Kommentar

Spiel mit dem Feuer

Süsel - 19.05.2023, 07:00 Uhr

(Foto: Lukas Gojda /AdobeStock)

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Das Fremdbesitzverbot ist einer der zentralen Pfeiler des bewährten Apothekensystems. Doch der hohe finanzielle Einsatz bei großen Betrieben und die Haftungsrisiken lasten immer mehr auf den Apotheken. Rechtsanwältin Constanze Püschel hat daher ein Konzept für eine Apotheken-GmbH entwickelt, das die Apotheken nicht für den Fremdbesitz öffnen soll. DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn hält dies nicht für den richtigen Weg, den bestehenden Problemen zu begegnen.

Rechtsanwältin Constanze Püschel hat ein Konzept für eine Apotheken-GmbH ausgearbeitet. Sie nennt dafür Gründe, die zumindest auf den ersten Blick im Interesse der Apotheken liegen. Doch die Gründe dagegen bleiben sehr gewichtig. Eine Apotheken-GmbH wäre ein Spiel mit dem Feuer. Das Feuer ist in diesem Fall der Fremdbesitz, der die Grundidee des heilberuflichen und selbst verantwortlichen Inhabers aushöhlen würde. Trotz aller von Püschel genannten Schutzmechanismen würde auch eine GmbH, deren Gesellschafter ausschließlich Apothekerinnen und Apotheker sein dürften, einen juristischen Angriffspunkt bieten, um das Konzept der inhabergeführten Apotheken auszuhebeln. Eine Sonderstellung der Apotheken wäre dann kaum mehr zu vermitteln. Das Ergebnis wäre eine komplett andere Arzneimittelversorgung, die sich an den Interessen berufsfremder und ausschließlich renditeorientierter Investoren orientiert – nicht jedoch an heilberuflichen Belangen und nicht an Patienteninteressen.

MVZ – von den Sorgen der Ärzte lernen

Befürworter einer Apotheken-GmbH können entgegnen, dass Feuer nötig ist, wenn man es warm haben will. Das erscheint plausibel, aber die Gefahr, dass dieses Feuer unkontrollierbar wird und das bewährte Konzept vernichtet, ist hier zu groß. Das zeigen gerade derzeit beim Deutschen Ärztetag die Bemühungen, die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in den gewünschten Grenzen zu halten. Mit den MVZ wurde der Fremdbesitz zugelassen. Berufsfremde Betreiber dürfen auf einem Umweg als Eigentümer von Kliniken über MVZ an der ambulanten Versorgung teilnehmen. Doch das ist so undurchsichtig, dass kaum noch jemand erkennt, wer finanziell hinter so mancher Arztpraxis steht. Medienrecherchen hatten gezeigt, dass für solche Konstruktionen manchmal Kleinst-Kliniken herhalten, die mit der Versorgung am Standort der Praxis überhaupt nichts zu tun haben. Dies verdeutlicht, dass berufsfremde Investoren jeden noch so kleinen Spalt nutzen und einen Weg finden, wenn die Tür auch nur minimal geöffnet wird. 

Dieser „Fremdbesitz light“ beunruhigt die Ärzte inzwischen zu Recht in hohem Maße. Angesichts der Kommerzialisierung steht für sie das Vertrauen in der Arzt-Patienten-Beziehung auf dem Spiel, das für ihre Arbeit und ihr Selbstverständnis existentiell ist. Außerdem gibt es inzwischen erste Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag. Die Ärzte sorgen sich nun, wie sie die Geister, die das MVZ gerufen hat, wieder loswerden. Die Apotheker sollten sich diese Erfahrung ersparen.

Probleme lösen – nicht neue Probleme schaffen

Dabei sind die Gründe, die Püschel für ihren Vorschlag anführt, durchaus ernst zu nehmen. Große Apothekenverbünde mit mehreren Apotheken oder Spezialversorgung lassen sich von Berufsanfängern kaum noch finanzieren. Die kaufmännische Haftung kann sehr belastend sein. Dies alles erschwert die ohnehin problematische Nachfolgersuche zusätzlich. Hinzu kommen die ständigen Vorhaltungen von Politikern, die Betriebsergebnisse von Apotheken am Maßstab von Unternehmen anderer Rechtsformen messen, bei denen Geschäftsführergehälter steuerlich absetzbare Kosten darstellen. Doch statt diese Probleme mit einer neuen Rechtsform und einer Haftungsbegrenzung zu umgehen, sollten sie inhaltlich gelöst werden. Große Apothekenunternehmen würden eine Rechtsabteilung betreiben, die unsinnigen Forderungen insbesondere von Krankenkassen massiv begegnet. Doch das Geld sollte nicht in einen neuen „Wasserkopf“ fließen. Den Patienten wäre mehr geholfen, wenn es in der Versorgung bleibt und damit Apothekenteams bezahlt werden, die sich um die Menschen vor Ort kümmern. Die Apotheken müssen so honoriert werden, dass auch einzelne Standorte ohne Spezialversorgung und größenbedingte Skalenerträge auskömmlich betrieben werden können. Absurde „künstliche“ Geschäftsrisiken – Nullretaxationen bei Hochpreisern – müssen beseitigt werden. Die Arbeit der Apotheken muss von überflüssigen Belastungen befreit werden, damit die Pharmazie mehr Raum bekommt. Gesetze, Lieferverträge und die künftigen Regeln für das E-Rezept müssen so formuliert werden, dass die Arbeit nicht zu einem unkalkulierbaren finanziellen und rechtlichen Risiko wird. Dann brauchen Apotheken keine GmbH. Für einzelne – möglicherweise bei künftigen pharmazeutischen Innovationen auch neue – Aspekte der Spezialversorgung, die eine erhebliche Betriebsgröße erfordern, eignen sich vielleicht auch genossenschaftliche Ansätze. Das bewährte Konzept der inhabergeführten Apotheken bietet durchaus flexible Möglichkeiten. Doch es kann sich nur in einem langfristig gesicherten Rahmen entwickeln. Bestehende Probleme müssen innerhalb dieses Rahmens gelöst werden. Den Rahmen infrage zu stellen, würde hingegen neue Probleme schaffen.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

wer Wind sät ...

