Fünf-Tage-Kur für ein längeres Leben?

Fasten ist der freiwillige Verzicht auf kalorienhaltige Nahrungsmittel oder Getränke über einen begrenzten Zeitraum. Auch eine temporär stark reduzierte Kalorienzufuhr wird als weniger strenge Form zum Fasten dazu gezählt. Menschen fasten oder halten Diät, um Gewicht zu verlieren, aus religiösen Gründen, aber auch um ihre Gesundheit zu erhalten bzw. zu verbessern (siehe Kasten: „Aktuelle Trenddiäten“) [1].

Da eine längerfristige Nulldiät das Risiko für einen Nährstoffmangel birgt, entwickelten Forschende alternative modifizierte Fastenmethoden, die bei gleichen gesundheitlichen Vorteilen ein höheres Maß an Sicherheit gewährleisten sollen. So gilt intermittierendes Fasten in einem täglichen oder wöchentlichen Zeitfenster, zum Beispiel 16 Stunden täglich (16:8-Methode) oder zwei Tage pro Woche (5:2-Methode), als gesundheitsfördernd. Zudem ist es für die meisten Menschen im Alltag umsetzbar und sicher. Auf längere Sicht ist allerdings auch diese Art von Nahrungsverzicht schwer vereinbar mit Ernährungsgewohnheiten und Lebensstilen insbesondere im sozialen Kontext. Regelmäßig wiederholte, nur wenige Tage andauernde Zyklen mit reduzierter Kalorienzufuhr – wie das Schein-Fasten – fördern dagegen die Adhärenz [2].

Was passiert im Körper beim Fasten?

Während längerfristiger Fastenperioden stellt der Organismus seinen Energiestoffwechsel zunehmend auf Ketonkörper als Brennstoff um. Dazu werden aus den Fettdepots Triglyceride abgebaut. Die Fähigkeit zu fasten entstand evolutionär aus der Notwendigkeit, sich natürlichen Phasen der Nahrungsmittelknappheit anzupassen und diese zu überleben.

Mehrere Stunden nach der letzten Mahlzeit sinken zunächst die Glucose- und Insulinkonzentration im Blut. Die Glykogenolyse hält den Blutzuckerspiegel aufrecht. Sind die Glykogenspeicher in der Leber erschöpft, wird die Gluconeogenese in Leber und Niere angekurbelt. Die dazu benötigten Aminosäuren werden aus dem Abbau von Muskelprotein bereitgestellt. In diesem ­Stadium läuft die Produktion von Ketonkörpern (β-Hydroxybutyrat, Acetoacetat und Aceton) aus freien Fettsäuren in der Leber an. Auch das Gehirn kann diese als Brennstoffquelle nutzen. Schließlich konzentriert sich der Organismus vollständig auf die Verwertung von Ketonkörpern zur Energiegewinnung, sodass der Muskelabbau solange unterbrochen wird, bis die Fettreserven aufgebraucht sind [1, 7].

Wer steckt hinter dem Prinzip des Schein-Fastens?

Eine Fastenstrategie auf dieser Grundlage ist mithilfe der Scheinfasten-Diät (engl. fasting-mimicking diet, FMD) umsetzbar. Sie geht auf den Biochemiker Valter Longo zurück, der sich als Professor für Gerontologie und Biowissenschaften an der University of Southern California der Erforschung grundlegender Mechanismen des Alterns und altersbedingter Erkrankungen widmet. Ursprünglich hatte die Diät zum Ziel, die Wirkung von Krebstherapien zu optimieren und die Patienten obendrein adäquat zu ernähren. Vielversprechende Studienergebnisse, die am Mausmodell gewonnen wurden, veranlassten Longo, die Scheinfasten-Diät für ein möglichst breites Publikum zu konzipieren. Er richtete dabei den Fokus auf die Prävention altersbedingter Erkrankungen und die Förderung einer gesunden, langen Lebensdauer [3].

