AOK NordWest will bei teuren Einzelimporten sparen

Gedeckelte Marge bei Einzelimporten?

Berlin - 22.09.2023, 07:00 Uhr

Die AOK NordWest deckelt jetzt bei importierten Opt-out-Hochpreisern die Marge der Apotheken. (Foto: imago images / Cord)

Die AOK NordWest deckelt jetzt bei importierten Opt-out-Hochpreisern die Marge der Apotheken. (Foto: imago images / Cord)


Es gibt Situationen, die den Einzelimport eines Arzneimittels nötig machen – nicht nur, wenn es hierzulande Lieferschwierigkeiten gibt, sondern beispielsweise auch, wenn ein Hersteller sich entscheidet, ein Präparat vom deutschen Markt zu nehmen. Für Apotheken bedeutet das Mehraufwand, der eigentlich auch honoriert werden müsste. Doch wenn es um Einzelimporte mit EU-Zulassung geht, deckelt die AOK NordWest mittlerweile die prozentuale Marge der Apotheken bei 50 Euro. Wie kommt sie darauf?

Importarzneimittel haben auf vielen Ebenen ihre Tücken. Doch hier soll es nicht um Parallel- oder Reimporte sowie Importquoten gehen, sondern um Einzelimporte. Für sie sind im Arzneimittelgesetz (§ 73 AMG) zwei Konstellationen vorgesehen – basierend darauf, dass Arzneimittel, die in Deutschland der Registrierungs- bzw. Zulassungspflicht unterliegen, nur dann nach Deutschland verbracht werden dürfen, wenn sie hier zugelassen, registriert oder nach § 21a AMG genehmigt sind. Unproblematisch ist, wenn eine Apotheke nach § 73 Abs. 1 AMG ein Arzneimittel, das hier zwar nicht (mehr) im Markt ist, aber eine zentrale Zulassung besitzt, aus einem anderen EU-Staat einführt. Komplizierter sind die Voraussetzungen eines Einzelimports nach § 73 Abs. 3 AMG – hier geht es um Arzneimittel, die gerade nicht in Deutschland zugelassen sind.

Doch selbst der Fall des arzneimittelrechtlich einfacher gestrickten Imports eines EU-weit zugelassenen Arzneimittels kann Probleme oder zumindest Fragen aufwerfen, wenn es um die Bezahlung geht. Ein Thema, das Apotheken natürlich interessieren muss – zumal Importe für sie einen Mehraufwand darstellen. Die Apothekerkammer Nordrhein wird nächste Woche beim Deutschen Apothekertag einen Antrag „Einführung eines Honorars für Sonderleistungen“ einbringen, der unter anderem für solche Extra-Leistungen bei der Beschaffung ein angemessenes Honorar einzufordern.

Die AOK NordWest wird vermutlich nicht für diese Idee zu begeistern sein. Sie will nun sogar nur noch eine gedeckelte Marge für Einzelimporte nach § 73 Abs. 1 AMG zahlen. Eine Apotheke, die für einen Versicherten besagter Krankenkasse das EU-weit zugelassene, aber in Deutschland vom Markt genommene Rybrevant (Amivantamab), einführen wollte und deshalb einen Kostenvoranschlag für den Einzelimport bei der Kasse einreichte, erhielt folgende Rückmeldung: „Da es sich hier um einen Import nach § 73 (1) SGB V (Anmerkung der Redaktion: richtig muss es heißen „AMG“) handelt, akzeptieren wir bei der Höhe des Abgabepreises die Berechnung nach AMPreisV, jedoch ist der 3-prozentige Aufschlag auf maximal 50,- Euro begrenzt“.

Die Apotheke darf also ihren Patienten versorgen – aber nur unter dieser einschränkenden Bedingung. Und die AOK versah ihr Schreiben mit einem weiteren Hinweis: „In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit ist der günstigste Importeur auszuwählen. Wir empfehlen für den Preisvergleich mindestens 3 verschiedene Importeure miteinander zu vergleichen. Dokumentieren Sie Ihre Vergleiche für eventuelle Nachfragen in Ihren Unterlagen.“

Für Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG gilt die AMPreisV

Also: Ordentlicher Aufwand bei gekürzter Marge. Wie kommt es dazu? Bei Einzelimporten nach § 73 Abs. 3 AMG berechnet sich der Preis jedenfalls für gesetzlich Versicherte nach der Arzneimittelpreisverordnung. Im Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband heißt es in § 22 Satz 2 („Preisangabe“):


„Für nach § 13 Absatz 3 AMG importierte Arzneimittel zur Angabe des Apothekenpreises die AMPreisV zugrunde zu legen.“

§ 22 Satz 2 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung


Die DAZ hat bei der AOK NordWest nachgehakt, wie sie zu ihrem Deckel kommt. Diese erklärte daraufhin, dass es bei ihr seit dem 1. Juli 2023 für Importe nach § 73 Abs. 1 AMG ein differenziertes Abrechnungsverfahren gebe. Der Kern: Bei Nichtvorliegen von Lieferengpässen werden Importe nach § 73 Abs. 1 AMG  bei der Abrechnung des in der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehenen 3-prozentigen Aufschlages „auf einen Maximalbetrag von 50,-Euro ‚gedeckelt‘, sollte ein entsprechend hoher Einkaufspreis (EK) diesen Betrag/Aufschlag übersteigen“. Im Auge hat man hier tatsächlich vor allem besonders teure Importe, die durch ein Opt-Out seitens des Herstellers erforderlich wurden.

