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Auch im letzten Teil unserer Serie zum Thema Personalgewinnung sprechen wir noch einmal mit einer angestellten Apothekerin. Sie berichtet uns insbesondere von ihren schlechten Erfahrungen, aber auch von ihren Wünschen und Hoffnungen für den Arbeitsplatz Apotheke. Damit sie uns vollständig, ehrlich und ohne Angst vor möglichen Konsequenzen von ihren Erlebnissen erzählen kann, bat sie um anonymisierte Veröffentlichung ihrer Geschichte. Wir geben ihr daher in diesem Artikel den fiktiven Namen „Alev Güler“.
Nach ihrem abgeschlossenen Pharmaziestudium blieb Alev Güler noch einige Jahre in ihrer Praktikums-Apotheke angestellt. Hier kannte sie immerhin bereits grob die Abläufe, das Kollegium und den Chef. Und doch änderte sich mit ihrer Approbation so einiges innerhalb des ihr vertrauten Betriebs. Da ihr Vorgesetzter nun eine Approbierte beschäftigte, zog er sich innerhalb kürzester Zeit vollständig und ohne Vorwarnung aus dem Tagesgeschäft zurück. Irgendwann sei er während der Öffnungszeiten gar nicht mehr in die Apotheke gekommen, und dies monatelang. Neben Güler arbeitete zu diesem Zeitpunkt eine Pharmazie-Ingenieurin in der Apotheke, an einzelnen Tagen im Monat kam auch eine Vorexaminierte als Chefvertretung zum Dienst.
Andere Apothekerinnen oder Apotheker hingegen gab es nicht. Dies habe der frisch approbierten Güler unheimlichen Druck bereitet, schließlich habe sie gewusst, dass sie sich nicht einfach krank melden könne. Denn dann hätte die Apotheke ohne vertretungsberechtigte Person da gestanden. Nicht nur einmal habe sie daher trotz Fieber oder Durchfallerkrankung den Dienst angetreten. Sie sei damals nicht davon ausgegangen, dass ihr Chef in solchen Fällen für sie eingesprungen wäre. Diesen habe sie schließlich wochen- und monatelang nicht gesehen und meist auch in dringenden Fällen nicht einmal telefonisch erreichen können.
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Apotheke ohne Führung
Grundsätzlich habe der Apotheke vollständig die Führung gefehlt. Zwischendurch gab es zwar vereinzelte Team-Besprechungen und einmal auch ein externes Team-Building-Seminar, aus den sehr unterschiedlichen Charakteren habe das allerdings noch lange kein wirkliches Team gemacht, berichtet Güler. Nach ihrem Eindruck wurde die Apotheke insbesondere von einer langjährig dort beschäftigten PTA geleitet, die jegliche Entscheidungen nach eigenem Ermessen getroffen und andere Beschäftigte herumkommandiert habe. Ihr Ton sei insbesondere den jungen Kolleginnen gegenüber häufig herablassend und befehlshaberisch gewesen.
Der Apothekenleiter habe all dies mindestens toleriert, wenn nicht sogar mit seinem Verhalten noch gefördert. Nicht nur seine Aufgaben als Apothekenleiter sowie Führungskraft habe ihr damaliger Chef laut Güler stark vernachlässigt, auch seine heilberuflichen Verpflichtungen habe er nach ihrem Eindruck nicht ausreichend ernst genommen. Bereits während ihres praktischen Jahres hatte Güler mitbekommen, dass viele Kundinnen und Kunden regelmäßig nur „vom Chef“ oder der „Chef“-PTA bedient werden wollten.
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Arzneimittel ohne Rezept
Mehrfach habe sie dabei auch beobachtet, wie verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Vorlage eines Rezeptes den Besitzer wechselten. Das tatsächliche Ausmaß dessen sei ihr jedoch erst während der langfristigen Abwesenheiten des Apothekenleiters bewusst geworden. Mittlerweile war sie mehrfach täglich mit Kundschaft konfrontiert, die ihre Arzneimittel ohne ein ärztliches Rezept von ihr einforderten oder dieses irgendwann nachreichen wollten. Viele dieser Menschen reagierten ungehalten und aggressiv als die Apothekerin ihnen die Problematik dessen erklärte und den Wunsch daher verneinen musste. „Dieser bedenklichen Praxis wollte ich von Anfang an einen Riegel vorschieben“, so Güler. Sie habe daher direkt zu Beginn ihrer Tätigkeit als Chefvertretung auch das Gespräch mit ihrem Kollegium gesucht und unmissverständlich klargemacht, dass sie als diensthabende Apothekerin keinerlei Verstöße gegen das geltende Recht toleriere. Hierüber setzten sich jedoch manche PTAs regelmäßig hinweg, insbesondere die bereits genannte „Chef“-PTA. Wenn Güler dies mitbekam, suchte sie erneut das Gespräch und konfrontierte die Kolleginnen mit der Rechtslage. Jedoch sei sie hier immer wieder auf taube Ohren gestoßen. „Das war denen völlig egal. Man hätte das immer schon so gemacht und der Chef wolle ja, dass die Stammkundschaft glücklich ist“, berichtet Güler aufgebracht. „Nachdem ich dennoch nicht nachgegeben habe, haben die Kolleginnen angefangen mich anzulügen, um doch weiter Arzneimittel ohne gültige Rezepte abgeben zu können.“
Zu naiv und zu loyal
Die verzweifelte Apothekerin suchte in dieser Sache auch immer wieder den Kontakt zu ihrem damaligen Chef. Wenn sie ihn telefonisch erreichen konnte, habe dieser immerzu versucht sie zu beschwichtigen, jedoch keinerlei Lösungen angeboten. Es dauerte dennoch eine ganze Weile bis Güler erkannte, dass sich trotz all ihrer Versuche nichts in dem Betrieb ändern wird, woraufhin sie schließlich den Arbeitgeber wechselte und nie wieder zurückblickte. Heute, viele Jahre später, kann sich die Apothekerin die damalige Situation nur damit erklären, dass es ihrem Chef wohl ausschließlich um ein gutes Betriebsergebnis gegangen war. Und um dieses zu erreichen, waren ihm augenscheinlich auch regelmäßige Rechtsverstöße recht, sogar zulasten einer anderen approbierten Person. Sie selbst sei trotz der immensen Belastung, aufgrund ihres jungen Alters und der wenigen Erfahrung viel zu naiv und loyal gewesen.
