Bei HCT-Einnahme: Keine Panik, aber Sonnenschutz

Wie wirkt sich HCT auf das Krebsrisiko aus?

21.04.2023, 13:45 Uhr

Die möglichen Risiken einer blutdrucksenkenden Therapie sind mit den Risiken eines erhöhten Blutdrucks abzuwiegen. (Foto: pikselstock/AdobeStock)

Die möglichen Risiken einer blutdrucksenkenden Therapie sind mit den Risiken eines erhöhten Blutdrucks abzuwiegen. (Foto: pikselstock/AdobeStock)


Im Jahr 2018 warnte ein Rote-Hand-Brief, dass Hydrochlorothiazid (HCT) das Risiko für nicht-melanozytären Hautkrebs erhöht. Eine Kohorten­studie bestätigt nun, dass Hautkrebs bei Einnahme von HCT im Vergleich zu anderen Diuretika tatsächlich etwas häufiger auftritt. Doch es gibt auch Entwarnung: Die Gesamtinzidenz von Tumoren fiel geringer aus.

Als First-Line-Therapeutikum in der Behandlung von Hypertonie nimmt Hydrochlorothiazid (HCT) einen festen Stellenwert ein. Seine Molekülstruktur erhöht allerdings die Phototoxizität der Haut: HCT scheint Photonen zu absorbieren und die Energie an das umliegende Gewebe abzugeben. Einerseits können direkte DNA-Schäden auftreten, andererseits kann eine karzinogene Wirkung auch indirekt erfolgen, indem dabei freie Radikale, chronische Entzündungs- und Proliferationsprozesse induziert werden.

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In einer großen Kohortenstudie werteten Wissenschaftler nun anonymisierte Patientendaten einer deutschen Krankenkasse aus, um herauszu­finden, ob sie bei Patienten mit HCT-Medikation retrospektiv ein erhöhtes Krebsrisiko feststellen können oder nicht. Hierin wurden erwachsene AOK-Plus-Versicherte eingeschlossen, die zwischen 2010 und 2012 jährlich mindestens 100 definierte Tagesdosen von Hydrochlorothiazid erhielten. Patienten, die ein anderes Diuretikum als HCT einnahmen, dienten als Vergleichsgruppe. Das Follow-up betrug acht Jahre.

Da sich beide Gruppen in den Basischarakteristika wie beispielsweise Alkoholkonsum unterschieden, erfolgte schließlich eine paarweise Zuordnung der Patienten in Fall- und Kontrollgruppe (Propensity Score Matching). So wollten die Forscher verhindern, dass Faktoren wie Rauchen oder ein erfolgtes Hautkrebs-Screening die Ergebnisse verzerren. Jede Gruppe umfasste 61.277 Patienten. 

Hautkrebs-Risiko nur wenig erhöht

Nach Auswertung ihrer Analyse stellten die Forscher fest, dass die Behandlung mit HCT tatsächlich zu einer geringfügig höheren Inzidenz von Hautkrebs-Erkrankungen führt. Zudem variiert die Inzidenzrate signifikant über die Zeit. Konkret lag die Inzidenzrate unter HCT bei 0,39 pro 100 Personenjahre gegenüber 0,34 in der Kontrollgruppe. Somit treten in 100 Patientenjahren 0,05 mehr Hautkrebs-Diagnosen auf. Der Unterschied ist zwar statistisch signifikant, allerdings nur sehr gering.

Interessanterweise zeigte sich für HCT genau gegensätzlich sogar eine niedrigere Inzidenzrate für alle Krebsarten pro 100 Patientenjahre: Sie betrug 1,86 pro 100 Patientenjahre unter HCT versus 2,20 pro 100 Patientenjahre in der Kontrollgruppe (p < 0,0001). Insgesamt decken sich die Daten der vorliegenden Kohortenstudie mit einer früheren Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien, die 260.447 Patienten einschloss [3]. Diese konnte kein Antihypertensivum identifizieren, welches das Krebsrisiko erhöht, und bewertete auch Thiazide als neutral im Hinblick auf die Inzidenz von Krebs jedweder Art sowie Todesfälle durch Krebs.

Risiken beachten, UV-Schutz verwenden

Die Autoren weisen selbst darauf hin, dass eine Observationsstudie keine Kausalität belegen kann. Die größte Schwäche sei sicherlich, dass bedingt durch die Art der Datenerhebung weder Sonnenexposition noch Hauttyp berücksichtigt werden konnten. Beide beeinflussen maßgeblich das Hautkrebsrisiko.

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Das erhöhte Hautkrebsrisiko unter HCT betrifft hauptsächlich semimaligne Typen, die behandelbar sind. Vor diesem Hintergrund müssen in der Nutzen-Risiko-Abwägung auch die Risiken einer unzureichenden antihypertensiven Therapie berücksichtigt werden, wie beispielsweise Hypertonie-bedingte Endorganschäden. Aus Sicht der Autoren sollte Angst vor Hautkrebs daher nicht zu einem Pausieren oder Absetzen von HCT führen.

Stattdessen müssen Patienten mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko identifiziert und geschützt werden. Sie sollten ihre Sonnenexposition so gering wie möglich halten und konsequent auf zuverlässigen UV-Schutz achten. Panik ist aber sicherlich nicht nötig.

Literatur

[1] Rote-Hand-Brief zu Hydrochlorothiazid (HCT): Risiko von nicht-melanozytärem Hautkrebs (Basalzellkarzinom [Basaliom]; Plattenepithelkarzinom der Haut [Spinaliom]). 17. Oktober 2018

[2] Götzinger F et al. Association of hydrochlorothiazide treatment compared with alternative diuretics with overall and skin cancer risk: a propensity-matched cohort study. J Hypertens 2023, doi: 10.1097/HJH.0000000000003414

[3] Copland E. Antihypertensive treatment and risk of cancer: an individual participant data meta-analysis. Lancet Oncol 2021;22(4):558-570, doi: 10.1016/S1470-2045(21)00033-4


Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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