Fasten imitieren

Die Scheinfasten-Diät erlaubt eine protein- und zuckerarme Kost auf pflanzlicher Basis, die an fünf aufeinanderfolgenden Tagen zur Anwendung kommt. Die spezielle Zusammensetzung der Nahrung sowie die Reduktion der Nahrungsenergie auf 1100 Kilokalorien (an Tag 1) und 800 Kilokalorien (an Tag 2 bis 5) sollen einen Stoffwechselzustand „nachahmen“ (engl. mimic), der im menschlichen Organismus während des Fastens auftritt (siehe Kasten: „Was passiert im Körper beim Fasten?“).

Verteilt auf drei Mahlzeiten deckt sich die eine Hälfte der Kalorienmenge über Gemüse, die andere über Olivenöl und Nüsse. Zusätzlich soll die Einnahme von Omega-3/6-Fettsäure-, Multivitamin- und Mineralstoffsupplementen einer Unterversorgung an Mikronährstoffen vorbeugen [2, 3].

Nach Longo entscheiden verschiedene Kriterien wie Gewicht und Risikofaktoren für bestimmte Erkrankungen über die Frequenz der Fünftageszyklen. Während er beispielsweise übergewichtigen Personen einen Zyklus pro Monat empfiehlt, sieht er bei normalgewichtigen gesunden Personen einen viermonatigen Rhythmus als ausreichend an [3].

Tütensuppe, Cracker und Oliven

Zur praktischen Umsetzung vermarktet Longo über die Firma L-Nutra, deren Gründer und wissenschaftlicher Berater er ist, das patentierte Ernährungsprogramm ProLon® (Abkürzung für „Pro-Longevity“). Das Produkt soll laut Herstellerangaben „das biologische Alter in drei Zyklen um 2,5 Jahre verbessern“, indem es „Abfallstoffe entfernt und Zellen neu programmiert“ [3, 4]. Eine ProLon®-Fastenbox à 179 Euro für fünf Tage enthält zehn Tütensuppen, Nuss- und Schokoriegel, Cracker, Oliven, Tee und Supplemente [5].

Eine derartige Fastenbox ist ein einfacher, wenn auch nicht ganz billiger Weg, um das Schein-Fasten durchzuführen. Wer Spaß am Kochen hat, kann allerdings auch ohne entsprechende Box „scheinfasten“. Es gibt mittlerweile verschiedene Bücher zum Thema, in denen das Prinzip „Schein-Fasten“ ausführlich erklärt wird, Angaben dazu gemacht werden, wie die erlaubte Kalorienmenge am besten über den Tag zu verteilen ist  und die auch teilweise umfangreiche Rezeptsammlungen enthalten. 

Schein-Fasten soll die Zellen „reinigen“

Nach Longo wird die von ihm propagierte Zellverjüngung dadurch erreicht, dass die Zellen ein Reinigungsprogramm ankurbeln, das überflüssige Bestandteile zerlegt und für den Stoffwechsel neu aufbereitet [3]. Er beschreibt damit einen lysosomalen Abbauprozess, der auch als Autophagie bezeichnet wird: Essenziell für die Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase eliminieren Zellen konstant auf basalem Niveau fehlgefaltete Proteine sowie alternde Zellorganellen und recyceln diese. Stressbedingungen stimulieren diesen Schutzmechanismus, der jedoch im übermäßigen Maß zum Zelltod führen kann [6].

Auch Fasten verändert die Aktivität verschiedener Signalkaskaden und Regulationsprozesse. Unter anderem wird die Aktivität der Proteinkinase mTOR (mechanistic target of rapamycin) gehemmt und damit Autophagie induziert [1, 7].

Aussicht auf Erfolg?

