Evidenz laut Cochrane Collaboration „sehr gering“

Helfen Schmerzmittel bei Otitis media?

Stuttgart - 27.10.2023, 16:45 Uhr

Mittelohrentzündungen gehören zu den häufigen Erkrankungen bei Kindern. Meist verlaufen sie komplikationslos. (Foto: H_Ko / AdobeStock)

Mittelohrentzündungen gehören zu den häufigen Erkrankungen bei Kindern. Meist verlaufen sie komplikationslos. (Foto: H_Ko / AdobeStock)


Bevor bei einer akuten, unkomplizierten Mittelohrentzündung Antibiotika eingesetzt werden, sollen zunächst nur symptomatisch die Schmerzen therapiert werden. Ist dieses Vorgehen evidenzbasiert? Das untersuchte ein Team der Cochrane Collaboration.

Klagen Kinder über Ohrenschmerzen und Fieber, ist oft eine Mittelohrentzündung ursächlich für die beiden Hauptsymptome. Daneben können Hörstörungen, reduzierter Allgemeinzustand, Reizbarkeit und Schwindel auftreten. Laut der S2k-Leitlinie „Ohrenschmerzen“ sollten bei Patienten ohne Risikofaktoren mit akuter Otitis media zunächst nur die Schmerzen behandelt werden, bevor eine antibiotische Therapie eingeleitet wird [1]. Para­cetamol (Tageshöchstdosis: 60 mg/kg Körpergewicht [KG] pro Tag verteilt auf drei bis vier Dosen) oder Ibuprofen (Tageshöchstdosis: 20 bis 30 mg/kg KG pro Tag verteilt auf drei bis vier Dosen) können hierbei gegeben werden. In einem aktuellen Review der Cochrane Collaboration wurden vier Studien daraufhin analysiert, ob Schmerzmittel die Ohrenschmerzen von Kindern im Alter von sechs Monaten bis 16 Jahren mit akuter Mittelohrentzündung effektiv lindern können und ob die Arzneimittel in Mono- oder Kombi­therapie wirksamer sind. Folgende Ergebnisse konnten die Autoren aus ihrer Analyse ziehen, betonten aber zugleich, dass sie die Evidenz der Studien jeweils als sehr gering erachten:

  • Paracetamol schnitt bei der Linderung von Schmerzen in einer Studie mit 148 Kindern besser ab als Placebo. Nach 48 Stunden hatten 10% der Kinder in der Paracetamol-Gruppe Schmerzen, in der Placebogruppe hingegen 25% (Risikoverhältnis [RR] = 0,38; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,17 bis 0,85).
  • Ibuprofen könnte ebenso effektiver sein als keine Schmerzmittelgabe. In einer Studie mit 146 Kindern hatten nach 48 Stunden 7% der Kinder in der Ibuprofen-Gruppe und 25% in der Placebogruppe Schmerzen (RR = 0,28, 95%-KI = 0,11 bis 0,70).
  • Ob Ibuprofen im Vergleich zu Paracetamol die Schmerzen besser lindern kann, ist laut Autoren nicht eindeutig zu bewerten. Ob Ibuprofen in Kombination mit Paracetamol Schmerzen besser lindern kann als Paracetamol alleine, konnte ebenso nicht klar ermittelt werden.
  • Die Evidenz zur fiebersenkenden Wirkung von Ibuprofen oder Para­cetamol war in allen Untersuchungen sehr unsicher.

Die Autoren schlussfolgern, dass Paracetamol und Ibuprofen (jeweils in Monotherapie) bei Ohrenschmerzen im Zusammenhang mit einer Otitis Media bei Kindern wirksamer sein können als Placebo. Ob Ibuprofen wirksamer ist als Paracetamol oder eine Kombination aus beiden Schmerzmitteln im Vergleich zu Paracetamol alleine besser wirkt, sei sehr unsicher, und weitere Forschungsarbeiten seien notwendig.

Literatur

[1] Ohrenschmerzen. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, AWMF-Registernr. 053/009, Stand: November 2014

[2] De Sévaux JLH et al. Paracetamol (Acetaminophen) oder nicht-steroidale Antirheumatika, allein oder in Kombination, zur Schmerzlinderung bei akuter Mittelohrentzündung bei Kindern. Cochrane Database Syst Rev 2023, doi: 10.1002/14651858.CD011534.pub3


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


Desiree Aberle, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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