Hitzschlag: Wie man Auslöser vermeidet und Erste Hilfe leistet

08.08.2024, 09:15 Uhr


Der vergangene Juli war weltweit der zweitwärmste Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren Extremwetterlagen mit Hitze auch in Mitteleuropa häufiger werden.  Hitzschlag zählt zu den möglichen Folgen hoher Außentemperaturen, die lebensgefährlich werden können. In den heißen Sommern der letzten Jahre haben in Deutschland mehrere Hundert ­Menschen einen Hitzetod erlitten.

Etwa seit Beginn der 2000er-Jahre treten in Deutschland Hitzewellen deutlich häufiger auf als früher. Das hat Institutionen wie das Robert Koch-Institut (RKI) dazu veranlasst, die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Gesundheit und vor allem die Mortalität zu untersuchen. Es zeigte sich, dass die Zahl der Hitzetoten besonders in älteren Altersgruppen deutlich erhöht war. So betrug die hitzebedingte Mortalität im Sommer 2018 in den Bundesländern Hessen und Berlin etwa zwölf pro 100.000 Einwohner. In der Altersgruppe der 75- bis 84-Jährigen lag sie bei etwa 60/100.000, bei den über 84-Jährigen bei etwa 300/100.000 Einwohner. Neben Älteren zählt das RKI auch folgende Personengruppen zu den Risikogruppen für hitzebedingte Mortalität [1]:

  • isoliert lebende Menschen
  • Pflegebedürftige
  • Personen mit starkem Übergewicht
  • Menschen mit chronischen Erkrankungen
  • Menschen mit fieberhaften Erkrankungen
  • Menschen mit Demenz
  • Personen, die Probleme bei der thermophysiologischen Anpassung haben
  • Säuglinge und Kleinkinder.

Sie müssen bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen sowie bei der Kommunikation von Hitze-Risiken, die auch in der Apotheke stattfinden sollte, besonders berücksichtigt werden.

Ursachen und Symptome des Hitzschlags

Zum Hitzschlag kommt es infolge einer Überwärmung des ganzen Körpers, die durch die Thermoregulationsmechanismen, insbesondere das Schwitzen, nicht mehr ausreichend kompensiert werden kann. Die Körperkerntemperatur steigt dann auf über 40 °C an. Typische Symptome sind heiße, trockene und gerötete Haut, Bewusstseins­störungen bis zum Koma, zerebrale Krämpfe, Hirnödem, Tachykardie, ­Hypotonie, Erbrechen und Durchfall; ein Multiorganversagen ist möglich. 

Tab.: Weitere gesundheitliche Störungen als Folge der Hitze [9, 10]

Störung

Ursache

Symptome

Maßnahmen durch Ersthelfer bzw. Rettungsdienst

Sonnenstichlokale Überhitzung des Kopfes und Nackens

Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Benommenheit, Bewusstseinsstörungen;

Körpertemperatur meist normal

Betroffene aus der Sonne bringen, Kühlung des Kopfes, Flüssigkeitszufuhr
HitzekrampfElektrolytstörung und ­Wassermangel infolge übermäßigen Schwitzens

schmerzhafte Muskelkrämpfe;

Körpertemperatur normal

Betroffene an kühlen Ort bringen, Elektrolytgabe (oral, z. B. stark gewürzte Brühe; parenteral durch Arzt)
Hitzeohnmachtkurzer Bewusstseinsverlust durch hitzebedingte Erweiterung der peripheren Blutgefäße, Dehydrierung, geringen venösen Rückfluss

Bewusstlosigkeit, zuvor eventuell Schwindel und Übelkeit;

Körperkerntemperatur normal

stabile Seitenlagerung mit ­erhöhten Beinen; durch Arzt Infusion mit 0,9% NaCl
HitzeerschöpfungVolumenmangel durch ­massiven Flüssigkeitsverlust infolge ­Schwitzens

Schwindel, Kopfschmerz, Schwäche, Bewusstseinsstörungen, Hypotonie;

Körperkerntemperatur noch normal;

Gefahr des Überganges in Hitzschlag, wenn nicht rechtzeitig ­erkannt und therapiert

Kühlungsmaßnahmen wie beim Hitzschlag; NaCl- und Flüssigkeitsgabe unter ärztlicher Überwachung

Nicht immer ist eine überhöhte Wärmeaufnahme, zum Beispiel bei längerem Aufenthalt oder Arbeiten im ­Freien während einer Hitzewelle, der Grund für einen Hitzschlag. Auch ­ausgiebige sportliche Betätigung kann – unabhängig von der Jahreszeit – zu einem Anstieg der Körperkerntemperatur führen. Gefährdet sind dafür vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Ursache des sportinduzierten Hitzschlages ist eine exzessive Wärmeproduktion bei überforderter Wärmeabgabe, zum Beispiel durch unangepasste Kleidung oder durch sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Außerdem kann es zum Hitzschlag kommen, wenn der Temperatur-Sollwert im Rahmen einer Infektion erhöht ist oder das Schwitzen unzureichend funktioniert. So können beispiels­weise zahlreiche Arzneimittel wie ­Anticholinergika oder Antipsychotika zu einer Anhidrose führen [2, 3]. Obwohl sich in der Fachliteratur Quellen finden, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, fordern Experten systematische Studien, in denen die Wirkung von Arzneistoffen auf die Thermoregulation explizit untersucht wird [4 – 8].

