ThAV-Chef Stefan Fink zur ARMIN-Evaluation

„Das Ergebnis macht uns alle sehr stolz“

Berlin - 21.04.2023, 07:00 Uhr

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, hier auf dem Hauptstadtkongress in Berlin, 2017. (Foto: ck / DAZ)

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, hier auf dem Hauptstadtkongress in Berlin, 2017. (Foto: ck / DAZ)


Die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN), die vergangenen Sommer endete, hinterlässt der Apothekerschaft ein wertvolles Erbe: Im ABDA-Prestigeprojekt war die Teilnahme am strukturierten Medikationsmanagement durch Arzt und Apotheker mit einer verminderten Mortalität assoziiert. Im Gespräch mit der DAZ zieht der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbands, Stefan Fink, ein persönliches Fazit – sowohl als teilnehmender Apotheker als auch als Initiator.

DAZ: Herr Fink, in der ARMIN-Auswertung hat sich gezeigt, dass das gemeinsame Medikationsmanagement die Mortalitätsrate aufseiten der Patienten signifikant senken konnte. Haben Sie dieses Resultat in seiner Deutlichkeit erwartet?

Fink: Nein, das habe ich nicht erwartet. Ich hätte eher gedacht, dass die Hospitalisierungsrate sinken würde, was sich aber in der Auswertung nicht bestätigt hat. Vielleicht liegt es daran, dass durch die engmaschige Betreuung die Probleme schneller erkannt und die Patienten in die jeweils geeignete Versorgungsstruktur gelenkt wurden, was wiederum Todesfälle verhindert haben könnte. In jedem Fall ist das Ergebnis sehr bemerkenswert und macht uns alle, die wir zehn Jahre lang an dem Projekt gearbeitet haben, sehr stolz.

Welches Fazit ziehen Sie als ARMIN-Apotheker? Wie hat sich die Teilnahme am Projekt auf das Dreiecksverhältnis Arzt – Patient – Apotheker ausgewirkt?

Die Patienten sind durch die engmaschige Betreuung noch ein ganzes Stück näher an ihre Stammapotheke herangerückt. Viele haben es als sehr wertschätzend empfunden, dass sich die Heilberufler so viel Zeit für sie und ihre Medikation nehmen. Ärzte und Apotheker haben beide fachlich und emotional von der guten Zusammenarbeit profitiert. Das enge Verhältnis hat dazu beigetragen, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zu schaffen. Und für die individuelle Apotheke haben die Erfahrungen aus dem Projekt und der damit verbundene Lerneffekt sicher zu einer Steigerung der pharmazeutischen Betreuungsqualität beigetragen. Insgesamt fällt mein Fazit also durchweg positiv aus.

Inwiefern hat auch Ihr Team von der Teilnahme am Projekt profitiert?

Mein Team ist mit großem Engagement dabei gewesen. Insbesondere einige recht junge Kolleginnen haben sich gefreut über die Möglichkeit, so intensiv pharmazeutisch arbeiten zu können. Es ist auch psychologisch wertvoll, wenn man die eigenen heilberuflichen Kompetenzen zum Wohl der Patienten einbringen kann, wie wir das in ARMIN getan haben. Diese Energie habe ich nicht nur bei denjenigen gespürt, die direkt am Projekt beteiligt waren, sondern sie hat sich auf das gesamte Team ausgewirkt.

Hand aufs Herz: Ist ARMIN ein Konzept, das zu jeder Apotheke passt?

Vermutlich nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Es müssen schon zukünftig bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, zum Beispiel personell und technisch. Die Motivation im Team muss stimmen ebenso wie das Werkzeug, also die technische Unterstützung durch den jeweiligen Softwarehersteller. Und auch die Nachfrage ist ein Faktor: Wichtig ist, so etwas wie Medikationsmanagement oder Medikationsanalyse regelmäßig umzusetzen, um eine gewisse Routine zu entwickeln. Der Erfahrung nach gibt es immer einen gewissen Anteil unter den Kollegen, die gern solche innovativen Ideen umsetzen, und andere, die da eher zögerlich sind. Unser Ziel ist es, das gemeinsame Medikationsmanagement flächendeckend strukturell zu ermöglichen,

Welchen Herausforderungen mussten Sie sich im ARMIN-Projekt stellen?