Die Thematik um diese gesetzeswidrige Arbeitsweise war für Alev Güler nur die Spitze des Eisbergs. Durch die Gesamtheit ihrer Erfahrungen in dieser Apotheke weiß sie heute, was sie sich vom Arbeitsplatz Apotheke wünscht und was für sie absolute Ausschlusskriterien sind. Jedes gute Team braucht ihrer Meinung nach unbedingt eine Führungskraft, die dieser Bezeichnung auch gerecht wird.
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Konflikte ernst nehmen
Probleme und Konflikte müssen von dieser unbedingt ernst genommen und konstruktiv angegangen werden, ebenso wie generelle Missstände im Betrieb. Man dürfe niemals die Augen vor den eigenen Versäumnissen verschließen, sondern müsse kritische Rückmeldungen des Personals ernst nehmen und entsprechende Verbesserungen anstoßen. Insgesamt sei ihr eine offene, ehrliche und kritikfähige Kommunikation im Team sowie zwischen Team und Führungskraft enorm wichtig. Man verbringt oft viel Zeit auf engem Raum zusammen, da lassen sich Unstimmigkeiten und Konflikte kaum vermeiden, so die Apothekerin.
Ihrer Ansicht nach muss sich eine Führungskraft daher der Aufgabe stellen, ein gesundes zwischenmenschliches Klima zu schaffen, das auch solche Phasen aushält und gestärkt aus ihnen herausgeht. Die Zufriedenheit der Kundschaft dürfe außerdem keinesfalls über alles andere gestellt werden: „Wir sind schließlich Heilberufler und Heilberuflerinnen – wir haben eine große Verantwortung!“. Dies gelte nicht nur für solch offensichtliche Problemfälle, wie die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne entsprechendes Rezept, sondern ebenso auch für das Verhalten und die Anspruchshaltung mancher Kundinnen und Kunden. Es müsse klar sein, dass sich das Team nicht alles gefallen lassen muss. Die Apothekenleitung müsse unbedingt hinter ihrer Belegschaft stehen und dies im Zweifelsfall auch so nach außen deutlich machen. „Ich erwarte ja nicht, dass ein Kunde wegen jeder kleinen Lappalie die Meinung gesagt bekommt, aber wenn jemand wirklich unverschämt oder laut wird, dann müssen meine Chefin oder mein Chef mich unterstützen“, so Güler. Generell arbeite sie gerne eigenverantwortlich und ohne starre Anweisungen, aber ein gesundes Grundgerüst solle dennoch unbedingt vorgegeben werden. Es brauche eine nachvollziehbare Struktur; einen roten Faden, an dem sich alle orientieren. Außerdem müsse allen im Kollegium klar sein, wer über welche (Entscheidungs-)Kompetenzen verfügt. Interessanterweise spricht sich die Apothekerin trotz ihrer schlechten Erfahrungen nicht gegen die Übertragung erweiterter Kompetenzen auf PTAs aus: „So lange alles im rechtlich zulässigen Bereich liegt, sollte nicht immer nur strikt auf die Art der Ausbildung geschaut werden. Wenn ich eine sehr erfahrene PTA mit hoher Arbeitsmotivation im Team habe, sollte sie auf jeden Fall weiter gefördert werden.“
Hierbei dürfe es aber nicht zu einer Ungleichbehandlung im Kollegium kommen und der Einsatz müsse entsprechend honoriert werden – auch monetär. Außerdem appelliert sie an alle Apothekenleitungen: „Bitte stellen Sie genügend Approbierte ein! Viele von uns lieben ihren Job und wollen den Menschen helfen. Aber das darf nicht zur persönlichen Überlastung führen“. Es müsse auch unbedingt gute Regelungen für kurzfristige Krankheitsausfälle geben. All dies sei der Apothekerin deutlich wichtiger als ein hohes Gehalt.
Holpriger Start in den Beruf
Wenngleich der Einstieg in das Berufsleben als Approbierte für Alev Güler äußerst holprig und belastend verlief, so ist sie dennoch glücklich mit ihrem Beruf. Ihrer Meinung nach obliegt Apothekerinnen und Apothekern eine sehr wichtige Funktion in unserer Gesellschaft, die für die bestmögliche Gesundheitsversorgung der Menschen nicht wegzudenken ist. Hiervon sei sie sehr gerne Teil und leiste mit Leidenschaft Tag für Tag ihren Beitrag. Wenn dazu noch der Betrieb, dessen Führung und das Kollegium stimmen, kann sich die Apothekerin mit ganzer Kraft ihrer Berufung widmen.
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