Eine Übersicht über Arzneistoffe bzw. Arzneistoffgruppen, die die Temperaturregulation und den Volumenstatus während einer Hitzewelle potenziell beeinflussen können, bietet die sogenannte Heidelberger Hitzetabelle der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Darin werden nicht nur zu erwartende unerwünschte Arzneimittelwirkungen, sondern auch mögliche Maßnahmen zur Risikominimierung aufgeführt, die auch für die Beratung in der Apotheke relevant sind.

Erste Hilfe bei Hitzschlag

Für den Ersthelfer und Laien lässt sich nicht immer genau erkennen, ob ein Hitzschlag oder eine andere hitzebedingte Gesundheitsstörung vorliegt (s. Tab.). Ungeachtet dessen müssen sich Ersthelfer immer dessen bewusst sein, dass ein Hitzschlag ein medizinischer Notfall ist, der zum Tod führen kann. Bei Verdacht ist daher die Alarmierung des Rettungsdienstes obligatorisch. Da die Schwere der Organschädigungen von der Dauer der Hitzeeinwirkung abhängig ist, müssen sofort Kühlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Falls der Betroffene auch wiederbelebt werden muss, haben diese Maßnahmen Vorrang bzw. können, wenn möglich, gleichzeitig durchgeführt werden.

Je nach den Bedingungen am Auffindungsort sind folgende Maßnahmen sinnvoll:

  • Betroffene an einem schattigen Ort oder in einem kühlen Raum lagern
  • Kleidung entfernen
  • Auflegen von Kühlpacks (bevorzugt Nacken, Achselhöhle), wenn möglich auf den ganzen Körper
  • Eintauchen des ganzen Körpers in kaltes Wasser
  • Nutzung des Verdunstungseffekts durch Besprühen der Haut mit Wasser und Erzeugung eines Luftstromes durch Fächeln

Es wird empfohlen, diese Maßnahmen bis zu einer Körperkerntemperatur von 39 bis 38,5 °C durchzuführen. Da eine Temperaturmessung in der Erste-Hilfe-Situation meistens nicht möglich ist, sollten Betroffene genau beobachtet werden, um eine überschießende Hypothermie rechtzeitig zu erkennen. Denn wenn durch den Kältereiz auf der Haut eine periphere Vasokonstriktion und ein Zittern ausgelöst werden, ist dies für den Kühlungseffekt kontraproduktiv. In diesem Fall sollten die Maßnahmen pausiert werden. In jedem Fall müssen Menschen mit einem Hitzschlag stationär eingewiesen werden, auch wenn die Kühlungsmaßnamen zunächst erfolgreich scheinen [2]. 

Dieser Artikel ist ursprünglich 2022 erschienen und wurde aktualisiert. 

Literatur

 [1] Schätzung der Zahl hitzebedingter Sterbefälle und Betrachtung der Exzess-Mortalität; Berlin und Hessen, Sommer 2018. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts 2019;23

 [2] Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM), Stand 06/2020, gültig bis Juni 2025, AWMF-Register-Nr. 053-052, www.awmf.org

 [3] Williams ML Global warming, heat-related illnesses, and the dermatologist. Int J Womens Dermatol 2020;7(1):70-84

 [4] Manivannan A et al. Use of multiple anticholinergic medications can predispose patients to severe non-exertional hyper­thermia. BMJ Case Rep 2021;14: e239873

 [5] Ahmad S et al. Oxybutynin-induced hyperthermia in a patient with Parkinson’s Disease. Cureus 2021;13(4):e14701

 [6] Cheshire WP, Fealey RD. Drug-induced hyperhidrosis and hypohidrosis: incidence, prevention and management. Drug Saf 2008;31(2):109-126

 [7] Ebi KL et al. Heat and Health 1 Hot weather and heat extremes: health risks. Lancet 2021;398:698-708

 [8] Leopoldt D. Gesundheitsgefahr Hitze. DAZ 2022;26:42

 [9] Ziegenfuß T. Notfallmedizin. 8. Auflage, Springer Verlag 2022

[10] Arbeiten unter klimatischen Belastungen. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM) und weiterer Fachgesellschaften, AWMF-Register Nr. 002/045, www.awmf.org

 


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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