Anreicherung in den Kraftwerken der Zelle
In Wasser lösen sich die dunkelgrünen Kristalle und enthüllen ihr
tiefes Blau. Durch seine aromatische Struktur hat Methylenblau lipophile Eigenschaften und kann Zellmembranen durchdringen. Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke und akkumuliert in neuronalem Gewebe. Hier reichert es sich besonders in den Mitochondrien an.
Als alternativer Elektronenträger in der mitochondrialen Elektronentransportkette kann es die Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) unterbinden. Dabei wird es zum farblosen Leukomethylenblau reduziert, das durch Übertragung freier Elektronen auf Cytochrom C wieder zurückoxidiert wird. Methylenblau hat damit das Potenzial, ROS-induzierte mitochondriale Schäden, die im Laufe eines Lebens unweigerlich akkumulieren, zu reduzieren.
Bei vielen altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson spielt zunehmende mitochondriale Dysfunktionalität eine Rolle, verursacht durch oxidativen Stress. Als regenerierbares Antioxidans übt Methylenblau somit eine neuroprotektive Wirkung aus und wird auch als Anti-Aging-Drug bezeichnet [5 – 9].
Neuroprotektiv und gedächtnisfördernd?
Die Influencer mit den blauen Zungen sprechen oft von gesteigertem Antrieb, erhöhter Konzentrationsfähigkeit und verbessertem Gedächtnis nach der Einnahme von Methylenblau. In Tierversuchen wurde bereits gezeigt, dass die Gedächtnisleistung von Ratten unter Einfluss von Methylenblau zunimmt. Auch Humanstudien lieferten Hinweise in diese Richtung (siehe auch „Methylenblau verbessert Gedächtnis“ von Sarah Katzemich in DAZ 2016, Nr. 28, S. 35).
Gesteigerte Cytochrom-C-Aktivität und verbesserte ATP-Produktion der Mitochondrien in neuronalem Gewebe könnten diesen Effekt erklären. Neben seiner Rolle in der mitochondrialen Atmungskette hat Methylenblau einige weitere pharmakologische Wirkungen. So inhibiert es Monoaminooxidasen (MAO), Stickstoffmonoxid-Synthasen (NOS) und Guanylylcyclasen (GC). Patienten, die mit serotonergen Wirkstoffen, beispielsweise mit Antidepressiva aus den Klassen der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) behandelt werden, sollten daher lieber die Finger vom Methylenblau lassen. Im schlimmsten Fall kann eine Kombination beider Wirkstoffe ein Serotonin-Syndrom auslösen [10].
Auch Personen mit Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase- Mangel sollten die Einnahme von Methylenblau vermeiden. Sie verfügen über zu wenig NADPH, das für die Umwandlung von Methylenblau zu Leukomethylenblau notwendig ist. Methylenblau folgt einer hormetischen Dosis-Wirkungsbeziehung. In hohen Dosen kehrt sich die antioxidative in eine prooxidative Wirkung um, förderliche Effekte für die kognitive Leistung bleiben dann aus [5, 8]. Dies ist auch den Biohackern bei ihren Selbstversuchen nicht entgangen.
1 Kommentar
Methylenblau - welche Qualität darf es sein?
von Chris am 12.09.2024 um 7:40 Uhr
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