Risiko für Metastasen verringert

Brustkrebs – wie Betablocker eine Chemotherapie ergänzen könnten

Stuttgart - 06.06.2023, 12:15 Uhr

Sollten Betablocker künftig ein Teil der Therapie des dreifach negativen Mammakarzinoms werden? (Foto: Pixel-Shot / AdobeStock)

Sollten Betablocker künftig ein Teil der Therapie des dreifach negativen Mammakarzinoms werden? (Foto: Pixel-Shot / AdobeStock)


Betablocker verstärken die Anthracyclin-Wirkung bei Patientinnen mit dreifach negativem Mammakarzinom und verringern das Metastasierungsrisiko. Dieser in retrospektiven Studien festgestellte Effekt wurde im Tiermodell verifiziert. Phase-III-Studien sollten nun folgen. 

Bereits 2021 wurde in einer großen Metaanalyse ein günstiger Effekt einer Betablocker-Einnahme auf den Verlauf einer Brustkrebserkrankung festgestellt. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass vor allem Frauen mit einem triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) von der Einnahme eines Betablockers profitierten. Dieses Ergebnis wurde zwischenzeitlich in weiteren Studien bestätigt, wobei auch die Art der Chemotherapie berücksichtigt wurde. 

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So ist ein günstiger Effekt vor allem auf die Kombination Beta­blocker plus Anthracyclin zurückzuführen. Eine retrospektiv ausgewertete Studie basierte auf den Daten von 1.135 Frauen, die an einem nicht-­metastasierten TNBC erkrankt waren, von ihnen hatten 11,1 Prozent einen Betablocker eingenommen. Eine Multivarianzanalyse stellte eine Abnahme des Metastasierungsrisikos (Metastasierung in regionären Lymphknoten und entfernten Organen) bei denjenigen Frauen fest, die zusätzlich zur Chemotherapie einen Betablocker eingenommen hatten. Im Vergleich zu den Frauen, die nur eine Chemotherapie erhalten hatten, sank ihr Risiko um 45 Prozent (adjustierte Hazard Ratio [aHR] = 0,55; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,32 bis 0,95; p = 0,033). Das kombinierte Vorgehen schlug sich auch in einem tendenziell verbesserten Überleben nieder (Brustkrebs-spezifisches Überleben: aHR = 0,59; 95%-KI = 0,34 bis 1,02). 

Nur die Kombination Anthracyclin plus Betablocker vermindert das Metastasierungsrisiko

Eine weitere Analyse einer anderen Kohorte, ebenfalls mit Frauen mit triple-negativem Mammakarzinom (Betablocker-Einnahme bei n = 94; 10,3 Prozent) führte zu einem ähnlichen Ergebnis. Zusätzlich wurde ein Teil der ersten Kohorte dahingehend untersucht, ob die Art der Chemotherapie eine Rolle spielt, und man verglich Anthracyclin-haltige (n = 565) mit Anthracyclin-freien Therapien (n = 565) jeweils mit und ohne Betablocker. Hier zeigte sich, dass nur die Kombination Anthracyclin plus Betablocker zu einer Verminderung des Metastasierungsrisikos um rund 50 Prozent (aHR = 0,49; 95%-KI = 0,24 bis 0,99) führte, Anthracyclin-freie Therapien jedoch nicht (aHR = 0,90; 95%-KI = 0,37 bis 2,18). Die Größe des Primär­tumors wurde durch die Betablocker-Einnahme nicht verringert. In einer weiteren Auswertung einer kleinen Subgruppe (n = 156) verringerte die Betablocker-Gabe zusätzlich zu einer neoadjuvanten Anthracyclin-haltigen Therapie ebenfalls das Risiko eines metastatischen Rezidivs (HR = 0,19).

Wie das verringerte Metastasierungsrisiko zu erklären ist

Nachdem ein günstiger Effekt der Kombination aus Betablocker und Anthracyclin gezeigt wurde, stellte sich die Frage, wie das verringerte Metastasierungsrisiko zu erklären ist. Dazu griffen Wissenschaftler auf Xenograft-Modelle zurück, bei denen Mäusen humane Tumorzellen implantiert werden. Auch in diesen verminderte die Betablockade zusätzlich zur Anthracyclin-Gabe die Metastasenbildung. 

Eine Chemotherapie mit Anthracyclin ohne Betablockade erhöhte die Aktivität sympathischer Nervenfasern sowie die Noradrenalin-Konzentration in Brusttumoren durch die Induktion des Nervenwachstumsfaktors NGF. Darüber hinaus führte die Anthracyclin-Gabe zu einer Hochregulation von β2-Adrenozeptoren und einer verstärkten Signalübertragung in Tumorzellen. Eine Hemmung der sympathischen neuronalen Signalübertragung oder die genetische Deletion von NGF oder β2-Adrenozeptoren in Tumorzellen verstärkte die therapeutische Wirkung von Anthracyclinen und führte zu einer verringerten Metastasierung.

Den Studienautoren zufolge kann also die Anthracyclin-Wirkung durch eine Hemmung der β2-adrenergen Signalübertragung in der Tumormikroumgebung verstärkt werden. Die zusätzliche Gabe eines Betablockers scheint somit ein Weg zu sein, die Wirksamkeit dieser Chemotherapie hinsichtlich des Rezidiv-freien Überlebens zu verbessern. Phase-III-Studien sollten folgen, um zu bewerten, ob Betablocker künftig ein Teil der Therapie des dreifach negativen Mammakarzinoms werden sollten.

Literatur

Caparica R et al. Beta-blockers in early-stage breast cancer: a systematic review and meta-analysis. ESMO Open 2021;6(2):100066, doi: 10.1016/j.esmoop.2021.100066

Chang A et al. Beta-blockade enhances anthracycline control of metastasis in triple-negative breast cancer. Sci Transl Med 2023;15(693):eadf1147, doi: 10.1126/scitranslmed.adf1147


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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