Die Scheinfasten-Diät wurde bisher hauptsächlich an Mäusen untersucht und zeigte bei den Versuchstieren vielversprechende Auswirkungen wie eine verlängerte Lebensdauer und verbesserte Stoffwechselfunktionen. Nur wenige klinische Studien deuten auch auf gesundheitliche Vorteile für den Menschen hin. Eine lebensverlängernde Wirkung am humanen Organismus zu zeigen, ist schwierig. Über die Normalisierung von Biomarkern zum Beispiel IGF-1 (Insulin like-growth factor 1) oder der Reduktion von Risikofaktoren wie Bluthochdruck können jedoch mögliche Rückschlüsse auf die Lebenserwartung gezogen werden [2]. In einer randomisierten kontrollierten Studie mit 82 gesunden Probanden führten drei Zyklen einer fünftägigen ProLon®-Diät zu einer Verringerung von Körpergewicht, Körperfett, Blutdruck- und IGF-1-Werten [8].

Auch in einer randomisierten kontrollierten Studie mit 82 übergewichtigen Diabetes-Patienten zeigten 12 Zyklen einer fünftägigen ProLon®-Diät positive Auswirkungen: Im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte sich in der Scheinfasten-Gruppe der HbA1c-Wert (glykiertes Hämoglobin) trotz Reduktion der glukosesenkenden Medikation [9].

Einen möglichen Benefit im Rahmen von Krebstherapien deutet eine randomisierte kontrollierte Studie mit 129 Brustkrebspatientinnen an, bei der unter Diät Dexamethason als Supportivmaßnahme eingespart werden konnte und weniger DNA-Schäden an T-Lymphozyten auftraten. Allerdings absolvierten nur 13 Patientinnen alle Chemo­ zyklen mit Diät. Primäre Endpunkte wie eine Reduktion von Chemotherapie-induzierten unerwünschten Ereignissen sowie ein verbessertes pathologisch vollständiges Ansprechen, das als Prädikator für die klinische Wirksamkeitt gilt, wurden nicht erreicht [10, 11].

Fazit

Die Datenlage gibt Hinweise darauf, dass periodisches Scheinfasten wie auch Fasten das Potenzial hat, die Gesundheit positiv zu beeinflussen und chronischen Erkrankungen vorzubeugen. Weitere klinische Studien mit höherer Probandenzahl sind nötig, um die sich abzeichnenden vorteilhaften Effekte zu untermauern [2].

Tab. 1: Aktuelle Trenddiäten (eine Auswahl) [12]
Mediterrane Diät = Mittelmeerdiät Ziel: Gesundheit erhalten, chronischen Erkrankungen vorbeugen keine Einschränkung der Kalorienzufuhr ↑ Olivenöl, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse, Obst, Gemüse, Joghurt, Eier, Fisch* ↓ rotes Fleisch, verarbeitete Lebensmittel, zuckerhaltige Getränke, ­Süßigkeiten [13] * traditionell gehört auch moderater Weinkonsum dazu, nach ­Angaben der DGE kritisch zu sehen [14] DASH-Diät = „Dietary Approaches to Stop Hypertension“ Ziel: Blutdruck senken keine Einschränkung der Kalorienzufuhr ↑ Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Fisch, Nüsse, fettarme Milch­produkte ↓ rotes Fleisch, salzreiche Speisen, zuckerhaltige Getränke, Süßig­keiten [15]
MIND-Diät = „Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay“ = Mittelmeer-DASH-Hybriddiät Ziel: Gehirngesundheit erhalten keine Einschränkung der Kalorienzufuhr ↑ Olivenöl, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse, Beeren, Fisch ↓ rotes Fleisch, Butter und Margarine, Vollfettkäse, zuckerhaltige ­Getränke, Süßigkeiten, frittierte Lebensmittel [16] Flexitarismus = flexibler Vegetarismus Ziel: Gesundheit erhalten, Umweltschutz keine Einschränkung der Kalorienzufuhr ↑ Vollkornprodukte, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Milch­produkte, Eier ↓ übermäßiger Verzehr von Fleisch und Fisch keine Verbote, bewusst eingeschränkter Fleischkonsum [12]
Weight Watchers-Diät = „Gewichtsbeobachter“ (ursprünglich mit wöchentlichen Gruppentreffen Betroffener zur Motivation konzipiert) Ziel: Gewichtsreduktion von etwa einem Kilogramm pro Woche Speiseplan wird nach Punktesystem zusammengestellt und darf das persönliche Punktebudget nicht überschreiten keine verbotenen Lebensmittel [17] Volumetrics-Diät = satt werden durch Lebensmittel mit geringer Energiedichte und ­hohem Wassergehalt Ziel: Gewichtsreduktion ↑ Vollkornprodukte, Gemüse, Obst, Kartoffeln, fettarme Milchprodukte Energiedichte steigt mit Fettgehalt keine verbotenen Lebensmittel und kein Kalorienzählen [12]
Literatur