Eine Herausforderung war es zunächst festzulegen, wer welche Aufgaben übernimmt. Darf nur der Arzt den Behandlungsgrund im Medikationsplan eintragen oder auch der Apotheker? Solche Fragen haben wir versucht zu beantworten, wollten aber gleichzeitig genug Spielraum für individuell abweichende Absprachen lassen. Wir wollten einen Rahmen geben, aber auch zulassen, dass ein Arzt-Apotheker-Paar sich für eine andere Aufgabenverteilung als von uns vorgesehen entscheidet. Diese Kommunikation zwischen den Heilberuflern ist enorm wichtig und schafft Sicherheit. Da darf man nicht von außen zu dogmatisch rangehen und alles bis ins kleinste Detail vorschreiben. Das wird auch wichtig sein, wenn der Gesetzgeber eine rechtliche Grundlage für das gemeinsame Medikationsmanagement schafft. Manche Dinge muss man einfach ganz pragmatisch vor Ort regeln.

In der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag klang an, dass auch die Technik Schwierigkeiten bereitet hat …

Das ist richtig. Es war nicht leicht, die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme für unser Anliegen zu gewinnen. Die Apothekensoftware-Hersteller waren recht kooperativ, aber was nützt es mir, wenn mein System ARMIN kann, aber ich keinen Arzt in der Nähe habe, der technisch dafür gerüstet ist? Das war ein Nadelöhr im Projekt, an dem einige Teilnahmen von Ärzten gescheitert sind. Das ist sehr schade, denn wir konnten zeigen, dass eine gut strukturierte Zusammenarbeit der Heilberufe dem Patienten einen sehr großen Nutzen bieten kann. Aber dafür brauchen wir nun einmal die geeigneten Werkzeuge.

Ohne technische Unterstützung geht es also nicht?

Nein. Wir müssen die Aufwände aufseiten der Ärzte und Apotheker möglichst gering halten, damit das Konzept funktionieren kann. Dafür sind technische Hilfsmittel wichtig. Ohne digitale Unterstützung können Sie so ein Projekt wie ARMIN und auch das Medikationsmanagement in der Fläche nicht stemmen. Daher versuchen wir, unsere Erkenntnisse in die Gematik hineinzutragen, damit die Entwicklung am Ende tatsächlich dahin führt, dass der Austausch zwischen den Heilberuflern spürbar erleichtert wird. Da ist einiges aktuell noch zu kompliziert aufgebaut.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Das Herzstück in ARMIN war ein zentraler Server, den die AOK Plus bereitgestellt hat und über den die Heilberufler sich – vereinfacht gesagt – die Medikationspläne hin- und herschieben konnten. Darüber war auch ein Austausch zwischen Arzt und Apotheker möglich, sodass kein separater Kommunikationskanal nötig wurde. Wenn mir bei einem Patienten eine Ungereimtheit in der Medikation aufgefallen ist, konnte ich meine Anmerkung in ein extra dafür vorgesehenes Feld eintragen, dessen Inhalt dem Arzt zusammen mit dem Medikationsplan übermittelt wurde. Hätte ich zum Beispiel eine separate E-Mail oder KIM-Nachricht schreiben müssen, hätte das in der Praxis Extra-Arbeit bedeutet, weil sie die Informationen wieder zusammenführen muss. Durch das gemeinsame Übermitteln sind also überflüssige Arbeitsschritte entfallen.

Jetzt sitzen wir hier in Berlin und halten die Evaluationsergebnisse in den Händen. Fachlich sind diese unzweifelhaft sehr spannend – wie will die ABDA sie nun auch der Politik nahebringen?