Eigenregie zulässig, wenn eine ausdrückliche vertragliche Regelung fehlt?

Als Rechtsgrundlage zieht die Kasse den bereits zitierten § 22 Satz 2 des Rahmenvertrags heran. Dieser bestimme lediglich das Gelten der Arzneimittelpreisverordnung für Importe nach § 73 Abs. 3 AMG. „Die AOK NordWest vertritt daher die Auffassung, dass die AMPreisV für Importe nach § 73 Abs. 1 AMG nicht gilt und hat daher den Apothekerverbänden Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe mit Wirkung ab 01.07.2023 unter Berücksichtigung/Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebotes die differenzierte Abrechnung („Deckelung“ des 3%-Aufschlages gemäß AMPreisV auf 50,-EUR) dieser Importe vorgegeben“, schreibt die Kasse. Sie ist überzeugt: Jede Primärkrankenkasse und jeder Kassenverband kann unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ein Abrechnungsverfahren für diese oft sehr teuren Importe vorgeben. Denn auch in den Arzneilieferverträgen Schleswig-Holstein beziehungsweise NRW sei die Abrechnung der Importe nach § 73 Abs. 1 AMG nicht geregelt.

Ob der Umkehrschluss wirklich so einfach ist? Das sollte gründlich geprüft werden, ehe andere Kassen auf den Zug aufspringen.       


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Gilt der Kontrahierungszwang eigentlich auch für Importe????

von Thomas B am 25.09.2023 um 9:09 Uhr

Ich vergleiche mal: Wenn ich mir als Verbraucher für irgendeine größere Anschaffung im 4-stelligen Bereich einen Kostenvoranschlag machen lasse, ist der meist kostenpflichtig. In der Regel 50 €, die bei Zustandekommen des Vertrages verrechnet werden und vor allem lediglich einen Bruchteil der Marge darstellen. Diese kranke(n) Versicherung verlangt jetzt allen Ernstes quasi 3 (!) Kostenvoranschläge für lau und deckelt zusätzlich die Marge auf den Wert von einem Kostenvoranschlag?
Ich hatte mir mal geschworen, nie Ausreden zu verwenden wie unsere geliebten Rezepturverweigerer, aber die Versuchung bekommt hiermit eine neue Dimension....

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Leidtragende des "Hersteller-Opt-Out": GKV und Apotheken?

von Christian Fehske am 23.09.2023 um 12:31 Uhr

Ich sehe rund um das Thema Handlungsbedarf auf politischer Ebene: Es erscheint nachvollziehbar, dass die GKV Betragsgelder zu sparen versucht im Bereich extrem hochpreisiger innovativer Therapien mit unklarem Zusatznutzen (Vgl. EMA-Empfehlung zur Rücknahme bedingter Zulassung von Translarna). Wenn aber Hersteller diese Sparbemühungen derart simpel umgehen können, durch ein "Opt-Out" in Verbindung mit Verordnungen von Importen zulasten der GKV, dann kann hier doch etwas nicht richtig sein. - Keinesfalls kann jedenfalls richtig sein, hier Apotheken in eine immer stärkere Bredoullie zu bringen. Wenn für Apotheken mit derart hochpreisigen Arzneimitteln irgendwas schief läuft, z.B. ein Botenfahrzeug im Hochsommer mit Panne und infolgedessen defekter Klimaanlage 1h auf einen Abschleppwagen warten muss etc. - wie soll so was funktionieren?? Das Transportrisiko hochpreisiger Arzneimittel übersteigt längst (auch ungedeckelt!) die 3%-Vergütung, eine Unterschreitung ist eine Zumutung. Und: heute ist der Deckel der AOK Nordwest noch 50€, warum nicht morgen 10€? Oder 0€? - Ich würde herzlich gern ein Gegenangebot machen dürfen: Liebe AOK, ich beliefere das Rezept gern für ungedeckelte 3% + 50€ Sonderbeschaffungskosten, und würde mich m.E. damit nach §8 sogar an die AMPreisV halten.

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AW: Leidtragende des "Hersteller-Opt-outs

von Thomas B am 25.09.2023 um 9:20 Uhr

Sehr schön formuliert! Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen und nach dem Warum des Opt-Outs fragen. Die Argumentationen und Beschlüsse des GBA sind meines unbedeutenden Erachtens nicht immer unangreifbar....













Ähhh, ja

von peter am 22.09.2023 um 14:20 Uhr

wenn 50 Euro 3%, dann Taxe EK roundabout 1600. Wer den Aufwand kennt wird es wohl hoffentlich unterlassen

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Deckel

von Roland Mückschel am 22.09.2023 um 9:42 Uhr

Kann man schon machen.
Die Kassen, selber.

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Haha

von Gebrauchtswagenhändler am 22.09.2023 um 8:51 Uhr

Hahahahahaha, zum Glück wird doch keiner der Apotheker so blöd sein und auch nur einen solchen Deal jemals abschließen, oder. Oder Oder?

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