Auch von topischen Schmerzgelen besser abraten

Wenn schon NSAR in der Schwangerschaft, dann lokal auf der Haut?

Stuttgart - 04.04.2023, 13:45 Uhr

Sind topische Schmerzmittel zum Auftragen auf der Haut für Schwangere bei Rückenschmerzen eine Option? (Foto: fotoduets / AdobeStock)

Sind topische Schmerzmittel zum Auftragen auf der Haut für Schwangere bei Rückenschmerzen eine Option? (Foto: fotoduets / AdobeStock)


Systemische nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind im dritten Trimenon einer Schwangerschaft tabu. Aber auch schon früher kann die Einnahme von Ibuprofen und Co. in der Schwangerschaft problematisch sein. Können Schwangere sich dann bei Rückenschmerzen zumindest mit entsprechenden topischen Schmerzgelen einreiben? Die Produktinformationen raten davon ab.

Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vergangenen Sommer mitteilte, muss für (systemische) NSAR-haltige Arzneimittel neuerdings in der Packungsbeilage darauf hingewiesen werden, dass man NSAR (Nichtsteroidale Antirheumatika) nicht anwenden soll, ...

„… wenn Sie sich in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft befinden, da dies Ihr ungeborenes Kind schädigen oder Probleme bei der Geburt verursachen könnte. Es kann Nieren- und Herzprobleme bei Ihrem ungeborenen Kind verursachen. Es kann Ihre Blutungsneigung und die Ihres Kindes beeinflussen und dazu führen, dass der Geburtsvorgang später einsetzt oder länger andauert als erwartet.“ 

(Quelle:BfArM)

Außerdem, hieß es, sollte man NSAR während der ersten sechs Monate der Schwangerschaft nicht einnehmen, sofern es nicht absolut notwendig ist und vom Arzt empfohlen wird. Vor allem wurde aber neu der Hinweis eingefügt:

„Wenn Sie [NSAR] ab der 20. Schwangerschaftswoche für mehr als ein paar Tage einnehmen, kann dies bei Ihrem ungeborenen Kind Nierenprobleme verursachen, was zu einer verringerten Menge des Fruchtwassers, welches Ihr Kind umgibt, führen kann (Oligohydramnion) oder es kann zur Verengung eines Blutgefäßes (Ductus arteriosus) im Herzen Ihres Kindes kommen. Wenn Sie länger als ein paar Tage behandelt werden müssen, kann Ihr Arzt eine zusätzliche Überwachung empfehlen.“

(Quelle:BfArM)

Für Zulassungsinhaber von topischen NSAR-haltigen Arzneimitteln galten diese Textanpassungen noch nicht. Sie wurden aber aufgefordert, die Änderungen in den kommenden PSURs (Periodische Sicherheitsberichte / Periodic safety update reports) zu diskutieren. Für topisches Ketoprofen ist man im März nun zu einem Schluss gekommen.

Präparate wie „Effekton Gel mit Ketoprofen“ oder „Phardol Ketoprofen Schmerzgel“ spielen zwar in der Apotheke eher eine untergeordnete Rolle und sind verschreibungspflichtig. Doch was künftig in der Fachinformation von Ketoprofen-Gelen stehen soll, ist übertragbar auf andere NSAR-Topika:

„Es liegen keine klinischen Daten zur Anwendung topischer Darreichungsformen von [Arzneimittelname] während der Schwangerschaft vor. Auch wenn die systemische Exposition im Vergleich mit der oralen Anwendung geringer ist, so ist nicht bekannt, ob die nach topischer Anwendung erreichte systemische Exposition durch [Arzneimittelname] für einen Embryo/Fötus schädlich sein kann. 

[Arzneimittelname] sollte während des ersten und zweiten Schwangerschaftstrimenons nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist unbedingt notwendig. Bei Anwendung sollte die Dosis so gering wie möglich und die Behandlungsdauer so kurz wie möglich gehalten werden. Während des dritten Schwangerschaftstrimenons kann die systemische Anwendung von Prostaglandinsynthesehemmern einschließlich [Arzneimittelname] kardiopulmonale und renale Toxizität beim Fötus hervorrufen. Am Ende der Schwangerschaft kann es sowohl bei der Mutter als auch beim Kind zu einer Verlängerung der Blutungszeit kommen, und die Wehen können verzögert werden. Daher ist [Arzneimittelname] im dritten Schwangerschaftstrimenon kontraindiziert (siehe Abschnitt 4.3).“ 

(Quelle: BfArM, Anlage 2 - Beschluss der Koordinierungsgruppe CMDh vom 13.10.2022)

Embryotox berichtet zudem beim Wirkstoff Diclofenac von einem Einzelfallbericht, in dem „eine reversible Konstriktion des fetalen Ductus arteriosus sogar nach lokaler Anwendung von Diclofenac und Methylsalicylat (Gel im Schulter-Nacken-Bereich) in der 35. Schwangerschaftswoche beschrieben“ wurde.

Schwangere mit einem Selbstmedikationswunsch gut beraten

Abraten oder zustimmen?

Vor allem in der Selbstmedikation ist neben der oralen also auch die lokale Anwendung von NSAR in der Apotheke für Schwangere grundsätzlich zu hinterfragen. (Orales) Paracetamol bleibt damit das Mittel der Wahl, sollte aber auch nicht unkritisch eingesetzt werden. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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