Allein wird die ABDA es schwer haben. Ich hoffe und erwarte, dass sich auch die anderen Projektbeteiligten dafür engagieren, dieses Konzept in die Regelversorgung zu bringen. Alle, die in das Projekt involviert waren, sind überzeugt davon, dass es Nutzen stiftet. Wir werden gemeinsam dafür kämpfen, dass die Ergebnisse nicht versanden, sondern daraus tatsächlich etwas erwächst. Übrigens wollen wir auch nicht nur an die Politik ran, sondern auch die Gesellschaft überzeugen, dass die Patienten vom Medikationsmanagement sehr profitieren.

Das Ziel der politischen Arbeit ist bereits im ABDA-Forderungskatalog definiert: eine gesetzliche Grundlage für das gemeinsame Medikationsmanagement durch Arzt und Apotheker. Um das zu erreichen, wäre es wichtig, auch die KBV mit an Bord zu haben – bei der Präsentation der Ergebnisse hat sie jedoch gefehlt. Warum?

Welche Gründe die KBV dafür hat, weiß ich nicht. Die Verantwortlichen werden sich aber intern fragen müssen, wie sie mit den eindrucksvollen Ergebnissen des Projekts, das ja einst von KBV und ABDA gemeinsam angestoßen wurde, umgehen wollen. Eigentlich könnte sich die KBV genauso wie die ABDA an so einem Tag aufs Podium setzen und sich auf die Schulter klopfen. Weshalb sie diese Möglichkeit nicht genutzt hat, verstehe ich nicht. Ich hoffe auf die Einsicht, dass dieses Ergebnis es wert ist, der Zusammenarbeit eine Chance zu geben.

Die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen und insbesondere der Medikationsanalyse hat unter den Ärzteorganisationen bundesweit und auch bei der KBV für Unruhe gesorgt. Wie sind die Ärzte bei Ihnen in Thüringen und Sachsen damit umgegangen?

Unsere Ärzte waren da ziemlich gelassen. Auch von den Standesvertretungen gab es keine Störfeuer. Die Medikationsanalyse entspricht ja der Startintervention bei ARMIN und daher wussten die Kollegen, dass sie darüber wichtige Informationen bekommen, die ihnen im Alltag weiterhelfen – sei es der Überblick über die verschreibungspflichtigen Arzneimittel oder die Selbstmedikation. Und nachdem ARMIN nun ausgelaufen ist, sind sie froh, dass uns wenigstens noch die Medikationsanalyse als Instrument bleibt.

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Hat ARMIN generell dazu beigetragen, das Verhältnis der Standesvertretungen untereinander und auch jenes mit der AOK Plus als beteiligte Krankenkasse zu verbessern?

Absolut. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut, das über ARMIN hinaus wirkt. Und im Austausch mit der AOK Plus merken wir, dass es der Krankenkasse nicht nur ums Geld geht, sondern wirklich um die Versorgung der Versicherten.

Das Stichwort Geld müssen wir dennoch am Ende einmal streifen: Hat sich die Teilnahme für die Apotheken auch finanziell gelohnt?

Ja, wir haben auch wirtschaftlich einen Vorteil davon gehabt. Wir haben viel Leistung gebracht, aber diese Leistung wurde auch adäquat vergütet. Es gab zwei Komponenten, die eine Rolle gespielt haben: Zum einen haben wir für jede Wirkstoffverordnung 20 Cent pro Zeile extra bekommen. Davon hat die AOK Plus übrigens sogar profitiert, weil dadurch eine Steigerung der Erfüllungsquote bei den Rabattverträgen zustande kam. Eine klassische Win-Win-Situation. Zum anderen gab es für die Startintervention zuletzt etwa 115 Euro netto, wobei hier eine inflationsbezogene Dynamisierung eingebaut war. Was das wert ist, sehen wir aktuell sehr deutlich. Generell gilt: Geldgier war nie der Antrieb für die Beteiligten, sondern im Fokus stand immer, die Versorgung der Patienten zu verbessern.

Herr Fink, vielen Dank für das Gespräch!


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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