Zi-Auswertung

Jeder vierte Patient von Nichtverfügbarkeit betroffen

Berlin - 02.03.2023, 12:15 Uhr

Die Sonder-PZN zur Nichtverfügbarkeit ist auf immer mehr Rezepten zu finden – dies spiegelt laut Zi die sich zuspitzende Lieferengpassproblematik. (Quelle: zi.de)

Die Sonder-PZN zur Nichtverfügbarkeit ist auf immer mehr Rezepten zu finden – dies spiegelt laut Zi die sich zuspitzende Lieferengpassproblematik. (Quelle: zi.de)


Immer öfter müssen Apotheken auf Nichtverfügbarkeiten bei Arzneimitteln reagieren. Laut einer Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) betrifft das, gemessen an den aufgedruckten Sonder-PZN, inzwischen 10 Prozent der Verordnungen – und damit etwa jeden vierten Patienten. Das gesamte Ausmaß des Problems ist damit jedoch noch lange nicht erfasst, betont das Zi in einer Mitteilung.

Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben inzwischen ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. In den Apotheken verursacht die Situation einen enormen Arbeitsaufwand – und auch die Ärzteschaft lässt sie nicht kalt. Doch wie groß ist das Problem wirklich? Die Lieferengpassliste des BfArM dürfte als Indikator kaum zu gebrauchen sein. Denn erstens umfasst sie nicht alle Verknappungen, mit denen Apotheken, Praxen und Patienten tagtäglich zu kämpfen haben. Zweitens sagt sie nichts über die Verordnungshäufigkeit der betroffenen Arzneimittel aus – das ist aber ein nicht zu vernachlässigender Faktor für den Alltag auf Versorgerebene.

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Nun tastet sich das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) an die Antwort auf diese Frage heran. Es hat in erster Näherung den Anteil der Rezepte bestimmt, bei denen die Apotheke eine Sonder-PZN für die Nichtverfügbarkeit eines Präparats aufdrucken musste. Basis der Auswertung sind laut einer Pressemitteilung des Zi vom vergangenen Dienstag die Arzneiverordnungsdaten für die Jahre 2021 und 2022 nach § 300 SGB V (Abrechnung der Apotheken und anderer Stellen).

Anteil der Rezepte mit Sonder-PZN im Zeitverlauf als Indikator

„Die Sonder-PZN 02567024 wird verwendet, wenn statt des rabattierten bzw. preisgünstigsten Präparats ein wirkstoffgleiches Arzneimittel eines anderen Herstellers abgegeben wurde“, erläutert das Zi zunächst. „Sie kommt zwar nur im Generika- und importrelevanten Markt zum Tragen. Eine Betrachtung ihrer Häufigkeit als Zeitreihe weist aber auf eine aktuelle Verschärfung der Lage hin.“

Das Ergebnis der Auswertung: Im Jahr 2021 sowie in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 sei die Anzahl der abgerechneten Nichtverfügbarkeits-Sonder-PZN noch recht stabil gewesen – im vierten Quartal verzeichnet das Institut jedoch einen deutlichen Anstieg. „Bei 10 Prozent der Verordnungen konnten Apotheken nicht auf das eigentlich abzugebende Präparat (z. B. Rabattarzneimittel) zurückgreifen“, schreibt das Zi. Etwa 26 Prozent der Patienten haben demnach eine Nichtverfügbarkeit erlebt.

Auch häufig verordnete Wirkstoffe betroffen

Unter den betroffenen Wirkstoffen seien auch solche gewesen, die Ärzte besonders häufig verordnen, betont das Zi. Etwa drei von vier Praxen betreuen mindestens einen betroffenen Patienten. Und dabei zeige die Auswertung nicht einmal das gesamte Ausmaß des Problems auf: „Fälle, in denen die Apotheke ein neues Rezept in der Arztpraxis anfordern musste, weil der verordnete Wirkstoff überhaupt nicht verfügbar war, sind hierbei nicht erfasst.“ 

„Die Gründe für Lieferengpässe sind vielschichtig“, weiß Zi-Chef Dominik von Stillfried. „Neben nicht ausreichenden Produktionskapazitäten oder dem Rückzug einzelner Hersteller können auch kurzfristige Veränderungen im Krankheitsgeschehen zu Problemen führen.“ Als Beispiel nennt er Versorgungsschwierigkeiten bei Antibiotika mit den Wirkstoffen Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V, über die im Dezember 2022 besonders häufig berichtet worden sei. „Dies war eine besondere Herausforderung, da viele Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, in diesem Zeitraum an einer bakteriellen Infektion erkrankten. Der Markt konnte jedoch nicht zeitnah genug auf den gesteigerten Bedarf reagieren.“

Zahl der Antibiotika-Verordnungen steigt Ende 2022 deutlich

Während der Auswertung zufolge im vierten Quartal 2021 die genannten drei Wirkstoffe knapp zwei Millionen Mal verordnet wurden, waren es im vierten Quartal 2022 mehr als 3,1 Millionen Verordnungen (+57 Prozent). „Insbesondere bei so wichtigen Wirkstoffen wie Antibiotika sollte daher neben stabilen Lieferketten auch eine Reserve vorgehalten werden“, meint von Stillfried.

Um Lieferengpässe wirksam zu reduzieren oder gar zu verhindern, müsse die Politik an den tatsächlichen Ursachen ansetzen und mehr Transparenz über Lieferwege schaffen, heißt es in der Mitteilung. Diese seien oftmals allein den jeweiligen Pharmafirmen im Detail bekannt, merkt von Stillfried an. „Konkret heißt das: Abhängigkeiten von Lohnherstellern in Asien zurückfahren und verbliebene Standorte in Europa stärken sowie Lieferengpässe konsequenter überwachen, damit frühzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können.“


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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