate (Copaxone) treatment in relapsing-remitting MS. Neurology 54, 813 - 817 (2000).

Johnson, K. P.: Sustained clinical benefits of glatiramer acetate in relapsing multiple sclerosis Patients observed for 6 years. Multiple Sclerosis 6, 255 266 (2000).

Johnson, K. P., et al.: Copolymer 1 reduces relapse rate and improves disability in relapsin-remitting multiple sclerosis: results of a phase III multicenter, double-blind, placebo-controlled trial. Neurology 45, 1268 - 1276 (1995).

Johnson, K. P., et al.: Extended use of glatiramer acetate (Copaxone) is well tolerated and maintains its clinical effect on multiple sclerosis relapse rate and degree of disability. Neurology 50, 701 - 708 (1998). Mancardi, G. L., et al.: Effect of copolymer-1 on serial gadolinium-enhancedMRI in relapsing remitting multiple sclerosis. Neurology 50, 1127 - 1133 (1998).

 

Kurz zusammengefasst 

Mit Glatirameracetat (Copolymer-1, Copaxone®) kommt jetzt nach den BetaInterferonen ein weiterer Wirkstoff zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) auf den Markt. Glatirameracetat wird einmal täglich in einer Dosis von 20 mg subkutan appliziert. Eine orale Darreichungsform wurde bis jetzt ohne Erfolg erprobt.

Glatirameracetat besteht aus einem polymerisierten Gemisch der vier wichtigsten Aminosäuren des myelinbasischen Proteins (MBP) im selben Verhältnis wie im Myelin: Glutamin, Lysin, Alanin und Tyrosin (1,4:3,4:4,2:1,0). Der Name Glatirameracetat leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Aminosäuren ab. Das hochpolare Gemisch verschiedener Polypeptide bindet an MHCProteine und beeinflusst die Immunreaktion, weil es das Autoantigen aus seiner Bindung an den MHC-Komplex und an spezifische Effektor-T-Zellen verdrängt. Als Folge erhöht sich beispielsweise die Zahl von spezifischen Suppressorzellen, welche die Entzündung im ZNS unterdrücken können. Glatirameracetat wirkt mild immunmodulatorisch und benötigt mindestens drei Monate, bis es wirkt.

Wie die Beta-Interferone eignet sich Glatirameracetat vor allem für Patienten mit relativ wenig Behinderungen in einem frühen Stadium der Erkrankung. In der Wirksamkeit ist Glatirameracetat mit den Beta-Interferonen vergleichbar. In der größten kontrollierten Studie wurde die Schubrate um 32% reduziert (von 1,98 unter der Plazebogabe auf 1,34 unter der Behandlung mit Glatirameracetat). Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich Glatirameracetat gegenüber Plazebo günstig auf die kernspintomographischen Parameter der schubförmig remittierenden MS auswirkt. Glatirameracetat hatte jedoch keinen günstigen Einfluss auf die Progression von Behinderungen bei Patienten mit schubförmig remittierend verlaufender MS. Auch ist nicht nachgewiesen, dass die Behandlung mit Glatirameracetat die Dauer oder den Schweregrad eines Schubes beeinflusst. Daten aus kontrollierten Behandlungen über 5 Jahre belegen, dass die Wirksamkeit mit der Zeit zunimmt und das gute Sicherheitsprofil über die Zeit erhalten bleibt. Für die Anwendung bei Patienten mit chronisch-progredientem Krankheitsverlauf gibt es derzeit noch keine aussagekräftigen Studien, deshalb ist die Substanz für diese Anwendung nicht zugelassen. Lokale Hautreaktionen an der Einstichstelle treten häufig auf (Rötung, Entzündung, Papeln, Juckreiz), diese werden auf lokale Histaminfreisetzungen zurückgeführt. Im Gegensatz zu Interferon beta-1b kam es bisher nicht zu Hautnekrosen. Bei einem großen Teil der Patienten trat ein- oder mehrmals eine sogenannte "sofortige Postinjektionsreaktion" auf, die an eine Hyperventilation erinnert. Die Patienten bekommen unmittelbar nach der Injektion subjektiv Luftnot, Angst, Herzjagen, Thoraxengegefühl und Gesichtsrötung. Nach spätestens 20 bis 30 Minuten klingt diese Reaktion folgenlos ab. Für die Reaktion könnten versehentliche intravenöse Injektionen in kleine Hautvenen verantwortlich sein. Es gibt keinerlei Hinweise, dass durch die Behandlung mit Glatirameracetat eine Veränderung an inneren Organen, Blutparametern, Urinparametern oder dem Blutdruck auftritt.

Weltweit kam es bis jetzt unter einer Therapie mit Glatirameracetat zu 30 Schwangerschaften, teratogene oder abortive Wirkungen wurden dabei nicht beobachtet. Dennoch sollte die Behandlung vorsichtshalber abgebrochen werden, wenn eine Schwangerschaft eintritt. Wegen der guten Verträglichkeit und dem Fehlen von grippeähnlichen Nebenwirkungen oder Temperaturerhöhungen ist Glatirameracetat besonders für Patienten geeignet, die empfindlich sind oder durch Erhöhungen der Körpertemperatureine Zunahme der Behinderung erfahren. Patienten mit hoher Krankheitsaktivität oder vielen akuten, also kontrastmittelaufnehmenden Herden werden zur Zeit eher mit Beta-Interferon behandelt. Wenn bei einem Patienten die BetaInterferon-Therapie versagt, ist Glatirameracetat die Substanz der Wahl. Ein Nachteil von Glatirameracetat ist die täglich notwendige Injektion. Ob die Substanz auch in größeren Zeitabständen gespritzt werden kann, wurde bisher nicht untersucht. Die orale Applikation von Glatirameracetat wird derzeit in Tierstudien und in frühen klinischen Stadien beim Menschen getestet.

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