Wegen Hausärztemangels

England plant Verschreibungsbefugnis für Apotheker in bestimmten Indikationen

Stuttgart - 09.05.2023, 17:50 Uhr

Der britische Premier Rishi Sunak will mit seiner Refom die klinischen Kompetenzen von Apotheker:innen besser ausnutzen. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Der britische Premier Rishi Sunak will mit seiner Refom die klinischen Kompetenzen von Apotheker:innen besser ausnutzen. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


England leidet unter Hausärztemangel. Um die Versorgung der Patient:innen zu verbessern und unnötige Wartezeiten auf Termine und in Praxen zu verringern, hat Premierminister Rishi Sunak am heutigen Dienstag ein Reformkonzept vorgestellt. Ein Schlüsselelement darin: Für einige Erkrankungen sollen englische Apotheker:innen künftig eigenständig Arzneimittel verschreiben dürfen.

Hals- oder Ohrenschmerzen, Sinusitis, unkomplizierte Harnwegsinfekte bei Frauen, Impetigo, Gürtelrose sowie infizierte Insektenstiche: Zu diesen sieben Indikationen beraten Apotheker:innen regelmäßig im Rahmen der Selbstmedikation. Ein heute veröffentlichtes Reformkonzept für das Gesundheitssystem National Health Service England sieht jedoch vor, dass Apotheker:innen in diesen Indikationen künftig auch Rezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel ausstellen dürfen – ohne mit einem Arzt oder einer Ärztin Rücksprache zu halten.

Mit der Reform soll insbesondere der Mangel an Hausärzten angegangen werden, der vielen Engländer:innen derzeit lange Wartezeiten und zahllose unbeantwortete Anrufe in Praxen beschert. Da man in den vergangenen Jahren, beispielsweise durch das Angebot von Impfungen in Apotheken, gute Erfahrungen gemacht habe, wolle man die klinischen Kompetenzen der Apothekenteams nun noch besser nutzen. Dass dies zusätzliche Finanzierung benötige, sei bekannt: Bis zu 645 Millionen britische Pfund (umgerechnet etwa 740 Millionen Euro) wolle man in den kommenden beiden Jahren für den Ausbau der apothekerlichen Dienstleistungen investieren.

Orale Kontrazeptiva ohne Arztbesuch

Zusätzlich zu der Verschreibungsbefugnis in den oben genannten Indikationen sollen Apotheken künftig unterstützt werden, noch mehr Blutdruckmessungen anzubieten. Die Rationale dahinter: Eine gute Blutdruckkontrolle reduziere die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle und spare somit erhebliche Kosten ein. Weiterhin laufen derzeit Pilotprojekte, die die Abgabe von oralen Kontrazeptiva in Apotheken ohne einen Arztkontakt ermöglichen. Auch dieses Angebot soll weiter ausgebaut werden.

Weitere Aspekte des Konzepts beinhalten eine Erweiterung digitaler Dienste (u.a. Funktionen der App, digitale Terminvergabe und Beratung) sowie die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Patient:innen, aber auch ein „Mehr“ an Personal und ein „Weniger“ an Bürokratie.

Kritiker bemängeln, dass das Konzept den Ärztemangel nicht ausreichend ursächlich bekämpfe. Weiterhin befürchten sie, dass nicht alle Apotheken über ausreichend Personal, Räumlichkeiten und Ausrüstung verfügen, um die neuen Aufgaben tatsächlich umzusetzen. Schlimmstenfalls würden Patient:innen so nur noch öfter von Anlaufstelle zu Anlaufstelle geschickt, ohne tatsächlich versorgt zu werden. Aus der Ärzteschaft gab es für die Kompetenzerweiterung der Apotheker jedoch Zustimmung.

Premierminister Rishi Sunak hofft unterdes, die Reform bereits in diesem Winter umzusetzen. Zuvor solle noch eine Konsultation mit der Industrie stattfinden. Von seiner Reform verspricht sich Sunak, dessen Mutter selber Apothekerin ist, 15 Millionen eingesparte Arztkontakte in den kommenden beiden Jahren. Ganze zehn Millionen davon sollen die erweiterten Kompetenzen der Apothekerschaft einsparen.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Englische Ärzte

von ratatosk am 10.05.2023 um 12:26 Uhr

Zum Glück für England, hat die Insel nicht diese unselige Tradition der Ärzteschaft, Apotheken oft zu hassen, wie unser Karli, oder in Arroganz gegenüber allen anderen zu ertrinken. Gerade durch die Technisierung braucht die moderne Medizin immer mehr fachübergreifende Kooperation.
Bei uns ist es leider schäbige Tradition, daß Apotheken durch die ärztliche Überwachung über Jahrhunderte schon möglichst gequält wurden, und so etwas frisst sich bei schwachen 'Charakteren eben fest.
Natürlich wäre eine durchgehende ärztliche Versorgung optimal, wenn es aber nicht mehr reicht, hat England einfach pragmatisch stützende Maßnahmen ergriffen, dazu reicht es bei unserem Gehamper niemals. Dabei sind wir in wenigen Jahren auf dem Lande mindestens ebenso am Ärmel. Bei uns kommt dann Karl mit seinem Kiosk um die Ecke, sicher dann aber evaluiert an seinem Institut.
Gottseidank gibt es aber immer mehr Praxen mit denen man eine vernünftige Zusammenarbeit aufbauen kann und die auch wertschätzen, daß sie in manchen Bereichen entlastet werden, da sie gerade auch durch absurde Bürokratie und Personalmangen an oder über ihre Arbeitsgrenzen kommen. Noch ein paar Jahre Karl, dann sind die auf dem Lande froh, wenn noch mal eine Gemeindeschwester kommt und der Postbote durch den Schnee kommt, denn Versorgung vor Ort ist dann tot.

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