von atopom am 21.05.2023 um 15:32 Uhr

Dem Kommentar des Kollegen Dr. Müller-Bohn ist vollumfänglich zuzustimmen.
Nur kommt der Vorschlag nicht zur Unzeit und nicht zufällig. Ziehen sich doch auch die geburtenstarken Jahrgänge der kapitalintensiven Kollegenschaft vermehrt aus dem aktiven Berufsleben zurück. Sie müssen sich nun über eine Nachfolgeregelung Gedanken machen. Geradezu naturgegeben selbstverständlich wäre auch eine stärkere Hinwendung zum shareholder-value (letztlich dann auch bis zur Möglichkeit der Entziehung des bereitgestellten Kapitals). Die Approbation garantiert jedenfalls nicht schon eo ipso die Läuterung eines Menschen. Also, nicht nur Berufsfremde, sondern auch Berufsangehörige können bloßes shareholder-value-interest haben.

In der OHG mit quasi „Stillen“ Gesellschaftern bewahrt schon deren private Haftung vor einer Exazerbation des shareholder-value-interests. Der Wegfall der privaten Haftung wäre zu kompensieren.
Das outsourcing nicht nur hier, sondern ganz allgemein in eine Genossenschaft halte ich für einen eleganten Lösungsansatz. Inaktive Genossen müssten neben weiteren flankierenden Maßnahmen in die Position eines Stillen Gesellschafters gebracht werden. Die Nachfolgeregelung böte beste Gelegenheit zur Entflechtung der kapitalintensiven und daher risikobehafteteren Betriebsteile, die nicht in der Arzneimittelabgabe an den Verbraucher tätig sind.

Meinen Standpunkt, die Partnergesellschaft als Rechtsform auch für die Apothekerschaft zu öffnen halte ich zumindest insoweit für die Gesellschaft von disparaten Partnern nicht länger aufrecht, weil sich das ja schon allein aus dem Wortsinn widerspricht.

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Verstaatlichung?

von Tim Olol am 20.05.2023 um 16:14 Uhr

Wie wäre es mit Verstaatlichung?
Wäre das nicht ein Konzept um die Arbeit der Apothekenteams von unnötiger Belastung zu befreien?

In Schweden ist man jahrelang gut damit gefahren und auch die Apothekenbeschäftigten waren sehr zufrieden. Dann hat man sich entschieden gleich Apothekenketten zu zulassen.

Mehr Geld für Apotheken führt auch nicht automatisch zu besserer Bezahlung von Apothekenteams. Selbst einige der großen "Spezialversorger" zahlen bei Schichtdienst in der Herstellung so wenig wie möglich. Da sollte man sich keine Illusionen machen.

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Rationalisierung

von Betäubungsmittelkaufmann am 19.05.2023 um 15:02 Uhr

Rationalisierung ist dringend notwendig, oder kennen Sie eine Apotheke mit zu viel Personal?

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„Patientenwohl“ schön und gut, aber…

von Betäubungsmittelkaufmann am 19.05.2023 um 9:07 Uhr

…in der Realität konkurrieren kleine (max. mittlere) Inhabergeführte Betriebe mit großen Kapitalgesellschaften (aus dem Ausland). Die operativen, strategischen und bürokratischen Anforderungen haben ein fast unerträgliches Level erreicht und werden weiter steigen (Bürokratieabbau ist eine Illusion). In der Median oder Durchschnittsapotheke mag das mittelfristig noch durch einen unverhältnismäßigen Einsatz (im Vergleich zum Ergebnis) des Inhabers kompensierbar sein. Langfristig zerstört es unsere Strukturen, weil wir Pharmazeutischem Personal in der Apotheke vor Ort keine befriedigende Perspektive bieten können. V.a. Arbeitnehmer profitieren von Konzernstrukturen mit geregelter AZ-Erfassung und pünktlicher sowie korrekter Lohnbuchhaltung. Was hier manche in Kleinbetrieben ertragen müssen, ist teilweise unzumutbar.

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AW: „Patientenwohl“ schön und gut, aber

von Christian am 19.05.2023 um 14:49 Uhr

"Arbeitnehmer profitieren von Konzernstrukturen..."? Konzernstrukturen führen zu Oligopolisierung und regelmäßig zu Arbeitsplatzabbau durch Rationalisierung (da nützt die beste AZ-Erfassung nichts). Pleiten vernichten auf einen Schlag Tausende von Arbeitsplätzen (siehe Staaten mit investorengetriebenen Kapitalgesellschaften, die Fremdbesitz-Apothekenketten betreiben). Sie als Gegenmittel zur in der Tat überhand nehmenden Bürokratisierung zu propagieren, ist bestenfalls naiv. Nein, wir müssen im Gegenteil der gefährlichen Aufweichung des apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbot (und das heißt auch: dem Vorschlag, sog. Apotheken-GmbHs zuzulassen) energisch entgegen treten.

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