[1] Wilhelmi de Toledo F, Grundler F, Sirtori CR et al. Unravelling the health effects of fasting: a long road from obesity treatment to healthy life span increase and improved cognition. Ann Med. 2020;52(5):147-161

[2] Wang R, Lv X, Xu W et al. Effects of the periodic fasting-mimicking diet on health, lifespan, and multiple diseases: a narrative review and clinical implications. Nutr Rev. 2024;nuae003

[3] Longo V. Iss dich jung. München: Goldmann; 2018

[4] L-Nutra. Prolon®. Abgerufen am 10.12.2024. https://l-nutra.com

[5] ProLon® 5-Day Fastenbox. Abgerufen am 10.12.2024
https://cdn.shopify.com/s/files/1/0692/6453/9916/files/20231010_accordion_def_280723.pdf?v=1696939803

[6] Bagherniya M, Butler AE, Barreto GE, et al. The effect of fasting or calorie restriction on autophagy induction: A review of the literature. Ageing Res Rev. 2018;47:183-197

[7] Ruppert PMM, Kersten S. Mechanisms of hepatic fatty acid oxidation and ketogenesis during fasting. Trends Endocrinol Metab. 2024;35(2):107-124

[8] Wei M, Brandhorst S, Shelehchi M et al. Fasting-mimicking diet and markers/risk factors for aging, diabetes, cancer, and cardiovascular disease. Sci Transl Med. 2017;9(377):eaai8700

[9] van den Burg EL, Schoonakker MP, van Peet PG et al. Integration of a fasting-mimicking diet programme in primary care for type 2 diabetes reduces the need for medication and improves glycaemic control: a 12-month randomised controlled trial. Diabetologia. 2024;67(7):1245-1259

[10] de Groot S, Lugtenberg RT, Cohen D et al; Dutch Breast Cancer Research Group (BOOG). Fasting mimicking diet as an adjunct to neoadjuvant chemotherapy for breast cancer in the multicentre randomized phase 2 DIRECT trial. Nat Commun. 2020;11(1):3083

[11] Vernieri C, Ligorio F, Zattarin E et al. Fasting-mimicking diet plus chemotherapy in breast cancer treatment. Nat Commun. 2020;11(1):4274

[12] U.S. News & World Reports. Best diets overall 2024. Abgerufen am 17.12.2024.https://health.usnews.com/best-diet/best-diets-overall

[13] Dominguez LJ, Di Bella G, Veronese N et al Impact of mediterranean diet on chronic non-communicable diseases and longevity. Nutrients. 2021;13(6):2028

[14] Richter M, Tauer J, Conrad J et al on behalf of the German Nutrition Society (DGE): Alcohol consumption in Germany, health and social consequences and derivation of recommendations for action – Position statement of the German Nutrition Society (DGE). Ernährungs Umschau 2024;71(10): online first + eSupplement

[15] Juraschek SP, Miller ER 3rd, Weaver CM et al. Effects of sodium reduction and the DASH diet in relation to baseline blood pressure. J Am Coll Cardiol. 2017;70(23):2841-2848

[16] Barnes LL, Dhana K, Liu X et al. Trial of the MIND diet for prevention of cognitive decline in older persons. N Engl J Med. 2023;389(7):602-611

[17] Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Weight Watchers-Diät. Abgerufen am 19.12.2024.
www.dge.de/gesunde-ernaehrung/diaeten-und-fasten/heilfasten/weitere-diaeten/weight-watchers-diaet/#c2345