Spülen nicht Putzen

Sublinguales Buprenorphin schlägt auf die Zähne

Stuttgart - 07.03.2023, 14:45 Uhr

Daten von als 21.000 Anwender:innen von Buprenorphin/Naloxon-Sublingualtabletten wurden in der Studie ausgewertet. (Foto: Simone / Adobe Stock)

Daten von als 21.000 Anwender:innen von Buprenorphin/Naloxon-Sublingualtabletten wurden in der Studie ausgewertet. (Foto: Simone / Adobe Stock)


Bereits 2022 hatte die FDA auf Grundlage von Fallmeldungen Alarm geschlagen, nun hat eine kanadisch/US-amerikanische Studie die Vermutungen bestätigt: Sublinguales Buprenorphin kann die Zähne schädigen. Welche Empfehlungen können Anwender:innen mitgegeben werden?

Von den schätzungsweise 166.000 Opioidabhängigen in Deutschland wurden im Jahr 2022 gemäß dem aktuellen Bericht zum Substitutionsregister des BfArM 81.300 Patient:innen mit einer Substitutionstherapie behandelt. Fast jede:r Vierte (23,7 Prozent) erhielt den Wirkstoff Buprenorphin. Hierbei handelt es sich um einen partiellen Agonisten am µ-Opioidrezeptor, der ein relativ breites therapeutisches Fenster aufweist. In der Substitutionstherapie wird Buprenorphin in Kombination mit Naloxon (Suboxone®) oder einzeln (Subutex®) als Sublingualtablette eingesetzt.

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Eben diese Darreichungsform kann jedoch zu Problemen an Zähnen und Zahnfleisch führen, wie eine neue Studie nun bestätigte (Etiman et al. Association Between Sublingual Buprenorphine-Naloxone Exposure and Dental Disease. 2022. doi:10.1001/jama.2022.17485). Für ihre Untersuchungen werteten Wissenschaftler aus Kanada und den USA Daten von 21.404 Patient:innen aus, die neu auf sublinguale Bupreorphin/Naloxon-Kombinationspräparate eingestellt wurden. Als Vergleichsgruppen dienten ihnen 5385 Anwender:innen von transdermalem Buprenorphin sowie 6616 Patient:innen, die orales Naltrexon erhielten.

Mehr Karies, mehr Zahnverlust

Tatsächlich war bei Verwendung sublingualer Buprenorphin/Naloxon-Präparate das Risiko für unerwünschte zahnmedizinische Ereignisse deutlich erhöht (21,6 Fälle pro 1000 Patientenjahre in der Buprenorphin/Naloxon-Gruppe, 12,2 in der Buprenorphin-Gruppe und 10,9 in der Naltrexon-Gruppe). Auch Karies und Zahnverlust waren unter Einsatz von sublingualen Buprenorphin/Naloxon deutlich häufiger (8,2 Fälle pro 1000 Patientenjahre vs. 3,5 bzw. 3,8).

Als Ursache hierfür, kommt laut Studienautoren die saure Natur des Wirkstoffes Buprenorphin infrage, der bei korrekter Anwendung der Sublingualtabletten für mehrere Minuten mit Zähnen und Zahnfleisch in Kontakt kommt. In einem Bericht des Arzneimittel-Telegramms werden als weitere potenzielle Ursachen eine mögliche Veränderung der lokalen mikrobiellen Flora, sowie die bei Buprenorphin mögliche Nebenwirkung Mundtrockenheit diskutiert. 

Zähne umgehend spülen, aber erst später putzen

Die US-Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA hat bereits im Dezember 2022 auf Grundlage von Fallberichten auf das Risiko von Zahnproblemen bei der Anwendung von im Mund zerfallenden Buprenorphin-Darreichungsformen hingewiesen. Sie empfiehlt Anwender:innen nach dem vollständigen Zerfall des Präparates den Mund mit etwas Wasser zu spülen und dieses dann zu schlucken. Die Zähne sollten frühestens nach einer Stunde das nächste Mal geputzt werden. Hintergrund hierfür dürfte sein, dass durch die Säure angelöster Zahnschmelz nicht abgetragen werden soll. Weiterhin seien regelmäßige Zahnkontrollen ratsam. Apothekenteams sollten ihren Substitutionspatient:innen diese Hinweise mit auf den Weg geben. 

Laut Arzneimittel-Telegramm haben diese Hinweise auch bereits Einzug in die US-amerikanischen Produktinformationen gefunden. In Deutschland ist dies noch nicht der Fall. Die Hersteller seien aber zu einem Monitoring von Fallberichten im Rahmen der regelmäßigen europäischen Sicherheitsbewertung verpflichtet worden und mit möglichen Maßnahmen seitens des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sei 2024 zu rechnen.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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