AVNR-Blitzumfrage

Fachkräftemangel belastet fast jede Apotheke in Nordrhein

Berlin - 31.03.2023, 13:30 Uhr

Der Vorsitzende des AVNR, Thomas Preis, fordert von der Politik bürokratische Entlastungen für die Apotheken. (Foto: DAZ / Schelbert)

Der Vorsitzende des AVNR, Thomas Preis, fordert von der Politik bürokratische Entlastungen für die Apotheken. (Foto: DAZ / Schelbert)


In Nordrhein sorgt der Fachkräftemangel in etwa 97 Prozent der Apotheken für Mehrbelastungen für Inhaber und Angestellte. Das ist eines der Ergebnisse einer Blitzumfrage des AVNR. Fast die Hälfte hat demnach sogar Schwierigkeiten, die vorgeschriebenen Mindestöffnungszeiten abzudecken. AVNR-Chef Preis fordert vor diesem Hintergrund „maximale politische Unterstützung“.

Wie sehr setzt der Fachkräftemangel die Apotheken unter Druck? Um das herauszufinden, befragte der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) im ersten Quartal dieses Jahres seine Mitglieder in einer Blitzumfrage zu diesem Thema, an der sich binnen 48 Stunden etwa 500 Apotheken (rund 25 Prozent der Mitgliedsapotheken) beteiligten.

Das Ergebnis: Kaum einer Apotheke in der Region bereitet der Fachkräftemangel keine Probleme – 97 Prozent der Teilnehmenden gaben an, fehlendes Personal sorge im eigenen Betrieb für Mehrbelastungen sowohl für Inhaber als auch für Angestellte. Aus Mangel an Bewerbungen bleiben ausgeschriebene Stellen demnach bis zu fünf Monate unbesetzt.

Bei jeder zweiten Apotheke (etwa 54 Prozent) führt die dünne Personaldecke laut AVNR zudem zu einer hohen zusätzlichen Belastung beim Besetzen der Notdienste. Ebenfalls fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent) klagte über personelle Schwierigkeiten beim Abdecken der für Apotheken vorgeschriebenen Mindestöffnungszeiten.

Schließungen drohen

Die Folgen des Fachkräftemangels sind offenbar gravierend: Nach Angaben des AVNR droht jeder vierten Apotheke (25 Prozent) die Schließung, weil sich kaum noch potenzielle Nachfolger für Inhaber finden lassen, die in Rente gehen. Sogar fast 6 Prozent der Teilnehmenden gaben konkret an, die Apotheke in den nächsten zwölf Monaten auch aufgrund des Fachkräftemangels schließen zu müssen.

„Der Fachkräftemangel führt zur verstärkten Mehrbelastung der verbleibenden Apotheken“, schreibt der AVNR mit Blick auf die Ergebnisse in einer Pressemitteilung vom heutigen Freitag. Das gelte allein schon wegen der Übernahme der gesetzlich vorgeschriebenen Notdienste. „Aber auch im Alltag müssen immer weniger Apotheken immer mehr Menschen versorgen“, betont der Verband. Die Arbeit der Apotheken werde zudem auch durch das steigende Alter der Patientinnen und Patienten immer anspruchsvoller: Von 2017 bis 2021 stieg demnach die Zahl der Bürger, die eine Apotheke statistisch versorgt, um 7,56 Prozent. Im gleichen Fünfjahres-Zeitraum stieg die Zahl der zu versorgenden Über-60-Jährigen um 13,78 Prozent und die der Über-80-Jährigen sogar um 30,2 Prozent pro Apotheke.

Keine Besserung in Sicht

Aufgrund der demografischen Entwicklung sei davon auszugehen, dass den Apotheken auch in Zukunft für die große Herausforderung der stark alternden Bevölkerung nicht signifikant mehr Personal zur Verfügung stehen wird. Von 2017 bis 2021 ist die Zahl der Mitarbeiter in den Apotheken laut AVNR lediglich um 1,59 Prozent gestiegen. „Deshalb sehen wir dringenden politischen Handlungsbedarf, die Apotheken in unserem Land zu stärken, von nicht pharmazeutischen Aufgaben zu entlasten, Präqualifizierungen und Nullretaxen abzuschaffen und die Apotheken bei der Personalfindung und -bindung zu unterstützen“, fordert AVNR-Chef Thomas Preis. Dazu gehöre an erster Stelle eine deutliche Anhebung der Vergütung der Apotheken, damit Apothekenmitarbeiter besser bezahlt werden könnten.

Preis: Apotheken brauchen „maximale politische Unterstützung“

Preis fasst zusammen: „Allein die große und sehr schnelle Resonanz auf unsere Blitzumfrage zeigt die starke Betroffenheit der Apotheken beim Thema Fachkräftemangel. Wie das zentrale Ergebnis der Befragung in bedrückender Weise verdeutlicht, sind durch das fehlende Personal und die gleichzeitig steigenden pharmazeutischen und bürokratischen Anforderungen die Arbeitsbelastungen in fast jeder Apotheke für das gesamte Apothekenteam extrem hoch“, erklärt der AVNR-Vorsitzende. „Die öffentlichen Apotheken brauchen dringend und sofort eine maximale politische Unterstützung, um mit ausreichend Personal und erheblichen Entlastungen bei den zeitraubenden Bürokratieanforderungen die Gesundheits- und Arzneimittelversorgung der immer mehr werdenden alten und sehr alten Menschen zu sichern.“

Doch Geld allein wird nicht reichen – aus Sicht von Preis braucht es darüber hinaus eine erhebliche bürokratische Entlastung, sodass „eine Konzentration auf die heilberuflichen Kernaufgaben zum Wohl der Patientenversorgung in unseren Apotheken stattfinden kann“. Lobend erwähnt er in diesem Zusammenhang die im März 2020 vom Apothekerverband Nordrhein in Kooperation mit der AOK Rheinland/Hamburg auf Landesebene initiierten und dann bundesweit etablierten erleichterten Austauschreglungen bei Rabattvertragsarzneimitteln. Apothekerinnen und Apotheker nutzen nach seiner Einschätzung den Spielraum bei der Umsetzung der Rabattverträge effektiv und verantwortungsbewusst. Da, wo es möglich ist, würden die für Krankenkassen kostengünstigeren Rabattarzneimittel abgegeben.

Diese Möglichkeit müsse erhalten bleiben, unterstreicht Preis. „Wir appellieren eindringlich an die Politik, diese nachweislich praxisbewährte Regelung zeitlich unbefristet gesetzlich zu verankern.“ Mit dem bereits beschlossenen UPD-Gesetz wurden die erleichterten Abgaberegeln aus der Pandemie bis 31. Juli 2023 verlängert. Danach sollen die Regelungen des sogenannten Lieferengpass-Gesetzes greifen, an dem die Regierung derzeit noch feilt. „Wir dürfen nicht wieder zurück in die Steinzeit beim im Umgang mit den Rabattverträgen. Falls die erleichterten Abgaberegelungen tatsächlich Ende Juli wegfallen sollten, wird die Versorgung gerade angesichts der weiter bestehenden Lieferengpässe sehenden Auges massiv verschlechtert“, betont Preis.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.