- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Pädiatrie: Warum die ...
Gefährliche Nebenwirkungen bei Babys und Kleinkindern
Pädiatrie: Warum die Osmolalität auch bei oralen Rezepturen wichtig ist
Die aktuelle Lieferengpassproblematik hat in jüngster Zeit die Wichtigkeit der Rezeptur auch in den Fokus der allgemeinen Öffentlichkeit gerückt. Doch für die Apotheken ist der dadurch entstandene zusätzliche Arbeitsaufwand nicht ohne Weiteres zu stemmen. Gerade im Bereich pädiatrischer Rezepturen sind einige Besonderheiten zu beachten – wie etwa das wenig bekannte Thema der Osmolalität. Das machte Apotheker Dr. Andreas Ziegler auf der INTERPHARM in Göttingen am vergangenen Samstag deutlich.
Dass bei der Herstellung parenteraler, ophthaler und nasaler Arzneimittel auf den osmotischen Druck geachtet werden muss, lernen Pharmazeut:innen bereits im Technologie-Semester. Das Stichwort lautet „Isotonisierung“, durch die beispielsweise bei Augentropfen eine Applikation ohne Brennen ermöglicht wird. Um den Gesamtbeitrag verschiedener Stoffe auf den osmotischen Druck in einer flüssigen Darreichungsform anzugeben, wird im Allgemeinen der Wert der sogenannten Osmolalität errechnet. Eine 0,9%ige Natriumchlorid-Lösung hat beispielsweise eine reale Osmolalität von ungefähr 285 mosmol/kg.
Um Augentropfen ging es aber am vergangenen Samstag auf der INTERPHARM in Göttingen nicht, sondern um (orale) pädiatrische Rezepturen wie Fieber-Säfte und Antibiotika-Suspensionen zur Überbrückung von Lieferengpässen. Was das mit Osmolalität zu tun hat und warum letztere auch in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigen ist, erörterte Apotheker Dr. Andreas Ziegler.
Mehr zum Thema
Wie sich Hilfsstoffmengen berechnen lassen
Isotonisierung
Einige Besonderheiten der pädiatrischen Rezeptur
Individuell für Kinder
Folgte man Zieglers Ausführungen auf der INTERPHARM, wurde deutlich: Die Osmolalität ist ein zu wenig berücksichtigter Aspekt bei der Rezeptur-Herstellung für Kinder. Denn ein zu hoher osmotischer Druck in oralen Zubereitungen kann bei Frühgeborenen, Neugeborenen und Kleinkindern zu ernsthaften Konsequenzen führen – Krämpfe, Diarrhöen und sogar nekrotisierende Enterokolitiden können als Nebenwirkungen hyperosmolarer Lösungen auftreten.
Der häufigste gastrointestinale Notfall in der Neonatologie
Bei der nekrotisierenden Enterokolitis handelt es sich laut Ziegler um eine hämorrhagisch-inflammatorische Erkrankung, die zu Darmnekrosen führen kann, welche wiederum über eine Peritonitis und Perforation des Kolons in einer Sepsis münden können. Mit einer Inzidenz zwischen 1 und 5 Prozent gilt die nekrotisierende Enterokolitis als häufigster gastrointestinaler Notfall in der Neonatologie – mit einer Letalität von rund 30 Prozent.
So dramatisch das klingt, scheint es für das Thema nicht genügend wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu geben: Ziegler stellte verschiedene Studien vor, die zeigen, dass in pädiatrischen Kliniken in den USA verwendete Präparate (Fertigarzneimittel und Rezepturen) häufig Osmolalitäts-Werte besitzen, die deutlich über den in der Literatur empfohlenen Bereichen liegen. Ziegler betonte, dass er keinen Anlass sehe, anzunehmen, dass die Zahlen in Deutschland gravierend anders sind. Das verdeutlichte er anhand der Osmolalitäts-Werte von in Deutschland gängigen Suspensionsgrundlagen:
Auch wenn die Angaben in der Literatur variieren, als Optimum gilt laut Zielger für pädiatrische orale Zubereitungen eine Osmolalität ≤ 350 mosmol/kg. SyrSpend® SF PH4 (NEO) beispielsweise ist mit einer besonders niedrigen Osmolalität extra für die Neonatologie konzipiert.
Doch passt die Osmolalität bei einer pädiatrischen Rezeptur in der Apotheke einmal nicht, muss man nicht sofort verzweifeln. Oft lassen sich hyperosmolare Rezepturen beispielsweise durch den Austausch des Süßungsmittels korrigieren, gab Ziegler dem INTERPHARM-Publikum mit auf den Weg.
INTERPHARM 2023
Rezepturen: Welches Aroma passt zu welchem Wirkstoff-Geschmack?
Allerdings kann die Herstellung pädiatrischer Rezepturen beziehungsweise deren Plausibilitätsprüfung in der Apotheke auch jenseits der Osmolalität zu einer äußerst komplexen Aufgabe werden – es stellen sich Fragen wie: Ist eine Rezeptur überhaupt notwendig, oder gibt es bereits ein Fertigarzneimittel? Passt der verordnete Wirkstoff für die Altersklasse und ist die Dosierung geeignet? Was gibt es bezüglich der Hilfsstoffe zu bedenken? Welche Darreichungsform wird bevorzugt und was ist bei flüssigen Arzneimitteln, aber auch dermalen Applikationsformen hinsichtlich des Anwendungsvolumens zu beachten? Auch all diesen komplexen Fragen und entsprechenden Antworten widmete sich Dr. Andreas Ziegler gemeinsam mit Apothekerin Nadine Metzger am vergangenen Samstag auf der INTERPHARM in Göttingen.
1 Kommentar
überzeugend + gut !
von Martin Didunyk am 10.05.2023 um 18:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.