Campylo-wer?

Deutsche sind schlecht über lebensmittelassoziierte Infektionen informiert

Stuttgart - 03.03.2023, 09:15 Uhr

„Peel it, boil it, cook it or forget it“ – die Faustregel für Urlauber, um Reisediarrhöen zu vermeiden, könnte auch in den hiesigen Küchen häufiger zum Einsatz kommen. (b/Foto: denio109 / Adobe Stock)

„Peel it, boil it, cook it or forget it“ – die Faustregel für Urlauber, um Reisediarrhöen zu vermeiden, könnte auch in den hiesigen Küchen häufiger zum Einsatz kommen. (b/Foto: denio109 / Adobe Stock)


Eine Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung zeigt: Beim Thema lebensmittelassoziierte Infektionen kennen sich die Deutschen schlecht aus. Den häufigsten Erreger, Campylobacter spp., kannten gemäß einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung gerade einmal 23 Prozent. 

Große Ausbrüche lebensmittelassoziierter Infektionen, wie beispielsweise der EHEC-Ausbruch im Jahr 2011 und der Norovirus-Ausbruch im Jahr 2012, sind selten. Lebensmittelassoziierte Infektionen an sich sind es jedoch nicht: etwa 100.000 Fälle werden jährlich gemeldet. Und da die Meldepflicht nur für einige Erreger besteht, kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.

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Nebst Bakterien wie Salmonellen, Listerien, Campylobacter und Escherichia coli-Bakterien können auch Viren wie das Norovirus und Parasiten wie Toxoplasmen hinter Magen-Darm-Erkrankungen stecken. Zwar sind die durch sie ausgelösten Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe und Durchfall oft nach einigen Tagen wieder abgeklungen, insbesondere für Risikogruppen können lebensmittelassoziierte Infektionen jedoch schnell lebensbedrohlich werden. 

Im Englischen werden die Risikogruppen mit der Abkürzung YOPI’s zusammengefasst: young, old, pregnant and immunocompromised, also kleine Kinder, Senioren, Schwangere und Menschen mit eingeschränkter Immunfunktion. Sie sollten auf rohe beziehungsweise nicht vollständig durchgegarte tierische Produkte verzichten.


„Die gesundheitlichen Risiken von rohen Lebensmitteln werden häufig unterschätzt. Erhitzen schützt. Erkrankungen lassen sich schon mit einfachen Küchenhygieneregeln vermeiden. Insbesondere empfindliche Personengruppen sollten rohe Lebensmittel vom Tier nur ausreichend erhitzt verzehren.“

BfR-Präsident Professor Andreas Hensel


Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat im September vergangenen Jahres 1.004 Bundesbürger:innen zum Thema „rohe Lebensmittel“ befragt und die Ergebnisse nun veröffentlicht. Aus diesen geht hervor, dass rohe tierische Produkte regelmäßig auf dem Speiseplan der Deutschen stehen: So essen beispielsweise beinahe drei Viertel mehrmals im Monat rohe Wurst- und Schinkenprodukte. Auch Rohmilchkäse steht bei der Hälfte mehrmals im Monat auf dem Tisch. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch rohes Fleisch, roher geräucherter Fisch und Tiefkühlbeeren.

Risiken wenig bekannt

Beim Bewusstsein für die potenziellen Risiken dieser Lebensmittel, besteht jedoch noch einiges an Nachholbedarf: Mehr als ein Viertel der Befragten sah von rohem geräuchertem Fisch, rohen Wurst- und Schinkenprodukten sowie Rohmilchkäse keine Gefährdung für Risikopatient:innen ausgehen. Auch die Erreger lebensmittelassoziierter Infektionen waren wenig bekannt: Toxoplasmen kannten etwas mehr als die Hälfte der Befragten, die zu den e.coli-Bakterien gehörenden Vertreter STEC / EHEC / VTEC waren 27 Prozent bekannt und weniger als jeder Vierte hatte bereits von dem häufigsten Erreger lebensmittelassoziierter Infektionen gehört: Campylobacter.

Campylobacter-Enteritis

Bakterien der Campylobacter-Gattung sind der häufigste Auslöser lebensmittelbedingter Infektionen. Mit 60.000 bis 70.000 an das Robert-Koch-Institut übermittelten Fällen pro Jahr (das sind 80 bis 90 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) stellen Campylobacter-Enteritiden die häufigste bakterielle meldepflichtige Krankheit in Deutschland dar. Die Infektion verläuft oft asymptomatisch. Symptomatische Verläufe äußern sich durch Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Erbrechen, Durchfälle und heftige Bauchschmerzen. 

Was die Diagnose erschwert: zwar können Beschwerden bereits kurz nach der Infektion auftreten, Inkubationszeiten von bis zu zehn Tagen sind jedoch möglich. Die Mehrzahl der Erkrankungen ist unangenehm, aber selbstlimitierend. Selten treten Komplikationen wie reaktive Gelenkentzündungen oder das Guillain-Barré-Syndrom auf. Therapiert wird mit einer Volumen- und Elektrolytsubstitution. Antibiotika sind nur in Ausnahmefällen angezeigt, etwa bei sehr schweren Verläufen oder bei immunsupprimierten Patient:innen.

Die Ansteckung erfolgt über den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln, die häufigste Infektionsquelle ist Geflügelfleisch, insbesondere Hühnerfleisch. Aber auch Rohmilch (unpasteurisierte Milch) und andere Fleischprodukte führen in Deutschland immer wieder zu Ausbrüchen – allein im Jahr 2021 gab es in Deutschland mehr als 60 Ausbrüche.

Zu Ernährungsthemen oder Risikogruppen beratende Apothekenteams können ihre Kund:innen also gelegentlich an lebensmittelassoziierte Infektionen erinnern, ohne befürchten zu müssen, ihre Gegenüber zu langweilen. Die wichtigsten Hinweise zur richtigen Lagerung, Verarbeitung und Zubereitung kritischer Lebensmittel, wie rohe Fleischprodukte, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hier zusammengestellt.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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