Meningokokken

Was wäre ohne Impfung?

Stuttgart - 06.11.2024, 17:50 Uhr

Dank des 2005 begonnenen Impfprogramms in den USA gegen Meningokokken der Serotypen ACW und Y konnte bei 500 Jugendlichen eine invasive Meningokokken-Erkrankung vermieden werde. (Foto:Marcus Roczen / AdobeStock)

Dank des 2005 begonnenen Impfprogramms in den USA gegen Meningokokken der Serotypen ACW und Y konnte bei 500 Jugendlichen eine invasive Meningokokken-Erkrankung vermieden werde. (Foto:Marcus Roczen / AdobeStock)


Die Meningokokken-Impfung gegen ACWY ist seit knapp 20 Jahren Standard für Jugendliche in den USA. Wie hat das Impfprogramm die Meningokokken-Inzidenz beeinflusst?

Seit 2005 rät das Advisory Committee in Immunization Practices (ACIP), dass sich in den Vereinigten Staaten Jugendliche im Alter von elf bis zwölf Jahren standardmäßig gegen Meningokokken der Serotypen A, C, W und Y impfen lassen. 2010 folgte die Empfehlung einer Auffrischimpfung im Alter von 16 Jahren aufgrund der Beobachtung, dass der Impfschutz mit der Zeit nachlässt. Eine frühkindliche Meningokokken-Impfung empfehlen die USA derzeit nicht routinemäßig, jedoch im Speziellen bei Kindern ab zwei Monaten, wenn sie ein erhöhtes Risiko für invasive Meningokokken-Erkrankungen haben, z. B. aufgrund einer Immundefizienz [1]. Gegen Meningokokken B sollen sich ab Zehnjährige impfen lassen, wenn ein erhöhtes Risiko für eine MenB-Erkrankung besteht.

STIKO-Meningokokken-Impfempfehlung

In Deutschland rät die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) lediglich zur monovalenten Impfung gegen Meningokokken C. Seit Anfang 2024 empfiehlt die STIKO auch eine dreimalige Meningokokken-B-Impfung im Säuglingsalter.

Wie hat das Men-ACWY-Impfprogramm das Meningokokken-Infektionsgeschehen in den Vereinigten Staaten beeinflusst? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn noch vor Einführung der routinemäßigen Impfungen im Jahr 2005 zeigte sich seit 1996 ein rückläufiger Trend bei invasiven Meningokokken-Erkrankungen in den USA. In einer 2020 im Fachjournal „JAMA Pediatrics“ veröffentlichte Kohortenstudie gehen die Autoren davon aus, dass das Meningokokken-Impfprogramm den Rückgang der Inzidenz bei Jugendlichen um das Zwei-bis Dreifache beschleunigt hat.

Ohne Impfprogramm: höhere Men-Inzidenzraten

Die Meningokokken-Situation in den Vereinigten Staaten ohne Impfprogramm: Dieses hypothetische Szenario modellierten nun Wissenschaftler (Bayessches hierarchisches Poisson-Regressionsmodell) sie veröffentlichten ihre Ergebnisse am 6. November 2024 in „JAMA Network“.

Ohne Impfprogramm kommen die Studienautoren auf hypothetische Inzidenzraten invasiver Meningokokken-Erkrankungen bei Jugendlichen zwischen elf und 15 Jahren von

  • 0,17 (95%-CrI = 0,08 bis 0,35) von 2006 bis 2010,
  • 0,08 (95%-CrI = 0,04 bis 0,17) von 2011 bis 2017 und
  • 0,05 (95%-CrI = 0,03 bis 0,11) von 2018 bis 2021,

die jeweils höher liegen als die 2020 im Fachjournal „JAMA Pediatrics“ geschätzten von 

  • 0,12 pro 100.000 (2006 bis 2010) und
  • 0,01 pro 100.000 (2011 bis 2017).

Auch die Booster-Impfung im Alter zwischen 16 und 23 Jahren beeinflusst die Inzidenzrate positiv. Ohne Impfung berechnen die Studienautoren eine hypothetische Inzidenzrate von 

  • 0,27 (95% CrI = 0,13 bis 0,56) von 2006 bis 2010,
  • 0,13 (95% CrI = 0,07 bis 0,28) von 2011 bis 2017 und
  • 0,09 (95% CrI = 0,04 bis 0,18) von 2018 bis 2021.

Die 2020 im Fachjournal „JAMA Pediatrics“ geschätzte Inzidenzrate mit 0,31 sei „vergleichbar“ für den Zeitraum 2006 bis 2010 und höher verglichen mit 0,07 (2011 bis 2017).

500 weniger invasive Meningokokken-Erkrankungen

Sie berechnen für den Zeitraum von 2005 bis 2021, dass die Meningokokken-ACWY-Impfung in den Vereinigten Staaten bei Jugendlichen im Alter zwischen elf und 15 Jahren 172 (95%-Credible Interval [CrI] = 85 bis 345) invasive Meningokokken-Erkrankungen und 16 Todesfälle (95%-CrI = 8 bis 31) verhindert hat, bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 23 Jahren kommen sie auf 328 vermiedene invasive Meningokokken-Erkrankungen (95%-CrI = 164 bis 646) und 38 verhinderte Todesfälle (95%-CrI = 19 bis 75). Ohne das seit 2005 etablierte Impfprogramm würde die Inzidenzrate bei jüngeren Jugendlichen um 110 % höher liegen und bei älteren immerhin um 47 %, schreiben die Studienautoren.

Credible Interval

Das Credible Interval – Glaubwürdigkeitsintervall – aus der Bayesschen Statistik beschreibt den Bereich, in dem ein Wert mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit liegt. Ein 95%t-CrI sagt aus, dass der wahre Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit in diesem Intervall liegt. Das CrI unterscheidet sich damit vom Konfidenzintervall. Ein 95%-Konfidenzintervall beschreibt, dass – bei großer Anzahl an Stichproben – in 95 % der Fälle das Intervall den wahren Wert enthält (keine Aussage zur Wahrscheinlichkeit).

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Die Wissenschaftler sehen mit ihren Studienergebnissen bestätigt, wie bedeutend das Meningokokken-Impfprogramm für die Vereinigten Staaten ist. Vor allem auch die Auffrischung ab 16 Jahren halten sie für wertvoll.

 

Literatur

Shin T et al. Quadrivalent Conjugate Vaccine and Invasive Meningococcal Disease 
in US Adolescents and Young Adults. JAMA Network Open. 2024;7(11):e2443551. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.43551


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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