Umwelt, Gesundheit, Pharmazie

PFAS – trifft ein Verbot auch Arzneimittel?

Stuttgart - 04.04.2023, 16:45 Uhr

PFAS steht für „per- and polyfluoroalkyl substances“, also per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. (Foto: Chris Anton / AdobeStock) 

PFAS steht für „per- and polyfluoroalkyl substances“, also per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. (Foto: Chris Anton / AdobeStock) 


Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS sind zurzeit in aller Munde. Nicht nur, weil sie in der Nahrungskette akkumulieren und so unweigerlich mit verzehrt werden, sondern auch, weil zurzeit das Konsultationsverfahren eines von fünf europäischen Staaten eingereichten Vorschlages läuft, die gesamte Stoffklasse der PFAS im Europäischen Wirtschaftsraum zu verbieten. Zwar sieht dieser Vorschlag Ausnahmen für Arzneistoffe vor, angesichts des hohen gesundheits- und umweltschädlichen Potenzials hat das Umweltbundesamt aber ein Gutachten zur Ermittlung von therapeutischen Alternativen ausgeschrieben.

Was haben Fluoxetin, Celecoxib und Lansoprazol gemeinsam? Gemäß der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) handelt es sich um PFAS, also per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Diese sind beschrieben als „fluorierte Stoffe, die mindestens ein vollständig fluoriertes Methyl- oder Methylen-Kohlenstoffatom (ohne daran gebundenes H/Cl/Br/I-Atom) enthalten“. Mit wenigen Ausnahmen sind also alle Stoffe eingeschlossen, die -CF3 oder ein -CF2- enthalten – und das sind nicht wenige, sondern mehr als 10.000 verschiedene Stoffe.

Sie eint eine extrem hohe Umweltpersistenz, was ihnen auch den Namen „Ewigkeitschemikalien“ eingebracht hat. Auch die Entfernung aus der Umwelt durch den Menschen ist kaum möglich und mit hohen Kosten verbunden, sodass PFAS sich über die Jahre hinweg in Böden und Gewässern anreichern. Über Nahrung und Trinkwasser nehmen so auch Menschen PFAS zu sich – in einer Studie des Umweltbundesamtes waren solche Verbindungen im Blut aller untersuchten Kinder nachweisbar. Die ständige und zunehmende Präsenz von PFAS weltweit stellt ein Risiko für die Umwelt und auch für die menschliche Gesundheit dar:


„Im Tierversuch wurden einige Einzelsubstanzen getestet und je nach Substanz wurde bei den entsprechend hohen eingesetzten Dosierungen eine Reihe von schädlichen Wirkungen gefunden: Lebervergrößerung, Störungen des Fettstoffwechsels, abgeschwächte Immunreaktionen, Störungen der Reproduktionsorgane bis hin zu krebserzeugenden Eigenschaften.“

Prof. Dr. Martin Göttlicher, Direktor des Instituts für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie, Helmholtz Zentrum München, im Februar 2023


Um dem weiteren PFAS-Eintrag in die Umwelt entgegenzuwirken, haben fünf europäische Länder, darunter Deutschland, bei der Europäischen Chemikalienbehörde ECHA einen Vorschlag für eine Beschränkung von PFAS im EWR (Europäischen Wirtschaftsraum) eingereicht, der derzeit ein öffentliches Konsultationsverfahren durchläuft. In dem Dossier wird ein Verbot der Herstellung, Inverkehrbringung und Verwendung der gesamten Stoffgruppe mit einer von der Verfügbarkeit von Alternativsubstanzen abhängenden Übergangsfrist von maximal zwölf Jahren unterbreitet. Eine Entscheidung der Europäischen Kommission wird frühestens 2025 erwartet.

Nun sind -CF3  und -CF2 im Bereich der Pharmazie keine Seltenheit. Nebst in Wirkstoffen, kommen PFAS auch als Hilfsstoffe (z.B. Apafluoran in Asthmasprays), in Medizinprodukten (z.B. Perfluorhexyloctan in Augentropfen) und auch im Pharma-Anlagenbau (z.B. Teflon in Dichtungen) zum Einsatz. Zu per- und polyfluorierten Wirkstoffen heißt es in dem Vorschlag für eine Beschränkung von PFAS:


„Humanarzneimittel sind wichtig für den Schutz des Menschen vor Krankheiten. Rückstände von Arzneimitteln werden über das Abwasser in die Umwelt freigesetzt. Eine allgemeine Beschränkung von PFAS für diese Anwendungen würde sich auf die Versorgungssicherheit mit Humanarzneimitteln und ihren Alternativen auswirken.“

Vorschlag für eine Beschränkung bei der Europäischen Chemikalienbehörde ECHA 


Eine Ausnahmeregelung für Wirkstoffe ist daher wahrscheinlich, das Umwelt- und Gesundheitsrisiko löst diese jedoch nicht. Das Umweltbundesamt hat daher vergangene Woche ein Gutachten ausgeschrieben, in dem therapeutische Alternativen für per- und polyfluorierte Wirkstoffe ermittelt werden sollen. Denn auch wenn ein Verbot nicht kommt, sei es umso relevanter, den Einsatz dieser kaum abbaubaren Wirkstoffe auf ein Minimum zu reduzieren, heißt es in dem Ausschreibungstext.

Die eingangs erwähnten Beispiele legen nahe, dass dies für viele der PFAS-Wirkstoffe möglich sein sollte. Statt Fluoxetin könnte bspw. der Einsatz von Citalopram, Paroxetin oder Sertralin erwogen werden und im Gegensatz zu Lansoprazol kommt Omeprazol gänzlich ohne Fluoratome aus.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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