Arztreport der Barmer-Krankenkasse

Weniger Kinderkrankheiten während der Pandemie – Nachholeffekte zu befürchten


Die präventiven Maßnahmen während der Coronapandemie haben nicht nur vor SARS-CoV-2 geschützt, sondern auch vor anderen Tröpfcheninfektionen. So zeigt der Arztbericht der Krankenkasse Barmer, dass Scharlach-Fälle bei unter 14-Jährigen von 2019 bis 2021 um über 90 Prozent reduziert wurden. Auch beim Auftreten anderer Infektionskrankheiten, die häufig bei Kindern auftreten, hat sich über die Jahre einiges getan.

Der Arztreport 2023 der Barmer Krankenkasse legt seinen Schwerpunkt auf das Thema Kinderkrankheiten. Dazu wurden Daten von 0- bis 14-Jährigen aus den Jahren 2005 bis 2021 analysiert und sieben gängige Kinderkrankheiten näher betrachtet. Über den ausgewerteten Zeitraum sind die Fallzahlen für fünf von ihnen – Scharlach, Mundfäule, Windpocken, Grindflechte und das Dreitagefieber – beinahe kontinuierlich gesunken. Auch bei Ringelröteln zeigte sich eine Reduktion der Erkrankungsfälle zwischen 2005 und 2021, allerdings mit starken zwischenzeitlichen Fluktuationen. Zwischen 2020 und 2021 wurden durch die Coronaschutzmaßnahmen jeweils besonders wenige Fälle registriert.

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Bei der Tröpfcheninfektionen Scharlach stellte sich dieser Rückgang besonders drastisch dar: Für die durch Streptokokken verursachte Krankheit wurde 2021 ein Rückgang von 90 Prozent in Bezug auf das Niveau vom Jahr 2019 festgestellt. Im Vergleich dazu lag die Rückgangsrate 2019 in Bezug auf das Jahr 2010 bei knapp unter 20 Prozent. Dieser Pandemie-bedingte Rückgang soll übrigens mit eine Ursache der aktuellen Engpässe sein: Während der Pandemie wurde kaum noch Amoxicillin benötigt und entsprechend ist weniger hergestellt worden. Nun sind die Infektionen sprunghaft angestiegen und Amoxicillin fehlt. 

Professor Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, befürchtet nun Nachholeffekte und höhere Erkrankungsraten bei älteren Kindern, insbesondere weil nach überstandener Infektion die Immunität nicht lange anhalte. Wie sich die Beendigung der Coronamaßnahmen auf die Infektionszahlen von Scharlach auswirke, müsse sich erst noch zeigen.

Sonderfall Hand-Fuß-Mund-Krankheit

Einzig bei der Diagnose der Hand-Fuß-Mund-Krankheit finden sich 2021 höhere Fallzahlen als im Jahr 2010. Im vierten Quartal 2021 seien so viele Kinder von dieser Erkrankung betroffen gewesen (141.800) wie in keinem anderen Quartal seit 2005. Die Studienautoren betonen, dass eine weitere Beobachtung der durch Enteroviren verursachten Erkrankung sinnvoll wäre. Vor allem da der Bericht keine Auskunft über die Gründe der veränderten Infektionszahlen liefern kann. Kinder können sich mehrfach mit der Hand-Fuß-Mund-Krankheit infizieren. Zweijährige sind am häufigsten Betroffen (11,3 Prozent der Erkrankten).

Regionale Unterschiede

Dem Krankenkassen-Report zufolge gibt es bei einigen der untersuchten Kinderkrankheiten regionale Unterschiede, so auch bei Scharlach: Die Erkrankungsrate war in Bremen, Baden-Württemberg und Berlin mit sieben bis 16 Erkrankten pro 10.000 Kindern unter 14 Jahren am niedrigsten. Die höchsten Scharlach-Zahlen wurden in Schleswig-Holstein mit 39 Kindern je 10.000 Personen in dieser Altersgruppe festgestellt.

Dass Impfungen wirken, lässt sich im Arztreport ebenfalls erkennen: Gesunkene Fallzahlen bei Windpocken, Keuchhusten, Diphterie und Masern zeigen, dass Schutzimpfungen zu einem unverzichtbaren Teil zur Eindämmung von Infektionskrankheiten geworden seien, so die Autoren des Berichts. Besonders der Rückgang von Windpocken-Fällen zwischen 2005 und 2021 um 90 Prozent sei begrüßenswert, da Menschen, die als Kind mit dem Varizella-Zoster-Virus infiziert wurden, im Erwachsenenalter eine Gürtelrose entwickeln können.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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